Fehlgeschlagene Präsidentenwahl deckt innenpolitische Gräben auf

Президентский флаг

Die Tatsache, dass es den Mitgliedern beider Parlamentskammern am Mittwoch nicht gelungen ist, einen neuen tschechischen Präsidenten zu wählen, hat eine Bedeutung, die weit über die Besetzung des höchsten Amtes im Staat hinausreicht. Denn welche Abmachungen zwischen den einzelnen Parteien in einer so heiklen Frage letztlich zustande kommen und welche nicht, kann als hochsensibles Stimmungsbarometer der tschechischen Politik gelten. Gerald Schubert wirft einen Blick hinter die Kulissen:

Präsidentenflagge auf der Prager Burg
Für interessierte ausländische Beobachter, ja selbst für interessierte Tschechen, die die Präsidentenwahl im Fernsehen verfolgen konnten, erschien die Suche nach einem Nachfolger für Vaclav Havel vielleicht als trockene, weitgehend technische Angelegenheit, die letztlich durch eine unglückliche Kombination aus verfassungsrechtlichen und wahlarithmetischen Wirren fehlschlug. Dabei ist die Verfassung und die momentane Sitzverteilung in den beiden Parlamentskammern aber nur die Spielwiese, auf der mit den ausgeklügeltsten Strategien über unterschiedlichste Themen verhandelt wurde. Die tschechische Sprache hat für diese doch eher undurchsichtige Art des Zustandekommens von Vereinbarungen einen Germanismus parat: "Handlovat". Auf deutsch würde man wohl sagen: "Schachern."

Wie man aber all die hektischen Gespräche auch nennen mag, die am Mittwoch auf der Prager Burg von den sichtlich nervösen Abgeordneten und Senatoren geführt wurden: Klarer Verlierer ist die von den Sozialdemokraten dominierte Regierungskoalition mit der liberalen Freiheitsunion und den Christdemokraten. Dass die Regierungsparteien zunächst mit Jaroslav Bures und Petr Pithart zwei verschiedene Kandidaten ins Rennen geschickt haben, ist noch nichts außergewöhnliches. Doch auch in den Wahlgängen zwei und drei, als nur noch der Christdemokrat Petr Pithart gegen den inoffiziellen Oppositionsführer Vaclav Klaus antrat, war der von der Freiheitsunion und dann auch von Premierminister Spidla unterstütze Pithart weit davon entfernt, seinen Kontrahenten Klaus schlagen zu können. Die Ursache dafür ist vielfältiger und vor allem taktischer Natur. Der wohl wichtigste Aspekt sei jedoch herausgegriffen: Die Sozialdemokratische Partei hat nicht nur Probleme mit ihrer hauchdünnen Regierungsmehrheit und ihren ideologisch manchmal zu weit entfernten Partnern, sondern ist auch in sich tief gespalten. Denn einer hat hier immer noch viele Anhänger: Expremier Milos Zeman. Der als populistisch und polarisierend geltende ehemalige Parteichef hatte ja angekündigt, im Falle des Scheiterns der Abstimmung in einer zweiten Wahl als Kandidat zur Verfügung zu stehen. Und so ist es mehr als wahrscheinlich, dass auch einige Sozialdemokraten für Klaus gestimmt haben, um die Wahl zu sabotieren und damit den Weg für Zeman frei zu machen.

Der sozialdemokratische Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Milan Urban, hat mittlerweile jedenfalls bestätigt, wie in seiner Partei der Hase läuft:

"Es wird wahrscheinlich zur Nominierung eines neuen Kandidaten kommen, und es ist wohl kein Geheimnis, dass das voraussichtlich Milos Zeman sein wird."

Für Premierminister Spidla, der selbst ganz und gar kein Teil des Zeman-Flügels ist, eine bittere Perspektive.