Bürgerinitiative Hestia
Herzlich willkommen zu unserem Themenkaleidoskop, liebe Freunde. Aus dem Prager Studio begrüßt Sie Lucie Mouckova. Letztes Mal habe ich über die Bürgerinitiative Symposion gesprochen. Auch diesmal wird über eine Bürgerinitiative die Rede sein. Diese hat jedoch eine andere Zielrichtung. Während Symposion durch kulturelle Veranstaltungen hilft, zählt die Bürgerinitiative Hestia zu denjenigen gemeinnützigen Organisationen, die den Freiwilligendienst in der Tschechischen Republik koordinieren und unterstützen.
In den letzten Jahren hat Hestia ihre Aktivitäten überwiegend auf die Arbeit mit den Freiwilligen ausgerichtet. 1999 begann diese Bürgerinitiative mit der Realisierung des Projektes Narodni dobrovolnicke centrum (Nationalzentrum für Freiwillige). In seinem Rahmen hilft Hestia allen denjenigen, die bereit sind, als Freiwillige uneigennützig in einer Organisation zu helfen.
Wie mir Jiri Tosner aus der Hestia Initiative sagte, bestehen immer noch zwei Mythen über den Freiwilligendienst unter den tschechischen Bürgern fort. Der erste Mythos ist, dass Freiwillige keine Koordinierung brauchen. Doch wenn man irgendwo hilfreich sein soll, muss man schon wissen, wie man in dem konkreten Fall helfen kann, sonst stellt der Freiwillige eher eine Last für die Organisation dar. Und dazu braucht man eben einen Koordinator, der sich um dies kümmert und dem Freiwilligen alles erklärt. Da diese Arbeit für den Koordinator meist eine Vollbeschäftigung bedeutet, muss sie auch bezahlt werden. Und so gelangt man zu dem Mythos Nr. 2, und zwar, dass der Freiwilligendienst umsonst sein sollte. Wie Jiri Tosner betont, obwohl die Freiwilligen als Ganzes eine viel umfangreichere Arbeit abliefern, ist das Anfangskapital unvermeidlich.
Ich fragte Herrn Tosner, in welchen Regionen Tschechiens sich Hestia um die Freiwilligen kümmert: "Ganz konkret arbeiten wir in Prag. In der Hauptstadt sind wir für den sog. Grundservice zuständig. Unserer Koordinatorin des Freiwilligenzentrums steht eine Datenbank mit fast einhundert Firmen zur Verfügung. In jeder dieser Firmen haben wir eine Kontaktperson, mit der wir zusammenarbeiten. Jede Woche empfangen wir zwischen fünf oder zehn Freiwillige, die sich mit Hestia per Telefon oder e-mail in Kontakt setzen. Diese Menschen können sich dann für den Freiwilligendienst in einer dieser hundert Organisationen entscheiden."
Hestia vermittelt jedoch nicht nur den Freiwilligendienst für die bereits erwähnten Prager Firmen. Im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes werden tschechische Freiwilligen auch ins Ausland entsendet und sie beteiligen sich ebenfalls an eigenen Programmen der Bürgerinitiative Hestia.
Es interessierte mich , was für ein Projekt Hestia für die nahe Zukunft vorbereitet. Jiri Tosner sagte mir dazu: "Dies ist eine Frage, die mir sowohl große Freude als auch große Sorgen bereitet. Jetzt gerade habe ich auf dem Tisch ein Projekt des EU-Fonds "Phare 2000" liegen. Im Rahmen dieses Projektes möchten wir gerne unser eigenes Projekt ausarbeiten. Wir planen den Freiwilligendienst auch in andere tschechische Städte auszuweiten, so dass diese gemeinnützige Tätigkeit nicht nur auf die Hauptstadt Prag und einige Bezirksstädte begrenzt ist."
Was der Freiwilligendienst betrifft, besteht in der Tschechischen Republik im Vergleich zu anderen europäischen - vor allem aber den westeuropäischen - Ländern immer noch viel Nachholbedarf. Das behauptet zumindest Jiri Tosner: "Den letzten Forschungen nach schämen sich immer noch viele Tschechen für den Freiwilligendienst. Sie sagen: ´Der ist mit dem Sozialismus verschwunden, damals mussten wir uns verpflichten, freiwillige Einsätze zu leisten.´ Andere wenden ein, dass sich um den Sozial- oder Gesundheitsbereich der Staat kümmern sollte und nicht die Bürgerinitiativen. Auf der anderen Seite steigt die Zahl der Freiwilligen ständig, obwohl diese Zahl in Tschechien im Vergleich zu den USA, Skandinavien oder den Niederlanden immer noch relativ niedrig ist. Zu bemerken ist auch, dass es in der Tschechischen Republik mehr Freiwillige gibt als Firmen, die auf deren Empfang vorbereitet wären. Solche Firmen kümmern sich kaum um ihre eigenen Angestellten, geschweige denn um irgendwelche Freiwillige."
Laut Jiri Tosner tragen paradoxerweise jedoch einige negative Gesellschaftsphänomene zu der Verbreitung der Idee des Freiwilligendienstes bei. So wie die Zahl der Arbeitslosen steigt und die Finanzmittel knapp werden, so fangen die Firmen an darüber nachzudneken, dass sie mit einigen Tätigkeiten Freiwillige beauftragen. Es bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viele Menschen hierzulande einsehen, dass gemeinnützige Tätigkeit vom großen Nutzen sowohl für die Freiwilligen als auch für die Gesellschaft ist.
Und damit geht das heutige Themenkaleidoskop zu Ende. Es verabschiedet sich Lucie Mouckova.