Baumrtová, Micka & Co. wollen in Rio Abstand zur Weltspitze verringern
In zweieinhalb Monaten ist es bereits so weit, dann werden in Rio de Janeiro die Olympischen Sommerspiele eröffnet. Die Spiele sind ohne Zweifel der Höhepunkt in der Karriere eines Spitzensportlers, auch wenn die meisten von ihnen ohne echte Medaillenchance in den Start gehen. Dazu gehören wohl auch die tschechischen Schwimmerinnen und Schwimmer. Doch auch sie verknüpfen ihre Teilnahme mit klaren Zielen.
Die größte Aufmerksamkeit von ihnen genießt Rückenschwimmerin Simona Baumrtová. Die 24-Jährige hat 2012 auf der 100-Meter-Strecke je einmal Bronze bei der EM und der Kurzbahn-WM gewonnen. Bei der Europameisterschaft auf der Kurzbahn hat sie ein Jahr später sogar Gold über 50 Meter geholt. Doch seitdem ist kein Edelmetall mehr hinzugekommen. Vor einer Woche bei den Schwimm-Europameisterschaften in London wollte sie nun Kraft und Zuversicht für die Olympischen Spiele in Rio tanken. Zumal die EM im selben Becken ausgetragen wurde, in dem sie 2012 immerhin Olympiazehnte über 100 Meter Rücken wurde.
„Vor vier Jahren habe ich hier extrem gute Wettkämpfe abgeliefert. Mir gefällt es in London. Und weil ich gern hier bin, fiel mir die Rückkehr auch leichter“, sagte Baumrtová kurz vor Beginn der Europameisterschaft.
Unter diesen Voraussetzungen wollte sich die Schwimmerin aus Chomutov / Komutau nun auch in diesem Olympiajahr zu alter Form aufschwingen. Auf der 200-Meter-Strecke ist ihr das nur zum Teil gelungen: Mit einer Zeit von 2:10,57 Minuten belegte sie im Finale den fünften Platz. Das ist derselbe Rang wie vor zwei Jahren bei der EM in Berlin, und mit ihrer Zeit bestätigte sie ein weiteres Mal die bereits erfüllte Olympianorm.„Ich bin sehr zufrieden, doch mich ärgern ein wenig die technischen Fehler, die ich weiter in der Bahn mache. Das bremst mich ein bisschen, doch das Ergebnis ist super.“
Durch ihre technischen Fehler kommt Simona in ihrer Bahn sehr häufig von der Ideallinie ab und verschenkt dadurch wertvolle Zehntel oder auch ein, zwei Sekunden. War es deshalb nicht schade, dass sie die Bronzemedaille nur um 1,34 Sekunden verfehlte?
Simona Baumrtová: „Der Kampf um Bronze war ziemlich offen. Ich habe als Fünfte angeschlagen, hätte aber auch Achte werden können, von daher ist alles super.“
„Jeder der im Finale schwimmt, hat die Hoffnung, unter die besten Drei zu kommen. Doch ich wusste, dass zwei Finalgegnerinnen sehr schnell unterwegs sind. Nach ihnen war der Kampf um Bronze ziemlich offen. Ich habe als Fünfte angeschlagen, hätte aber auch Achte werden können, von daher ist alles super.“
Mit derselben Zufriedenheit konnte Baumrtová allerdings nach ihren Starts über die 100-Meter-Distanz nicht mehr aufwarten. Zunächst hatte sie Riesenglück, aber nur Stunden später ebensolches Pech mit ihren Platzierungen. Im Vorlauf ließ sie es ziemlich locker angehen und wurde beinahe hart bestraft – ihre Zeit reichte gerade so, um als Sechszehnte noch ins Semifinale zu gelangen. In ihren Halbfinallauf wurde sie zwar Dritte, doch ihre Zeit von 1:00,83 Minuten war um ganze zwei Hundertstel zu langsam für das Finale – sie wurde am Ende Neunte. Und in den nächsten Wochen muss die Schwimmerin des TJ Slávie Chomutov weiter zulegen, will sie in Rio auch über 100 Meter antreten. Auf dieser Strecke hat sie die Olympianorm noch nicht erfüllt; wie 2012 in London will sie aber in beiden Disziplinen starten.
Zumindest einen Start hat die Lagenschwimmerin Barbora Závadová sicher. Auf der 400-Meter-Strecke hat sie 2012 EM-Bronze gewonnen, bei der Sommeruniversiade 2015 sprang sogar eine Silbermedaille heraus. Doch ähnlich wie Simona Baumrtová kämpft auch die 23-Jährige aus Ostrava / Ostrau noch um ihre beste Olympiaform. Bei der Europameisterschaft in London kam sie in ihrer Paradedisziplin zwar ins Finale, doch ihre Zeit von 4:43,11 Minuten reichte nur zu Platz sieben:„Ich bin traurig, was soll ich da beschönigen. Für diese Zeit bin ich nicht hierhergekommen, doch ich habe alles gegeben. Leider bin ich aber nicht in bester Form, weder physisch noch mental.“
Im Gespräch für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks gab Závadová schließlich zu, die EM in mentaler Hinsicht nur mit halber Kraft bestritten zu haben. Sie wollte sie als Vorbereitung für Rio nutzen, auf der anderen Seite aber auch nicht enttäuschen. Auch deshalb war ihre Zeit um mehr als sechs Sekunden schlechter als bei ihrem Medaillengewinn 2012 in Debrecen. Doch daran will die Mährin kaum noch einen Gedanken verschwenden:
„Vier Jahre sind eine lange Zeit. Damals habe ich Bronze gewonnen. Das ist meine einzige Medaille, doch die ist so weit weg, dass ich mich nicht gern damit befasse. In diesem Jahr war viel mehr möglich, denn die Trauben hingen nicht allzu hoch. Ich konnte sie heute aber dennoch nicht erreichen. Das passiert.“Bei den Spielen in Rio soll es ihr aber nicht passieren, dass sie wegen Formschwäche vielleicht nicht einmal den Vorlauf übersteht. Barbora Závadová ist jedoch sicher, dass sie für Olympia bestens vorbereitet sein wird.
In einer tollen Form präsentierte sich in London indes der einzige männliche Starter, der Tschechien in Rio vertreten wird – der Freistilschwimmer Jan Micka. Vor vier Jahren war der Prager erst 17 und damit das jüngste Mitglied der tschechischen Olympiamannschaft. Doch die Verantwortlichen wussten nur zu gut, dass da ein junger Hoffnungsträger heranreift. Und sie hatten sich nicht geirrt. Schon ein Jahr später wurde Micka im polnischen Pozńan / Posen Junioren-Europameister über 1500 Meter Freistil. Zuvor hatte er bereits auf dieser Strecke den bis dahin ältesten tschechischen Landesrekord verbessert – die ehemalige Bestzeit von Daniel Machek stammte noch aus dem Jahr 1978.
Micka wurde von Jahr zu Jahr besser. Bei den Spielen 2012 in London belegte er mit der Zeit von 15:29,34 Minuten den 24. Platz auf der langen Kraulstrecke. Jetzt, vier Jahre später, schwamm er bei der EM im gleichen Becken erstmals eine Zeit von unter 15 Minuten.„Ich bin wirklich froh darüber, denn auf diese Zeit habe ich schrecklich lange gewartet, zwei bis drei Jahre. Das ist ein gutes Signal für Rio. Ich hoffe, dass meine Form stabil bleibt und ich noch besser schwimmen kann.“
Jan Micka: „Ich glaube daran, dass ich noch schneller schwimmen kann, sodass ich in Rio unter die Top 10 kommen könnte, möglichweise auch in das Finale.“
Den neuen Landesrekord von 14:58,62 Minuten schwamm Micka im Vorlauf, im Finale war er elf Hundertstel langsamer und wurde Fünfter. Um eine Medaille zu gewinnen, hätte er jedoch rund zehn Sekunden schneller sein müssen. Eine Chance aber blieb ihm: Auf der nichtolympischen 800-Meter-Strecke wollte er der Konkurrenz an der Spitze noch näherkommen. Das gelang dem 21-Jährigen am vergangenen Freitag auch, mit der Zeit von 7:50,38 Minuten wurde er am Ende Vierter – mit weniger als zweieinhalb Sekunden Rückstand auf den Ukrainer Romantschuk, der Bronze holte. So knapp an der Medaille vorbeizuschrammen, das ärgerte den jungen Tschechen schließlich doch:
„Dieser Platz ist wirklich undankbar, lieber wäre ich Fünfter statt Vierter geworden. Aber wenigstens bin ich nach zwei Jahren eine neue persönliche Bestzeit geschwommen. Von daher bin ich zumindest etwas zufrieden.“
Jan Micka ist ehrgeizig, trainingsfleißig und zielstrebig. Nur so konnte er seine Bestzeit über 1500 Meter Freistil in den zurückliegenden vier Jahren um über eine halbe Minute verbessern. Doch er weiß auch: Die Konkurrenz schläft nicht und ist ihm immer noch ein Stück voraus. Trotzdem hat er für die Spiele in Rio ein hochgestecktes Ziel:
„In bin auf einem guten Weg, denn meine Leistungen werden ständig besser. Ich glaube daran, dass ich noch schneller schwimmen kann, sodass ich in Rio unter die Top 10 kommen könnte, möglichweise auch in das Finale. Doch das steht noch in den Sternen.“Bereits gewiss aber ist, dass Tschechien neben Simona Baumrtová, Barbora Závadová und Jana Micka noch zwei weitere Starterinnen zu den olympischen Schwimmwettbewerben entsenden kann – Delphinschwimmerin Lucie Svěcená und Brustschwimmerin Martina Moravčíková. Keine(r) aus diesem Quintett wird wohl bei der Medaillenvergabe in Frage kommen, doch andererseits steht jede(r) von ihnen exemplarisch für das schon etwas abgedroschene olympische Motto: Dabei sein ist alles, denn auch in der zweiten Reihe des Teilnehmerfeldes kann man sich mit starken Leistungen gut in Szene setzen.