Als der österreichische Kaiser nach Mähren flüchtete

Ferdinand der Gütige

1848 – 1918 – 1938 – 1948 – 1968 – 1988/9. Lang ist die Reihe der so genannten „Achter-Gedenkjahre“. Kurz vor dem Ende eines anderen, des bislang jüngsten „Achter-Jahres“ 2008, kehren wir noch einmal ganz an den Anfang dieser symbolischen Jahreszahlen-Kette zurück. Im Jahr 1848 erschütterten mehrere Aufstände und Revolutionen Europa. Eines der Zentren des Aufbegehrens gegen die herrschenden Machthaber war Wien. Böhmen und Mähren als Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie waren ebenfalls unmittelbar von den unruhigen Ereignissen betroffen. Wir haben an dieser Stelle bereits über die Ereignisse im März 1848 und ihre Folgen berichtet. Im Oktober 1848 wurde es in der Reichshauptstadt Wien erneut ungemütlich.

Prag 1848
„Seit drei Tagen hat die Revolution allen Boden gewonnen. In diesem Augenblicke herrscht vollkommene Anarchie. Die alte Staatsgewalt liegt in Trümmern. Keine neue vermag sich zu erheben. Die Ohnmacht im Schaffen und die Wuth des Zerstörens ist der Charakter der Stunde, in der wir leben. Soldat und Bürger ist über Wunsch und Pflichten ungewiss, ungezügelt und stark wütet die Leidenschaft. Sollen wir deshalb der Hoffung entsagen? Nein!“

So titelte die damals ganz junge Wiener Tageszeitung „Die Presse“ am 9. Oktober 1848.

Ferdinand der Gütige
Der Wiener Oktoberaufstand, oft auch die Wiener Oktoberrevolution genannt, bildete den Schlusspunkt eines höchst unruhigen Jahres 1848. Am 6. Oktober 1848 sollten kaiserliche österreichische Einheiten gegen das aufständische Ungarn losziehen. Doch dabei stießen die Truppen auf erbitterten Widerstand: Zahlreiche Wiener Studenten, Arbeiter, aber auch abtrünnige Militärs selbst versuchten, den Abmarsch der Soldaten zu verhindern. Es kam zu blutigen Straßenschlachten, die nicht einmal vor dem Wiener Stephansdom Halt machten. Die aufgebrachte Menge stürmte auch das Kriegsministerium, zerrte den Kriegsminister Theodor Graf Baillet de Latour aus dem Gebäude und hängte ihn an der nächstbesten Straßenlaterne auf. Nach diesem Attentat fühlten sich Kaiser Ferdinand der I., genannt Ferdinand der Gütige oder auf Tschechisch Ferdinand Dobrotivý und seine Regierung in ihrer Sicherheit bedroht und flüchteten am 7. Oktober 1848 nach Olmütz. Am 22. Oktober 1848 verließ auch der Reichstag die Hauptstadt Wien und bezog sein provisorisches Quartier im mährischen Kremsier / Kroměříž.

Fürst zu Windisch-Grätz
In Wien gingen ab dem 26. Oktober 1848 österreichische und kroatische Truppen gegen die Aufständischen vor. Unter dem Kommando der Generäle Alfred I. Fürst zu Windisch-Grätz und Joseph Jelačič von Bužim wurde die Stadt unter Feuer genommen. Am 31. Oktober konnten die regierungstreuen Truppen die Innere Stadt erobern. Die Verteidiger unter der Führung des polnischen Generals Josef Bem mussten sich geschlagen geben. Mehrere Anführer der Aufständischen wurden hingerichtet. Insgesamt forderten die Unruhen im Oktober 1848 rund 2000 Todesopfer.

Wie kam es aber, dass zunächst der österreichische Kaiser samt Gefolge und Regierung und später auch der Reichstag flüchteten. Und war ausgerechnet nach Mähren. Darüber habe ich mit dem Grazer Universitätsprofessor Alfred Ableitinger gesprochen, der zahlreiche Publikationen zu diesem Thema verfasst hat.