Enteignet und verfolgt: Eine Wassermühle und ihre Besitzer

Wassermühle Hoslovice (Foto: Archiv der Wassermühle)

Hoslovice / Hoslowitz ist ein Dorf an den Ausläufern des Böhmerwaldes. Es liegt etwa zehn Kilometer nordwestlich der Stadt Volyně / Wolin im Bezirk Strakonice. Bekannt geworden ist die Gemeinde in den letzten Jahren dank einer technischen Sehenswürdigkeit. Die dortige Wassermühle wurde 2008 zum nationalen Kulturdenkmal erhoben.

Wassermühle Hoslovice  (Foto: Archiv der Wassermühle)
Von Strakonice nach Hoslovice sind es 17 Kilometer. Die historische Wassermühle befindet sich am Hoslovický potok – (am Hoslowitzer Bach), vom Dorfplatz sind es etwa 20 Minuten zu Fuß. Verwaltet wird die Mühle heute vom Bezirksmuseum Strakonice (Museum des mittleren Otava-Gebiets). Ludmila Koštová ist die stellvertretende Museumsleiterin. Der letzte Besitzer der Mühle, Karel Harant, sei 2004 gestorben. Nach dessen Tod kaufte die südböhmische Kreisverwaltung das Baudenkmal. Damals war die Mühle in einem sehr schlechten Zustand, erzählt Ludmila Koštová.

„Wir sind davon überzeugt, dass es eine gute Entscheidung war, die Wassermühle zu kaufen. Denn der Kreis hatte die Mittel, um die Instandsetzung zu finanzieren. Die Renovierungsarbeiten wurden 2007 beendet, im April 2008 kamen schon die ersten Besucher. Wir vom Museum kümmern uns sorgfältig um die Mühle, da wir sie für eine echte Perle halten.“

Wassermühle Hoslovice  (Foto: Archiv der Wassermühle)
In den ersten Jahren nach der Eröffnung weckte die Wassermühle sehr großes Besucherinteresse. Darum wurde später neben der historischen Mühle noch ein Haus errichtet, in dem ein Infozentrum und ein kleiner Konferenzsaal untergebracht sind. In der ersten Etage wurde zudem eine Dauerausstellung über das Leben im Böhmerwald eingerichtet.

Seit über 100 Jahren im Familienbesitz

Die erste schriftliche Erwähnung über die Mühle in Hoslovice stammt von 1352. Die letzten Besitzer waren die Brüder Harant. Jakub Harant, der aus dem Nachbardorf Střídka stammte, kaufte die Wassermühle in Hoslovice im Jahr 1829. Danach blieb die Mühle im Besitz der Familie. Das Schicksal der Müller aus Hoslovice war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr bewegt, sagt der Verwalter der historischen Sehenswürdigkeit, Jaroslav Janout:

Wassermühle Hoslovice  (Foto: Archiv der Wassermühle)
„Während des Zweiten Weltkriegs war die Technologie der Mühle schon so veraltet, dass sie von den deutschen Besatzern nicht einmal plombiert worden war. Auch während des Krieges wurde in Hoslovice Mehl gemahlen, wenn auch im Geheimen. Nach dem Krieg starben die Eltern Harant. In der Mühle wohnten weiterhin der älteste Sohn František und der jüngste Karel. Der jüngste Sohn erbte die Mühle, und war verpflichtet, den ältesten Bruder dort wohnen zu lassen. In den 1950er Jahren begann in der kommunistischen Tschechoslowakei die Kollektivierung der Landwirtschaft. Da die Familie Harant wohlhabend war, zwang man den Müller, als erster der neuerrichteten Genossenschaft beizutreten. Dies lehnte Karel Harant ab. Auch wenn er damals schon 35 Jahre alt war und sein Bruder hatte 50 Jahre, wurden die beiden Brüder zu einer 702 Tage dauernden Militärübung geschickt, während der sie bei den sogenannten PTP-Bataillonen eingesetzt wurden.“

Die PTP-Bataillone waren in den 1950er Jahren ein Deckname für Zwangsarbeit. Als die Brüder Harant nach fast zwei Jahren nach Hause zurückkehrten, stellten sie fest, dass ihre Grundstücke von den großen Feldern einer landwirtschaftlichen Genossenschaft umgeben waren. Die Mühle wurde in ihrer Abwesenheit ausgeraubt. Die Harants hatten noch sieben Geschwister, und diese halfen ihnen nach ihren Möglichkeiten: mit Geld oder mit Arbeit.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
„Als sie wieder imstande waren, selbst zu wirtschaften, fingen sie an, Mist auf ihre Felder auszubringen. Die kommunistischen Funktionäre haben die Polizei gerufen, die versuchte, die Brüder einzuschüchtern und von den Feldern zu vertreiben. Da einem der Polizisten dabei der Mist auf die Schuhe kleckste, beschuldigten sie die Brüder des Angriffs gegen eine Amtsperson. Die Brüder mussten daraufhin ins Gefängnis.“

Nach zwei Jahren wurde die Harant-Brüder freigelassen und konnten in die Mühle zurückkehren. Der Großteil ihres Besitzes war inzwischen enteignet worden. Eine kurze Zeit herrschte Ruhe. Als die Brüder jedoch Brennholz benötigten, um im Winter zu heizen, fällten sie ein paar trockene Bäume im Wald, der zur Mühle gehörte. Am nächsten Tag wurden sie von der Kriminalpolizei verhaftet. Sie wurden diesmal nicht verurteilt, sondern für unmündig erklärt und in einer Irrenanstalt eingesperrt, erzählt Jaroslav Janout.

Wassermühle Hoslovice  (Foto: Archiv der Wassermühle)
„Als die beiden Männer nach einer Weile aus der Anstalt nach Hause zurückkehrten, schlossen sie sich in der Mühle ein. Sie sprachen überhaupt nicht mehr mit den Nachbarn oder den Behörden. Seit dem Ende der 1950er Jahre hat kaum jemand mehr die Mühle betreten. Nur ihre Schwester Anna, die ledig war, entschied sich, nach Hause zurückzukehren. Sie lebte mit ihren Brüdern in der Mühle und unterstützte sie. Der kommunistische Staat war nicht imstande, den offiziell unmündigen Brüdern einen Betreuer zuzuteilen. Die Harants lebten darum nur von den Dingen, die sie selbst produzierten. Lediglich Salz, Zündhölzer und Petroleum brachten ihnen ihre Geschwister, die irgendwo in der Nähe wohnten. In der Mühle gab es weder Strom, noch eine Wasserleitung. Als erste starb 1982 Anna Harantová, ein Jahr später starb der ältere Bruder. Karel Harant lebte danach allein in der Mühle.“

Wassermühle Hoslovice  (Foto: Archiv der Wassermühle)
Erst 1986 teilte das Gericht ihm einen Betreuer zu. Es war einer seiner Neffen. Dieser setzte sich dafür ein, dass der Onkel schließlich eine Rente in Höhe von 750 Kronen monatlich bekam. Dafür besorgte der Neffe die grundlegenden Lebensmittel. Er durfte jedoch dem Onkel nicht verraten, dass er sie für Geld vom Staat einkaufte. Karel Harant war so stolz, dass er es nicht angenommen hätte. Der letzte Besitzer der historischen Wassermühle starb 2004, er war 87 Jahre alt.

Programm für alle Generationen

Foto: Archiv der Wassermühle
Die Geschichte der letzten Mühlenbesitzer ruft bei den Besuchern großes Interesse hervor, erzählt Lucie Kupcová. Sie stellt das Veranstaltungsprogramm zusammen, das während der Saison in Hoslovice angeboten wird. Wir leben wirklich in und mit der Mühle, sagt sie:

„Die Veranstaltungen werden von 80 Prozent von den Mitarbeitern des Museums von Strakonice getragen. Sie waschen in der Mühle die Wäsche, kochen für die Besucher, führen sie durch die Gebäude, führen verschiedene landwirtschaftliche oder handwerkliche Arbeiten vor. Von April bis Oktober bemühen wir uns darum, neben den Führungen durch die Sehenswürdigkeit wenigstens einige Mal im Monat, meistens am Samstag etwas mehr anzubieten. Es handelt sich beispielsweise um die Präsentation eines Handwerks. Dabei backen wir Brot und Brotfladen oder Kuchen, die die Besucher kosten können. Der 20. Juni steht bei uns beispielsweise im Zeichen des Grasmähens. Es wird dabei auch das Dengeln, also das Schärfen der Sense gezeigt. An dem Tag werden für die Besucher die sogenannten ´vařbuchty´ – das sind süße Obstknödel – gekocht. Dieses Gericht nahmen früher die Mäher mit in die Arbeit. Zu jeder Veranstaltung wird ein entsprechendes Gericht zubereitet.“

Wassermühle Hoslovice  (Foto: Archiv der Wassermühle)
Die Saison in Hoslovice wurde zu Ostern eröffnet. Die Mühle ist im April, Mai, September und Oktober vom Dienstag bis Sonntag von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Von Juni bis August ist sie täglich von 9 bis 17 Uhr zugänglich. Mehr über die Mühle erfahren Sie in deutscher Sprache unter: www.muzeum-st.cz/de/die-wassermuhle-hoslovice

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