„Für offene Grenzen“ – Tschechen und Deutsche protestieren in Schirnding gegen Pegida
Die anti-islamische Bewegung Pegida versucht sich in der Vernetzung. Vor zwei Wochen sprach Pegida-Chef Bachmann auf einer Kundgebung in Prag, nun kamen etwa 300 Demonstranten aus beiden Ländern nach Schirnding in Oberfranken. Der Anti-Islam-Demonstration stellte sich am Sonntag in dem Grenzort ein Bündnis für Flüchtlinge und offene Grenzen entgegen. Mit dabei waren auch tschechische Politiker wie Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg.
„Wir haben heute ein breites Bündnis aus vielen Bereichen unserer Gesellschaft zusammengebracht, das sich für Offenheit und Toleranz einsetzt. Wir hatten nur zehn Tage Zeit dafür – dass heute so viele da sind, ist ein Riesenerfolg!“
Dass sich die Pegida gerade Schirnding für ihre Zusammenkunft ausgesucht hat, einen symbolischen Ort der europäischen Einigung, sei untragbar – das war der Tenor aller Redner, von Bundestagsabgeordneten bis zu Kommunalpolitikern. Als einer von zwei Hauptrednern war Tschechiens Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg in die 1200-Seelen-Gemeinde gekommen:„Dass heute von beiden Seiten der Grenze Menschen zusammenkommen, um hier klar zu demonstrieren, ist für mich ein europäisches Schlüsselerlebnis. Und deswegen danke ich, dass ich hier sein darf.“
Mit deutlichen Worten kritisierte Schwarzenberg Politiker, vor allem auch in seinem eigenen Land, die Hass gegenüber Flüchtlingen säen. Zugleich plädierte der Konservative dafür, Ängste in der Bevölkerung im Dialog zu zerstreuen:„Beschimpft sie nicht, sondern redet mit ihnen. Wenn wir sie nur beschimpfen, verhärten sich nur die Fronten. Das freut natürlich die Hetzer. Deshalb bitte ich Sie, ihre Nachbarn, die Angst haben, aufzuklären und zu überzeugen, dass sie keinen Grund haben zu solcher Panik. Und dass diejenigen, die zu uns kommen, vor den Terroristen fliehen, aber nicht die Täter sind. Das ist die Grunderkenntnis.“
Mit bunten Luftballons und Plakaten zogen die Demonstranten schließlich in Richtung Grenze. Zur Abschlusskundgebung sprach erneut ein Gast aus Tschechien, Grünen-Politiker Jan Trnka. Die Teilnahme an der Demo war für ihn keine Frage, sagte er zu Radio Prag:„Diese Idee, die Pegida hier unter anderem vorbringt – die Grenze wegen der Flüchtlinge zu schließen – ist für uns ein absoluter Blödsinn. Europa ist aufgebaut auf offenen Grenzen. Viele von uns können sich noch erinnern, wie es hier aussah, als die Grenzen geschlossen waren.“
Aus einer geplanten Menschenkette der Pegida direkt am einstigen Grenzstreifen wurde nichts. Gemeinsam mit tschechischen Islam-Gegnern wolle man Europa verteidigen, hieß es vorher. Viele waren nicht gekommen.
Parlamentarier Marek Černoch von der rechtspopulistischen Úsvit-Partei wurde als Redner begrüßt – aus der „Tschechoslowakei“. Sein Vortrag fügte sich ein in Tiraden gegen eine islamische Bedrohung, gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, die Politik der EU und der deutschen Regierung insbesondere. Ein Großaufgebot der Polizei sorgte am Sonntag dafür, dass alles ruhig blieb in Schirnding. Gegen 16 Uhr waren beide Demonstrationen beendet. Jörg Nürnberger von „Grenzenlos glücklich“ zog am Abend Bilanz:„Ich bin überwältigt. Es ist, als würde ein kleiner Fußballverein in einem Pokalspiel gegen einen übermächtigen Gegner antreten, und der kleine Verein gewinnt dann 4:1. Das Signal: Die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter unserer Idee von offenen Grenzen. Wir lassen uns von anderen nicht einschüchtern und auch nicht von außen bestimmen, wie wir in der Region über die Zusammenarbeit mit Tschechien denken.“