An allen bürokratischen Hürden vorbei – Bau von Passivhäusern in Tschechien
Häuser, die für sich selbst keine Energie von außen benötigen und im besten Fall sie sogar für andere produzieren – laut Experten werden sie in der Zukunft ganz normal sein. In Tschechien entsteht zurzeit ein Musterprojekt in diesem Bereich: der Umbau des Schulgebäudes in der mittelböhmischen Gemeinde Kněžmost. Die Umsetzung enthüllt jedoch die Hindernisse, die hierzulande für solche Projekte bestehen.
Nun sind umfangreiche Bauarbeiten geplant, und das aus zwei Gründen: Die Schülerzahl ist gestiegen, und der Anbau besteht aus gesundheitsschädlichem Material und muss abgerissen werden. Das hat die Möglichkeit eröffnet, das Schulgelände ins historische Antlitz der Gemeinde einzupassen und zugleich beim Umbau neueste Bau- und Energietechnologien zu verwenden. Mit dem Entwurf wurde der Architekt Aleš Brotánek beauftragt, er ist Inhaber des Büros AB Atelier.
„Der Bürgermeister von Kněžmost hat uns vor einigen Jahren bereits angesprochen, weil er irgendwo gelesen hatte, dass wir uns auf Passivhäuser spezialisieren. Die Vorbereitung des Projektes war gar nicht einfach: Ein Jahr lang haben wir darüber geredet, was unter tschechischen Bedingungen möglich ist, in den folgenden zwei Jahren wurde an der Studie gearbeitet. Alles musste wiederholt im Gemeinderat verabschiedet werden, die Verhandlungen gingen über zwei Wahlperioden hinweg. Für den Erfolg des Projektes war entscheidend, dass das Finanzministerium bereit war, 70 Prozent der Gesamtkosten zu vergüten. Nun ist es soweit: Das problematische Gebäude wird noch in diesem Jahr abgerissen, stattdessen entstehen bis 2019 ganz neue Räume für die zweite und teilweise auch für die erste Unterrichtstufe“, so Aleš Brotánek.In Kněžmost plant man für die Zukunft
Die erste Stufe, das bedeutet in Tschechien die erste bis vierte Klasse, zweite Stufe dann die fünfte bis neunte. Der neue Anbau wird aus zwei großen und zwei kleinen Teilen bestehen, die mit den älteren Objekten einen Gesamtkomplex bilden. Alle Gebäude werden im Passivstandard isoliert, um den Energiebedarf so weit wie möglich zu senken. Für die nach Süden gehenden Unterrichtsräume sind große, hitzeabweisende Fensterscheiben geplant.Die Heizung soll durch zwei Kessel mit automatischer Brennstoffzufuhr erfolgen: den ersten für genau dosierte Holzpellets und den zweiten, schon bestehenden, für Gas. Die Anlagen werden leicht zugänglich sein, um den Schülern später das Prinzip erläutern zu können. Als Stromquelle soll Fotovoltaik dienen. Es sind insgesamt neun Module unterschiedlicher Größe, Einstellung und Neigung, um die Stromherstellung möglichst gleichmäßig auf den Tag zu verteilen. Die Module lässt der Architekt sowohl an der Fassade anbringen, als auch auf dem Dach. Auf diese Weise ließe sich auch im Winter ein großer Teil des Strombedarfs decken, erläutert Aleš Brotánek. Doch es ist ein unerwartetes Problem aufgetaucht:
„Der produzierte Strom lässt sich im Schuljahr vollständig verbrauchen. Überschüsse können wir zum Beispiel in Warmwasser speichern und dann den Heizkessel drosseln. Wohin aber mit dem Strom in den Sommerferien, wenn die Sonne am stärksten scheint, die Schule aber leer ist? Die Gemeinde könnte ihn beispielsweise in seinen Büros, im Seniorenheim oder in anderen Gebäuden nutzen. Das ist technisch möglich, doch die Bürokratie verhindert diese Lösung.“In Tschechien ist zum Beispiel das sogenannte „Net-Metering“ nicht erlaubt. Das bedeutet, dass der Besitzer einer Fotovoltaik-Anlage die Überschüsse ins Netz einspeist und bei wenig oder keinem Sonnenschein daraus Strom wieder entnimmt. Auf der Rechnung steht dann nur der Saldo des Tauschgeschäfts und eventuelle Netzgebühren. In bestimmten Ländern ist ein solches Vorgehen bereits möglich, doch nicht in Tschechien. Im Gegenteil: Hierzulande droht sogar für die Einspeisung überschüssigen eigenen Stroms ins Netz eine hohe Strafe.
Staat bestraft die Stromeinspeisung
In Kněžmost wurde auch erwogen, ein eigenes Stromnetz zwischen der Schule und anderen öffentlichen Gebäuden aufzubauen. Finanziell hätte sich das sogar gelohnt, doch in Hinsicht auf zukünftige Entwicklungen wäre es sinnlos. Denn Experten erwarten, dass bald Technologien bereitstehen, die den Stromaustausch zwischen unterschiedlichen Subjekten sehr einfach machen. Deswegen hat sich die Gemeinde mittlerweile entschieden, nur die Fassadenfotovoltaik zu installieren. Die Solarpanele auf dem Dach sollen erst kommen, wenn die Behörden den Weg freigegeben haben für die Einspeisung überschüssigen Stroms. Aleš Brotánek ist da Optimist:„Das Umweltministerium hat ein Programm aufgelegt, um den Einsatz erneuerbarer Energien in öffentlichen Gebäuden zu fördern. Es mangelt aber an solchen Projekten. Der Grund liegt darin, dass die vorigen Regierungen keine langfristige Strategie auf diesem Feld entwickelt haben. In Ländern, in denen eine solche Strategie besteht, können Investoren auch entsprechend planen. Hier in Tschechien gab es zu Zeiten des grünen Umweltministers Martin Bursík ein sehr erfolgreiches Programm, das ist aber schon zehn Jahre her. Seitdem haben sich die Politiker über die erneuerbaren Energien eher lustig gemacht und die meisten Förderprogramme eingestellt. Der jetzige Umweltminister Richard Brabec ist der erste, der die Sache wieder in Bewegung gebracht hat. Kein Wunder aber, dass die Projekte derzeit noch fehlen. In Kněžmost hat allein die Projektierung etwa anderthalb Jahre Zeit gekostet.“
Das Umweltministerium sucht daher aktiv nach Projekten, die es unterstützen könnte. Darüber hinaus will es bürokratische Hindernisse aus dem Weg räumen. Und das ist eben in Kněžmost der Fall. Wenn die Probleme mit dem überschüssigen Strom gelöst sind, soll dies laut Brotánek als Muster für alle nachfolgenden Projekte gelten. Die Verhandlungen dürften schon bald beginnen.Kleine Gemeinden benachteiligt
Aleš Brotánek ist einer der wenigen Architekten in Tschechien, der sich auf Passivhäuser spezialisiert hat. Mit ein paar Ausnahmen besteht seine Klientel aus privaten Bauherren, die über eigenes Geld verfügen. In den letzten Jahren beginnen sich aber auch verschiedene Firmen zu melden, die auf ihr „grünes Image“ Wert legen. Städte und Gemeinden könnten Brotáneks ideale Kunden sein, denn sie besitzen viele große und meist unwirtschaftliche Gebäude: Schulen, Kitas, Seniorenheime und Ärztehäuser aus der kommunistischen Zeit. Bei den Kommunen herrsche bisher aber nur wenig Interesse an Passivhäusern, so der Architekt:
„Bei uns in Tschechien besteht eine hohe Umverteilungsquote. Das Geld geht aber vor allem in große Städte, kleine Gemeinden müssen mit einem geringen Haushalt auskommen, der üblicherweise nur für den Normalbetrieb ausreicht. Nur wenige Kommunen sind daher in der Lage, einen Betrag zu investieren, um dadurch zusätzlich Förderungen beantragen zu können. In Kněžmost war die Lage doppelt einzigartig: Erstens konnte die Gemeinde 30 Millionen Kronen (etwa 1,1 Million Euro, Anm. d. Red.) ausgeben, und zweitens hat man sich im Rathaus bewusst gemacht, dass die umgebaute Schule sicher weitere 100 Jahre lang der Gemeinde dienen wird. Die Ratsherren wollten die Schule also nicht nach den Standards des 20., sondern des 21. Jahrhunderts bauen lassen.“Und noch eine Bemerkung: Allgemein herrscht in Tschechien die Ansicht vor, ein Passivhaus sei teurer als ein „klassisches“. Ein Bürgermeister soll vor kurzem sogar gesagt haben, er wolle ein Gemeindegebäude dringend bis 2020 fertigstellen lassen, denn ab dann würde für alle neugebauten Häuser der Passivstandard gefordert. Brotánek erwidert aber, seinen Erfahrungen nach müsse ein Passivhaus überhaupt nicht teurer sein, wenn man die Bautechnik richtig beherrscht.