Es regnet Erdbeeren, der Baumstumpf brennt – Polizeiberichte werden zum Internetphänomen
Was ist da los in Brno / Brünn? In der Fußgängerzone regnet es Erdbeeren, und vor dem Bahnhof fürchtet sich ein Mann vor dem Teufel. Jugendliche fahren Schlitten auf einem Verkehrsschild, und ein Mann kniet kopfüber im Blumentopf. Was klingt wie Szenen aus einem surrealen Film, sind Auszüge aus dem Polizeibericht der Stadt in Südmähren. Zwei Freunde tragen seit einem halben Jahr die schönsten Ereignisse zusammen und veröffentlichen sie im Internet. Inzwischen ist sogar die Polizei in das Projekt eingestiegen.
„Auf dem Balkon eines Hauses
in der Skřivanova-Straße
kniet ein Mann mit seinem Kopf
in einem Blumentopf“
„Ich habe herausgefunden, dass dies ein Auszug aus den Pressemitteilungen der Stadtpolizei war, den Marek eins zu eins in Versform übernommen hatte. Das hat mich interessiert, und ich habe vorgeschlagen, eine Facebook-Seite zu gründen, um mehr davon herauszubringen.“
Kateřina Čadová, die eigentlich Hüte entwirft, musste Marek Picha, der eigentlich Philosophie an der Uni lehrt, erst eine Weile überreden. Doch dann hatte die Seite Městská poezie (Stadtpoesie) schnell Hunderte, bald Tausende Fans. Was ist das Faszinosum an den lakonischen Berichten?
„Diese Ausdrucksweise ist an sich schon poetisch. Doch was mir daran so gefällt, ist hauptsächlich, dass diese Nachrichten manchmal unglaublich absurde Situationen beschreiben. Oft kann man gar nicht glauben, dass sie wirklich passiert sind.“„Betrunkene Jugendliche fuhren Schlitten auf einem Verkehrsschild“, und „Polizisten löschten einen brennenden Baumstumpf“, so heißt es dann lapidar im Polizeibericht. Oder aber: „Auf Fußgänger im Zentrum fielen Erdbeeren.“ Da stellt sich die Frage, ob es nun an der Polizei liegt, die eine Vorliebe für Obskuritäten hat, oder an den Brünnern, die besonders seltsame Dinge erleben. Kateřina Čadová:
„Brünn hat für mich in Tschechien eine Sonderstellung. Es gibt Dichter und Autoren wie überall. Doch in der Stadt herrscht eine eigenartige Atmosphäre, die ich gar nicht beschreiben kann. Und mir kommt es so vor, als würden diese Nachrichten und die Polizisten die Mischung ganz hervorragend zum Ausdruck bringen.“
Poesie und Absurdität sind es, die sich in den knappen Sätzen verdichten, sagt Kateřina Čadová.
„Die Polizei bemerkte vor
dem Hauptbahnhof
einen Mann
der Angst vor Satan hatte“
„Die Antwort darauf hat die Polizei selbst gegeben. Gleich unter der Frage meldeten sich über den offiziellen Facebook-Account der Polizei sowohl der Polizeisprecher als auch der Polizeichef. Beide bestellten ein Exemplar des Buches. Da haben wir gemerkt, dass wir sogar mit ihnen zusammenarbeiten können und dass sie es nicht als Angriff verstehen, sondern die Sache sportlich nehmen.“
Der Gedichtband ist im Dezember als Gemeinschaftsprojekt von Stadtpolizei und Stadtpoesie herausgekommen. Die Pressesprecher der Polizei erklärten sich sogar bereit, einige Exemplare selbst zu signieren. Wer bereit war, über 1000 Kronen zu bezahlen, bekam also ein Buch mit Unterschrift der tatsächlichen Autoren. Die meisten Exemplare gingen für 156 Kronen in den Verkauf - unter der Nummer 156 erreicht man in Brünn die Stadtpolizei.Noch mehr „Stadtpoesie“ gibt es demnächst im Programm von Radio Prag. Das Buch ist nicht mehr erhältlich, dafür wird auf der Internetseite „Městská poezie Brno“ fleißig weiter gesammelt.