Die Übersetzerin Jana Zoubkova über ihre Arbeit und ihre Lieblingsautoren

Verehrte Hörerinnen und Hörer, im heutigen Kulturspiegel stellt Ihnen unsere freie Mitarbeiterin Marcela Pozarek eine Übersetzerin vor, die sich sehr um die deutschsprachige Literatur im tschechischen Kontext verdient gemacht hat.

Vor zwei Wochen erschien in der Kulturbeilage der Tageszeitung Pravo eine lange Rede die der schweizerische Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt auf seinen Dramatiker Kollegen Vaclav Havel gehalten hat.

Es handelt sich dabei um die legendäre Rede auf Vaclav Havel zur Verleihung des Gottlieb-Duttweiler-Preises am 21 . November 1990 aus der wir im folgenden zitieren:

Sehr geehrter Herr Staatspräsident,

Lieber Vaclav Havel,

An den Protestveranstaltungen, die 1968 im Basler Stadttheater gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei stattfand, nahm auch ich teil und schloss meine Ansprache mit den Worten :

"In der Tschechoslowakei verlor die menschliche Freiheit in ihrem Kampf um eine gerechte Welt eine Schlacht, doch nicht den Krieg : Der Krieg gegen die Dogmatiker der Gewalt geht weiter, mögen sie nun die Maske des Kommunismus, des Ultrakommunismus oder jene der Demokratie tragen. Wie dieser Kampf im Notfall in einem technisch entwickelten Land zu führen ist, wo es kein Ausweichen in den Dschungel gibt, zeigt uns das tschechoslowakische Volk, das, um zu überleben, seine Armee nicht einsetzt und nicht Nibelungen spielt und dennoch durch seinen gewaltlosen Widerstand ein Machtsystem erschüttert, tödliche vielleicht, als wir ahnen vermögen." Mehr als zwanzig Jahre sind seitdem vergangenen. In Vietnam verloren die Vereinigten Staaten nicht nur den Krieg, auch die Ehre. Die Macht der Dogmatiker in Osteuropa ist zusammengebrochen, die waffenstarrenden Militärblöcke beider Seiten sind nutzlos geworden, ihr gegenseitiges Feindbild ist verlorengegangen, die beiden Supermächte werden in steigendem Masse nicht miteinander, sondern mit sich selber konfrontiert, der gewaltlose Widerstand fand in Ihnen lieber Havel, seinen Repräsentanten, die Tschechoslowakei ihren Staatspräsidenten......."

Diese Rede hat die Übersetzerin Jana Zoubkova ins Tschechische übertragen. Mit ihr habe ich mich ausführlich über ihren Beruf, das Übersetzerhandwerk und die deutsche Literatur unterhalten.

Hören Sie nun einen Ausschnitt aus Vaclav Havels Essay Ereignis und Totalität, aus den Dürrenmatt in seiner Ansprache zitiert:

Dei letzten neunzehn Jahre in der Tschechoslowakei können fast als Schulbeispiel für ein ausgereiftes oder spättotalitäres System dienen: revolutionäres Ethos und Terror wurden abgelöst von dumpfer Unbeweglichkeit, alibistischer Vorsicht, bürokratischer Anonymität und geistlosem Stereotyp, deren einziger Sinn darin besteht, immer vollkommener zu dem zu werden, was sie sind. Der Gesang der Begeisterten und das Klagen der Gefolterten sind verklungen, die Rechtlosigkeit hat sich Seidenhandschuhe angezogen und ist aus den berüchtigten Folterkammern umgezogen in die gepolsterten Büros der Bürokarten. Den Präsidenten der Republik kann man höchstens einmal hinter den Panzerglassscheiben seines Autos erblicken, wenn er, umgeben von einem Polizeikonvoi, zum Flughafen rast, um Oberst Ghadafi willkommen zu heissen. Das spättotalitäre System stützt sich auf so raffinierte, komplexe und mächtige Manipulationsinstrumente, dass es Mörder und Ermordetet nicht nötig hat...."

Wie aber kommt einer Übersetzerin zu ihrem Beruf ?

Noch einmal ein Auszug aus Dürrenmatts Rede :

"Was der Einzelne fordern darf und nicht nur darf, sondern auch muss, ist das, was Sie gefordert haben, Vaclav Havel, die Menschenrechte, das tägliche Brot für jeden, die Gleichheit vor dem Gesetz, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Transparenz, die Abschaffung der Folter usw., all das sind keine Utopien, sondern Selbstverständlichkeiten, Attribute des Menschen, Zeichen seiner Würde, Rechte, die den Einzelnen nicht vergewaltigen, sondern sein Zusammenleben mit den andern Einzelnen ermöglichen, Rechte als Ausdruck der Toleranz, Verkehrsregeln, um es grob zu sagen. Allein die Menschenrechte sind existenzielle Rechte, jede ideologische Revolution zielt auf deren Abschaffung und fordert einen neuen Menschen. Wer hat ihn nicht schon gefordert...."

Das war unser Gespräch mit Jana Zoubkova, die die Autoren Lenka Reinerova, Thomas Brussig, Adolf Muschg, Friedrich Dürrenmatt und viele andere ins Tschechische übertragen hat.

Autor: Marcela Pozarek
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