Ein Eisenbahnkönig und sein unerfüllter Traum von „Strousberg-Stadt“

Schloss Zbiroh (Foto: CzechTourism)

Das Schloss Zbiroh, das sich über dem gleichnamigen Städtchen erhebt, war während der kommunistischen Ära eine Art Sperrzone. Denn in den Räumlichkeiten des Neorenaissancegebäudes war eine Spionagezentrale untergebracht. In einer der letzten Ausgaben der Sendereihe „Reiseland Tschechien“ haben wir Sie schon nach Zbiroh eingeladen. Dabei haben wir versprochen, Ihnen noch einiges aus der Geschichte des historischen Baudenkmals zu verraten, das heutzutage in Privathänden ist.

Viele Eigner hatte Schloss Zbiroh in seiner langen Geschichte. 1868 kam es in die Hände von Baron Strousberg, einem Schwerindustriellen. Dem Eisenbahnkönig, wie der Baron genannt wurde, ist eine ständige Ausstellung in einem der prunkvollen Schlosssäle gewidmet. Jana Vichrová, die Touristen durch das Schloss führt, erzählt, dass einige der Besucher aus dem Ausland das Schloss eben mit diesem Eisenbahnkönig verbinden.

Schloss Zbiroh  (Foto: CzechTourism)
„Baron Bethel Henry von Strousberg war eigentlich Anwalt von Beruf. Er stammte aus einer armen jüdischen Familie aus Ostpreußen und hieß ursprünglich Baruch Hirsch. 1856 begann er eine englische Versicherungsgesellschaft in Berlin zu vertreten. Dieser Posten öffnete dem Mann die Türen zu höheren Unternehmerkreise. Er erwarb den Titel eines Barons und wurde allmählich zu einem der einflussreichsten Männer in Mitteleuropa. Schloss Zbiroh kaufte der Baron aus dem Grund, weil er erfahren hatte, dass sich in der Region große Eisenerzvorräte befinden sollen. Er brauchte das Eisenerz für seine industriellen Pläne. Strousberg wollte bei Zbiroh große Eisenwerke errichten.“

Strousberg entschied sich damals, aus der Gegend um Zbiroh das Zentrum der Eisenindustrie in Böhmen zu machen. Ein tschechisches Manchester also, wie der Baron es nannte. In seinen erfolgreichsten Zeiten besaß Strousberg in ganz Europa Eisenerz- und Kohlegruben, Walzwerke sowie Fabriken für die

Baron Strousberg
Herstellung von Eisenbahnwaggons. Allein in Deutschland hatte er sieben Eisenbahnlinien erbaut. Für Strousberg arbeiteten damals mehrere Hunderttausend Menschen. Der Baron war also sehr vermögend. Eine Leichtigkeit war es also für ihn, Schloss Zbiroh gleich nach dem Erwerb umbauen zu lassen, sagt Jana Vichrová:

„Das Schloss sieht heute praktisch so aus, wie es Strousberg im Neorenaissancestil umbauen ließ. Am Umbau waren rund 1500 Arbeiter beteiligt. Der Entwurf für den Bau stammte vom Berliner Architekten August Orth. Der Baron wollte Zbiroh zu seinem repräsentativen Familiensitz machen. Aus den Dokumenten geht hervor, dass hier ein Jahr lang wirklich Tag und Nacht bei jedem Wetter gebaut wurde. Danach ließ sich hier der Baron mit seiner ganzen Familie nieder. Später sollte sich jedoch zeigen, dass er seine Kräfte und Möglichkeiten nicht gut geschätzt hatte und dass die Qualität des hiesigen Eisenerzes nicht so hoch war, wie er sich vorgestellt hatte.“

Baron von Strousberg leitete in der ganzen Region großzügige Arbeiten in die Wege. Er beschäftigte etwa 10.000 Menschen. Die meisten stammten aus Böhmen, es waren jedoch auch Gärtner aus Belgien, Bahnarbeiter aus Italien, Tischler aus Rumänien sowie Metallarbeiter aus Deutschland darunter. Das Städtchen Zbiroh erlebte eine Blütezeit. Das beweißt schon die Zahl der Wirtshäuser, 16 waren es an der Zahl.

Der maurische Pavillon des Schlosses Zbiroh
Bei seiner Ankunft im Jahr 1869 wurde der Baron großartig willkommen geheißen. Der Umbau des Schlosses wurde 1870 beendet. Einen ersten Rückschlag erhielt er, als er beim Hochwasser im Jahre 1872 die Hochöfen in Františkov und einige weitere Fabriken verlor. 1874 begann Strousberg, noch ein Stahlhütten- und Walzwerk im nahe gelegenen Kařez zu bauen. Er bekam damals einen Auftrag für einen Eisenbahnbau in Frankreich. Die Schulden des Unternehmers waren jedoch schon sehr hoch. 1875, zwei Jahre nach dem Börsensturz an der Wiener Börse, musste Baron von Strousberg Bankrott anmelden, erzählt Jana Vichrová:

„Er reiste dann nach Moskau, wo die meisten seiner Gläubiger lebten. Auf Grund von Intrigen landete er in Russland im Gefängnis, wo er zwei Jahre einsaß. Strousberg gelang es jedoch, seine Familie durch den Verkauf seiner Villa in Berlin vor den Gläubigern zu retten. Baron von Strousberg starb verarmt und vereinsamt in Berlin. Bestattet wurde er aber in einer prunkvollen Gruft, die er selbst auf dem Matthäus-Friedhof in Berlin-Schönberg bauen ließ. Strousbergs Gläubiger wiederum fuhren nach Zbiroh und plünderten das Schloss vollständig.“

Heutzutage würde man, wie Jana Vichrová sagt, Strousbergs Pläne mit Zbiroh als größenwahnsinnig bezeichnen. Am Rande des Städtchens sollte nämlich eine neue Stadt entstehen – die „Strousbergstadt“. Sie sollte etwa 5000 Einwohner haben, mit einem Krankenhaus und einem Theater. An den Eisenbahnkönig erinnern im Schloss noch einige Gemälde, Dokumente und Gegenstände. Jana Vichrová:

„Die Bilder in diesem Salon kann man auch im Buch sehen, das der tschechische Schriftsteller Adolf Branald geschrieben hatte. Branald fand Inspiration für sein Buch über den Eisenbahnkönig während seiner Besuche in Zbiroh. Das Buch erschien 1959 und schildert das Schicksal von Baron von Strousberg. Den Besuchern können wir hier noch einen ungewöhnlichen Spazierstock zeigen, den der Baron benutzt hat. Da er niemandem vertraute, hatte er in den Stock aus Stahl eine Stichwaffe versteckt.“

Schloss Zbiroh ist übrigens das ganze Jahr hindurch geöffnet.

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