Fünf Glaslöwe für den Film Jan Hrebejks "Wir müssen zusammenshalten"

Willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zum heutigen Kulturspiegel. Am Mikrophon begrüßt Sie Johanna Steiger - Antos.

Im Jahre 1993 hatte der tschechische Produzent und Regiesseur Petr Vachler die Idee, mit Hilfe verschiedener Sponsoren eine Filmauszeichnung ins Leben zu rufen. Eine hundertköpfige Fachjury wählt so jedes Jahr aus allen tschechischen Filmproduktionen die besten Filme aus, und nominiert 15 verschiedene Kategorien. Dieses Jahr haben es neun Kinofilme in die Endrunde geschafft, und letzten Samstag wurden im Prager Lucerna-Saal zeremoniell die heißbegehrten tschechischen Glaslöwen vergeben.

Unter der Moderation von dem populären Komödianten Jaroslav Dusek enstand die sagenhafteste und unterhaltsamste Preisverleihung überhaupt. Die Zuschauer konnten auch vor den Bildschirmen die Live- Übertragung verfolgen und sich amüsieren. Die tschechische Presse bejubelte ihn als den Löwen und Sieger des Abends.

Lange munkelte man, ob der Hollywoodstar Bruce Willis, der momentan in Prag einen amerikanischen Kriegsfilm dreht, zur Preisverleihung auftaucht. Aber angeblich sei er von den Kostümproben zu erschöpft und müde gewesen, um einen der Kristalllöwen an den besten Film zu übergeben. Weitere Gäste waren die Präsidentengattin Dagmar Havlová, auch eine ehemalig bekannte Schauspielerin, die tschechische Sänger- Legende Hana Hegerová, und der Amerikaner Steve Buscemi, der sich aber wenig später als Doppelgänger entpuppte, und nicht nur den Moderator reinlegte, sondern auch das ganze Publikum.

Letztendlich stahl jedoch ein echter Löwe namens Honza aus dem Prager Zoogarten allen die Show. Das Tier war auf der Bühne ziemlich brav und brüllte nicht so laut wie unserer Löwe im Studio. Trotzdem sorgte er zu Beginn der Verleihung für große Aufregung.

Ich möchte ich Ihnen einige der Gewinner in den Hauptkategorien vorstellen. Absoluter Sieger der diesjährigen Filmverleihung, ist der Hoffnungsträger des neuen tschechischen Films - Jan Hrebejk. Seine Tragikomödie "Wir müssen zusammenhalten", wurde mit fünf tschechischen Kristalllöwen ausgezeichnet. Das Drehbuch zu dem kritikergekrönten Film schrieb sein langjähriger Jugendfreund Petr Jarchovský. Beide Schulabgänger der Prager Filmhochschule FAMU, überraschten bereits vor einem Jahr mit der erfolgreichen Kömodie "Pelísky" , zu deutsch "Schlupfwinkel". Sie erhielten damals vor einem Jahr keinen Preis, dafür aber räumte ihr neuer Film dieses Jahr alle Löwen ein, und der strahlende Jan Hrebejk konnte diesmal wieder glücklich und zufrieden sein.

Der Film bekam fünf von sechs nominierten Preisen für den besten Film, bestes Drehbuch, beste Regie, und beste weibliche und männliche Hauptrolle. Jan Hrebejk erzählt die Geschichte eines kleinen tschechischen Dorfes während der deutschen Okkupation im zweiten Weltkrieg. Im Vordergrund steht das kinderlose Ehepaar, gespielt von Komikerstar Boleslav Polívka und von der slowakischen Schauspielerin Anna Sisková, die einen Juden in ihrer Wohnung versteckt halten. Es geht um zwischenmenschliche und zerbrechliche Beziehungen in einer politsch schweren Zeit. Das Dorf ist gespalten aus ehrenhaften Menschen und aus verhaßten Kollaboratoren, die sich aber am Schluß des Films alle ehrenhaft verhalten, und zusammenhalten, um zu überleben. Nach "Kolja" ist dieser Film erneut für den amerikanischen Oscar nominiert, eine unerwartete Sensation, die dem tschechischen Filmmarkt gewiss auf die Sprünge helfen würde. Ich habe Jan Hrebejk in einem kleinen Interview für Sie befragt, und wollte wissen, ob es ihm nicht schon vornherein klar war, dass er den tschechischen Löwen gewinnen wird....

"Ich habe ja bereits vor sieben Jahren fünf tschechische Löwen für meinen ersten Kinofilm "Sakalí Leta" - "Jahre der Schakalen" bekommen, ein Musical aus den 50ger Jahren. Dieses Jahr war der Sieg für mich nicht ganz klar und eindeutig, weil dieses Jahr die Konkurrenz viel größer war, als damals. Letztes Jahr entstanden eine Reihe hervorragender Filme, wie "Samotari", "Andel Exit" oder "Ene Bene"..."

Jan Hrebejk hat drei große Filmerfolge erzielt, "Jahre der Schakalen", "Schlupfwinkel" und "Wir müssen zusammenhalten". Er ist als Filmemacher in Tschechien sehr beliebt. Sein vorletzter Film "Schlupfwinkel" - "Pelísky" war ein Publikumsliebling. War es ein konkretes Ziel nach einem typisch tschechischen Film wie "Pelísky"- "Schlupfwinkel", einen Film zu drehen, der auch international anspricht?

"Nein, ein Ziel war es nicht. Aber es stimmt, die Handlung in "Wir müssen zusammenhalten" ist einfacher und leichter zu verstehen, als eine Geschichte über zwei tschechische Familien, die im Kommunismus in der Nachbarschaft nebeneinander leben. Der letzte Film ist weniger vom tschechischen Publikum abhängig. Wir hatten mit Petr Jarchovský schon eine größere Ambition, eine Geschichte zu erzählen, die jedem verständlich ist ... Jeder wünscht sich den Erfolg, der über die Grenzen hinaus geht. Ich möchte eine gute, aufrichtige und gewissenhafte Arbeit machen, die Qualtität des Filmes besteht für mich nicht darin, ob er alle auf der ganzen Welt anspricht. Damit kann man nicht kalkulieren."

In Ihrer preisgekrönten Tragikomödie "Wir müssen zusammenhalten", wechseln sich tragische mit komödischen Szenen häufig miteinander ab. Man erlebt als Zuschauer Gefühlsschwankungen. Man lacht, ist entsetzt, verblüfft oder traurig...Haben Sie eine Lieblingsszene im Film?

"Ich mag Szenen, vor welchen ich vor und während dem Drehen Angst hatte, dass sie nicht klappen, schwere Szenen... Eine meiner Lieblingsszenen ist die, als sich David, der Jude unter der Bettdecke der Ehefrau verstecken muss, weil ein Kollaborant unerwartet zu Besuch kommt, und sie so tun muss, als ob sie mit Fieber krank im Bett liegt... Es ist interessant, bei besonders lustigen, komödischen Szenen ist das Filmteam während der Dreharbeiten ernst. Bei ernsten Szenen hingegen, machen wir die Kamera aus und lachen uns tot. Ich glaube, das ist so eine Art Kompensation."

In Tschechien entstanden in den letzten Jahren bemerkenswerte Filme von jungen Filmemachern, die auch im Ausland Erfolge hatten. Man spricht von einer neuen Filmgeneration. Kann man in Tschechien von einer "Neuen Welle" sprechen?

"Das fragen mich viele Leute, ob wir die neue Tschechische Welle Nummer 2 werden oder sind... Im Herbst letzten Jahres war ich in London. Dort wurden Filme von jungen tschechischen Filmemachern vorgestellt. Filme wie von Sasa Gedeon, Jan Sverak, Petr Zelenka, Alice Nellis, usw. Die Filmreihe trug den Titel " The Velvet Generation", also die "Samtene Generation", das hat mir sehr gefallen, und ich würde uns auch gerne so bezeichnen... - Wir sind die "Samtene Generation"..."

Ihr Film "Wir müssen zusammenhalten" wurde noch vor der Preisverleihung des tschechischen Löwen für den ausländischen Oscar nominiert. Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie erfahren haben, dass Sie für den Oscar nominiert sind?

"Ich hatte riesengroße Freude...für europäische Filmemacher ist das eine außerordentliche Auszeichnung. Bisher wurden acht tschechische Filme nominiert, darunter jetzt auch mein Film, das schmeichelt mir sehr... Das wir es bis dahin geschafft haben, das kann mir keiner nehmen. Das ist eine enorme Genugtuung und eine Ehre, gerade, weil viele Menschen nicht an den Film geglaubt haben..."

Wir gratulieren Jan Hrebejk und drücken ihm und seinem Team fest die Daumen, und wünschen ihm, trotz seiner großen Konkurrenz bei den ausländischen Oscars, ein schönes und unvergessliches Erlebnis...

Auch die ältere Garde des tschechischen Films war bei der Filmverleihung anwesend.

Vera Chytilová übernahm die Kristallstatue für ihr langjähriges Filmschaffen, sie drohte uns gleichzeitig, keinesfalls mit dem Filmen aufzuhören. Sie prägte den neuen revolutionären tschechischen Film, die sogenannte "Neue Welle", zwischen 1962-65. Vera Chytilová überzeugte in vielen Filmen mit ihrer Sensibilität, Phantasie und Experimentirfreudigkeit. Mit dem Film "Sedmikrásky" - "Tausendschönchen" enstand damals einer der radikalsten und modernsten Filme in der CSSR.

Der Kultfilm Film "Samotári" - "Einzelgänger" mußte sich mit zehn Nominierung leider nur mit einem Preis zufrieden geben. Die beste männliche Nebenrolle ging an Jirí Machácek, der den "bekifften" Robert spielt, und während der Dreharbeiten tatsächlich viel Marihuana geraucht hat, um die Rolle so authentisch wie möglich darzustellen. (Der Film "Andel Exit", eine Drogengeschichte erzählt von Jungtalent Vladimír Michálek, erhielt nur zwei Trostpreise, für den besten Schnitt und die beste Szenografie.) Der Preis für die beste Kamera, die beste Musik und den besten Ton gingen an die Horrorballade "Kytice", ("Der Blumenstrauß"), eine Verfilmung von den Gedichten von Karl Jaromir Erben aus dem 19. Jahrhundert.

Im Jahr 2000 liefen im Wettbewerb 17 tschechische Produktionen - Ein stolze Summe für ein kleines Land, auch wenn es dieses Jahr die Filmmacher auf der Seite eines oscarnominierten Konkurrenten, mit Jan Hrebejk schwer hatten, so werden es auch die nächsten Filme im Jahr 2001 schwer haben, denn man erwartet von Jan Sverák, der mit seinem Film "Kolja" 1996 den ausländischen Oscar gewann, einen erneuten Erfolg mit seinem Kinofilm "Tmavomodrý svet" ("Dunkelblaue Nacht"), eine deutsch-tschechische Koproduktion, die im Mai Premiere feiert.

Hoffentlich überrascht uns die neue tschechische Filmgeneration auch in Zukunft, wenn weiterhin soviel Wind weht wie bei der diesjährigen Verleihung, dürfte nichts schief gehen...

Autor: Johanna Steiger-Antos
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