Die tschechisch-österreichischen Beziehungen im Lichte der EU-Erweiterung

Im Rahmen der Diskussionen rund um den bevorstehenden EU-Beitritt Tschechiens wurden und werden natürlich auch die bilateralen Beziehungen des Landes immer wieder unter die Lupe genommen. Nicht zuletzt das Verhältnis zu Österreich, das in letzter Zeit mehreren Belastungsproben ausgesetzt war. Am Montag fand an der Prager Karlsuniversität eine Podiumsdiskussion zu dem Thema statt. Gerald Schubert war für Radio Prag dabei:

Das Forum für tschechisch-österreichischen Dialog, die österreichische Botschaft in Prag und die Österreichische Liga für Menschenrechte hatten gemeinsam zu dem Abend geladen, die Diskussion stand unter dem Motto: "Möglichkeiten der tschechisch-österreichischen Zusammenarbeit im Rahmen der EU". Die Diskussionsrunde am Podium war durchaus hochkarätig besetzt: Der stellvertretende tschechische Außenminister Rudolf Jindrak, zuständig für bilaterale Angelegenheiten, der österreichische Presseattaché Gregor Schusterschitz, Premysl Janyr vom Forum für tschechisch-österreichischen Dialog, der Politologe Robert Schuster und nicht zuletzt der tschechische Parlamentsabgeordnete Karel Kühnl, der als Emigrant selbst lange Jahre in Österreich verbracht hat, analysierten die Qualität der Beziehungen zwischen beiden Staaten und die Hoffnung auf eine Verbesserung des Verhältnisses in einer zukünftig gemeinsamen Europäischen Union. Denn die Stimmung zwischen den Nachbarn war ja in den letzten Jahren einigermaßen getrübt gewesen, unter anderem im Zusammenhang mit den sogenannten Benes-Dekreten und dem grenznahen Atomkraftwerk im südböhmischen Temelin.

Dass nun im Zuge der EU-Erweiterung Bewegung in jenes Verhältnis kommt, darüber war man sich freilich ebenso einig wie über die Tatsache, dass eine weitere Verbesserung des Klimas möglich und wünschenswert ist. Inwieweit aber die Zwistigkeiten historisch gefestigt sind, und wie optimistisch oder pessimistisch demzufolge der Blick in die Zukunft sein muss, darüber gab es durchaus unterschiedliche Ansichten. Radio Prag hat am Rande der Veranstaltung den Abgeordneten Karel Kühnl gefragt, worin seiner Meinung nach die Ursachen für das - wie er es nannte - etwas verkrampfte Verhältnis der beiden Staaten bestehen:

"Auf tschechischer Seite haben wir nach 1989 von Anfang an den Fehler gemacht, dass wir die Hauptpartner nur in Washington, London oder Paris gesehen haben, dass wir unsere Nachbarn vernachlässigt haben, dass wir sie nicht ernst genug genommen haben. Das gilt nicht nur für Österreich, sondern betraf zum Beispiel auch Polen. Und das hat sich nicht ausgezahlt, das ist ganz klar. Von österreichischer Seite mussten wir umgekehrt mit ansehen, wie vor allem nach dem EU-Beitritt Österreichs dieses Land mit den eigenen Problemen so belastet war, dass es die Probleme der Nachbarn nicht mehr so wahrgenommen hat wie früher. Österreich hat es versäumt, sich selbst zum Fürsprecher für die mitteleuropäischen Kandidatenländer zu machen."

Der Presseattaché an der Österreichischen Botschaft, Gregor Schusterschitz, will hingegen nicht unbedingt von einem verkrampften Verhältnis sprechen:

"Ich glaube, dass das Verhältnis eigentlich weniger verkrampft ist, als man gemeinhin annimmt. Gerade die letzten Monate zeigen eine so starke Dynamik in den bilateralen Beziehungen, dass man sehen kann: dieses Verhältnis ist zumindest janusköpfig. Es kann natürlich auch Probleme geben, aber auf der anderen Seite auch sehr enge Beziehungen."

Wie auch immer aber die Interpretation des Staus quo hier aussieht: Einig war man sich darüber, dass die gemeinsamen Interessen viel zu groß seien, als dass man es sich erlauben könnte, in der EU nicht möglichst eng zusammenzuarbeiten. Eine weitere Verbesserung des Klimas zwischen Tschechien und Österreich werde die logische Folge sein.