Eishockey-WM: Tschechien ohne Medaille und nur noch Mittelmaß

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Die 81. Weltmeisterschaft im Eishockey wurde am Sonntag in Köln beendet. Der neue Weltmeister heißt Schweden, die Mannschaft aus Tschechien aber scheiterte bereits im Viertelfinale. Und das nicht zum ersten Mal in der jüngeren Vergangenheit.

Im Viertelfinale unterlag Tschechien der russischen Mannschaft mit 0:3  (Foto: ČTK)
Das tschechische Eishockey kämpft um seine Reputation. Medaillen, die es früher zuhauf regnete, sind rar geworden. Zum letzten Mal errang die Nationalmannschaft vor fünf Jahren eine Medaille – WM-Bronze in Helsinki. Der letzte Weltmeistertitel wurde vor sieben Jahren gewonnen, und zwar in Köln. Dort wurde auch diesmal das Finale ausgespielt. Aber ohne tschechische Beteiligung. Das packende Endspiel am Sonntagabend in der Domstadt gewannen die Schweden mit 2:1 nach Verlängerung und Penalty-Schießen über Titelverteidiger Kanada. Das Team von Nationaltrainer Josef Jandač scheiterte hingegen bereits im Viertelfinale – in diesem unterlag Tschechien der russischen Mannschaft mit 0:3.

Vor dem Championat hatten die tschechischen Fans gewisse Hoffnungen daran geknüpft, dass einer der WM-Ausrichter Deutschland war. Denn das Nachbarland war für die Tschechen stets ein gutes Pflaster: 1993 wurde man bei der ersten WM-Teilnahme nach der Trennung von der Slowakei Dritter, 2001 und 2010 in Hannover beziehungsweise Köln sogar Weltmeister. Die Realität im Jahr 2017 aber sieht weit trister aus.

Josef Jandač  (links). Foto: ČTK
Nach den letzten Titelkämpfen in Russland wurde Tschechien für die diesjährige WM der Gruppe B zugeteilt, die ihre Spiele in Paris austrug. Von den sieben Begegnungen gewann die Mannschaft um Kapitän Jakub Voráček fünf, gegen Finnland und Norwegen allerdings erst im Penalty-Schießen beziehungsweise in der Verlängerung. Die Partien gegen Kanada (1:4) und die Schweiz (1:3) verloren die Tschechen allerdings, so dass sie nur Dritter in der Gruppe wurden und im Viertelfinale mit Russland auf einen sehr starken Kontrahenten trafen. Und dieser Gegner war letztlich eine Nummer zu groß für die tschechische Mannschaft, der „Sbornaja“ unterlag sie mit 0:3. Nach Meinung von Cheftrainer Jandač war aber ein besseres Ergebnis durchaus drin, besonders aufgrund des Verlaufs des ersten Drittels:

Jakub Voráček  (rechts). Foto: ČTK
„Die Russen waren in der Chancenverwertung effektiver als wir. Im ersten Drittel, das wir gut und druckvoll begannen, haben wir leider nicht das erste Tor erzielt. Im Gegensatz zu uns haben die Russen ihre erste Chance genutzt und danach noch einen weiteren Treffer in Überzahl erzielt. Von da ab haben sie sehr gut in der Abwehr gespielt und den Verlauf der Partie gut kontrolliert.“

Mit der schlechten Chancenverwertung haderte anschließend auch Kapitän Voráček:

„Die Russen haben sich während des Spiels gesteigert, doch wir hatten auch nach dem 0:2 noch gute Chancen. Besonders im ersten Drittel, in dem wir meiner Meinung nach besser waren. Doch wen interessiert es, ob wir phasenweise besser waren, wir haben kein Tor erzielt, 0:3 verloren und sind ausgeschieden. So einfach ist das.“

Foto: ČTK
Das geringe Durchsetzungsvermögen vor dem gegnerischen Gehäuse, der schwache Abschluss von Offensivaktionen und die damit verknüpfte miserable Torquote – diese Probleme ziehen sich wie ein roter Faden durch die Auftritte der Tschechen bei den jüngsten Titelkämpfen. Bei den vergangenen fünf Weltmeisterschaften kamen sie nur in zwei Fällen bis ins Halbfinale: 2014 nach einem 4:3-Sieg über die USA und ein Jahr später nach einem 5:3 gegen Finnland jeweils in der Runde der besten Acht. In den vier Begegnungen, in denen die tschechische Mannschaft dann um eine Medaille spielte, erzielte sie jedoch keinen einzigen Treffer. Und in den drei Fällen, in denen Tschechien schon im Viertelfinale scheiterte, wurden insgesamt auch nur zwei Tore erzielt. Offenbar gibt es hierzulande keine herausragenden Torjäger mehr. Co-Trainer Jiří Kalous gibt jedenfalls zu:

Pavel Francouz: „Eine WM lässt sich für uns nicht als positiv bewerten, wenn wir nicht das Halbfinale erreichen.“

„Dazu braucht man gewiefte Spieler, die beim Torabschluss entschlossen handeln und sich vor dem gegnerischen Tor auch gut durchsetzen können. In dieser Beziehung sind wir ein Stück hinter dem Besten zurück“.

Deswegen haben Jandač und sein Trainerstab in den Gruppenspielen auch versucht, durch ständige Spielerwechsel eine Lösung für das Angriffsproblem zu finden. Doch leider vergeblich, räumt der Chefcoach ein:

Pavel Francouz  (Mitte). Foto: ČTK
„Wir haben ständig die optimale Zusammensetzung der beiden ersten Sturmreihen gesucht. Wir haben mehrfach Center und Flügelstürmer ausgetauscht, doch es hat keinen Effekt gebracht, vor allem nicht im entscheidenden Spiel.“

Das Ergebnis ist bekannt: Schon am vergangenen Donnerstag stand fest, dass Tschechien bei dieser WM nur Siebter wird. Einer der Besten im Team, Torwart Pavel Francouz, machte aus seiner Enttäuschung so auch keinen Hehl:

„Eine WM lässt sich für uns nicht als positiv bewerten, wenn wir nicht das Halbfinale erreichen. Ergo hatten wir zwar zwei schöne Wochen hier in Paris, die Stimmung im Team war toll, doch mich ärgert es, dass wir nicht mehr um eine Medaille spielen können.“

Jiří Kalous  (Foto: Archiv HC Sparta Prag)
Auch Jandač hatte sich mehr erhofft. Eine Analyse, weshalb es auch diesmal nicht für eine vordere Platzierung gereicht hat, will er noch nachreichen. In seiner ersten Enttäuschung aber sagte er:

„Ich will im Moment nicht darüber sprechen, ob wir unsere Möglichkeiten ausgeschöpft haben oder nicht. Wir sind nach einem entscheidenden Spiel ausgeschieden, das ärgert mich. Und zwar genauso wie im vergangenen Jahr, als wir in der Vorrunde Gruppensieger wurden, doch dann im Viertelfinale nach Penalty-Schießen an den Amerikanern gescheitert sind. Auch dieses Ende war bitter für uns.“

Selbst als Gruppensieger bei der vorjährigen WM in Russland kam Tschechien nicht über das Viertelfinale hinaus, sondern unterlag den US-Boys mit 1:2 nach Penalty-Schießen. Von daher argumentiert Co-Trainer Kalous:

„Wir müssen lernen, in den entscheidenden Spielen zu bestehen. Derzeit gelingt uns das nicht, das ist die Realität. Wir müssen der Wahrheit ins Auge schauen und etwas dagegen tun. Zuletzt haben wir den Bann aber nicht brechen können.“

Und auch Jandač zieht ein negatives Fazit:

Jiří Kalous: „Wir müssen lernen, in den entscheidenden Spielen zu bestehen. Derzeit gelingt uns das nicht, das ist die Realität.“

„Historisch gesehen muss man für das tschechische Eishockey ganz klar konstatieren: Wenn der Einzug ins Halbfinale nicht gelingt, dann ist es ein Misserfolg.“

Was bleibt, sind daher nur die Erinnerungen an jene Jahre, in denen das tschechoslowakische und ab 1993 das tschechische Eishockey absolute Weltspitze waren. In beiden Ären wurden je sechs WM-Titel gewonnen. Mit insgesamt zwölf Goldmedaillen ist Tschechien auch immer noch die drittbeste Eishockey-Nation der Welt. Doch die einstigen Erfolge verblassen. Die beiden letzten großen WM-Siege wurden 2005 und 2010 gefeiert, beide unter Erfolgstrainer Vladimír Růžička. Der 53-Jährige führte Tschechien auch als vorerst Letzter in ein Halbfinale. Darin erinnert sich sein Nachfolger Jandač:

Josef Jandač: „Historisch gesehen muss man für das tschechische Eishockey ganz klar konstatieren: Wenn der Einzug ins Halbfinale nicht gelingt, dann ist es ein Misserfolg.“

„Die WM-Teilnahmen, die ich im Gedächtnis habe, sind Weißrussland 2014 und Prag 2015. Das waren auch die beiden WM-Turniere, bei denen wir zuletzt in den Medaillenkampf eingreifen konnten. Leider ohne Erfolg. Denn sowohl im Halbfinale als auch im Spiel um Platz drei haben wir jeweils kein Tor erzielt. Mit der absoluten Weltspitze konnten wir nicht mithalten, doch wir haben wenigstens an einer Medaille geschnuppert.“

Mehr aber auch nicht. Und nach Meinung vieler Experten wird sich daran so schnell nichts ändern. Tschechien habe viele Trends des modernen Eishockeys verpasst, sowohl in der Ausbildung guter Spieler als auch erstklassiger Trainer liege man um Jahre zurück, sagt beispielsweise der ehemalige Nationalcoach Luděk Bukáč. Unter ihm wurde die ČSSR (1985) wie auch Tschechien (1996) Weltmeister, er trainierte in den 1980er und 1990er Jahren zudem die Nationalmannschaften Österreichs und Deutschlands. Der einstige Eishockey-Professor – wie Bukáč wegen seines Doktortitels in Philosophie auch genannt wurde – ist heute sehr enttäuscht darüber, dass das tschechische Eishockey der Musik nur noch hinterherläuft. Man werde in der Welt als Gegner gar nicht mehr ernst genommen, beklagt der 81-Jährige. Und vor allem seien die tschechischen Trainer international überhaupt nicht mehr gefragt. Deshalb müsse sich vieles grundlegend ändern in der methodischen Ausbildung von Spielern und Übungsleitern, so Bukáč.

Tomáš Plekanec  (ganz rechts). Foto: ČTK
Und immer weniger Tschechen spielen auch in der weltbesten Eishockey-Liga, der nordamerikanischen NHL. Einer von ihnen ist Tomáš Plekanec, der seit elf Jahren das Nationaltrikot trägt. Nach dem Viertelfinal-Aus gegen Russland machte der 34-Jährige aber ziemlich deutlich, dass er der Nationalmannschaft wohl nun „ade“ sage. Mit ihr gewann er einmal Silber und zweimal Bronze bei einer Weltmeisterschaft. Allerdings sieht Plekanec für die Zukunft dann doch nicht so schwarz:

„Ich bin froh über jede Medaille, die ich mit der Nationalmannschaft gewonnen habe. In der letzten Zeit war uns das aber leider nicht vergönnt. Doch ich meine, wir haben immer noch genügend gute Spieler. Von daher können wir darauf hoffen, dass auch wieder ein WM-Turnier kommt, bei dem uns mehr gelingt.“

In welchem Jahr dies sein könnte, ließ Plekanec jedoch offen. Gegenwärtig ist nur eines sicher: Im tschechischen Eishockey muss man vieles anpacken und dazu als Einheit hart und konsequent arbeiten, will man nicht völlig im Niemandsland verschwinden.

Autor: Lothar Martin
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