Zunehmender Einfluss des französischen Kapitals in Tschechien
Seit Beginn der Wirtschaftstransformation ist Deutschland der wichtigste ausländische Investor in Tschechien. Das könnte sich in absehbarer Zeit allerdings ändern, denn bei den anstehenden grossen Infrastrukturprivatisierungen im Energiebereich sind unter den wichtigsten Interessenten französische Gesellschaften. Mehr dazu im nachfolgenden Beitrag von Rudi Hermann.
Bald allerdings könnte Frankreich seinen europäischen Rivalen Deutschland als das am meisten in Tschechien investierende Land ablösen. Denn in näherer Zukunft stehen grosse Privatisierungen bevor, die namentlich die energetische Infrastruktur, also Herstellung und Distribution von elektrischem Strom sowie das tschechische Erdgassystem betreffen. In beiden Bereichen stellen französische Unternehmen ernsthafte Anwärter dar, der staatliche Energiekonzern Electricite de France wird für die Privatisierung der Tschechischen Energiebetriebe CEZ gar als Favorit gehandelt. Ferner ist bei der Telefongesellschaft Cesky Telecom ein Rückzug der holländischen KPN zu erwarten, und dieses Loch dürfte wohl durch die Deutsche Telekom oder aber einen französischen Bewerber, France Telecom oder Vivendi, gestopft werden. Bei diesen Privatisierungen sind Beträge im Spiel, die in der Grössenordnung von gesamthaft 300 bis 400 Milliarden Kronen liegen dürften.
Die Bedeutung von Auslandinvestitionen liegt allerdings nicht nur im Geld, das ins Land fliesst und die hiesige Wirtschaft in Schwung bringt, weil die Produktion von Waren und Dienstleistungen angekurbelt wird. Der tschechische Volkswirtschaftsexperte Evzen Kocenca weist darauf hin, dass eine starke ausländische Präsenz in der tschechischen Wirtschaft auch dazu beiträgt, westliches Verhalten hier einzubürgern und das unternehmerische Klima zu verbessern. Der Tageszeitung Mlada Fronta dnes sagte Kocenda, die Investoren kämen aus Ländern, wo sich die Unternehmer das Funktionieren des Geschäfts im Kontakt mit der staatlichen Administration nicht mit Kleinkorruption erkaufen müssten, und würden sich deshalb dafür einsetzen, auch hier die Verhältnisse zu verbessern. Aus Arbeitnehmersicht kann allerdings alles etwas anders aussehen. So meinte der Senator Milan Stech, ein hoher Gewerkschaftsfunktionär, gegenüber der gleichen Zeitung, ausländische Arbeitgeber würden sich hier gegenüber der Belegschaft anders verhalten als in ihren Heimatländern.