Grenzüberschreitend: Niederösterreichische Landesausstellung 2009

zemska_vystava09_plakat.jpg

Wir haben bereits am Sonntag in unserer Rubrik „Kultursalon“ ausführlich darüber berichtet: Die diesjährige niederösterreichische Landesausstellung 2009 finden erstmals grenzüberschreitend statt. Die Schau mit dem Titel „Österreich. Tschechien.Geteilt.Getrennt.Vereint.“ wird in Horn, Raabs an der Thaya und Telč gezeigt. Anlass ist das 20-jährige Jubiläum des Falls des Eisernen Vorhanges. Zahlreiche begleitende Veranstaltungen – vom Feuerwehrfest bis zur Dichterlesung – beiderseits der Grenze runden das Programm ab. Doch darüber hinaus soll jede Landesausstellung auch für langfristige Impulse in den Regionen sorgen. Schließlich wird eine Menge Geld investiert. Was sich die Politiker dies- und jenseits der niederösterreichisch-tschechischen Grenze von der Landesausstellung 2009 erwarten, darüber hören Sie nun mehr in unserer Rubrik „Schauplatz.“

Telč
„Wir möchten zunächst einmal die gemeinsame Geschichte wach halten. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Region noch vor hundert Jahren eine gemeinsame Region war, nämlich im Rahmen der Monarchie.“

Dann sei eine Zeit der Trennung und Teilung gekommen, so Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll. 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhanges gebe es immer noch die Grenze in den Köpfen vieler Menschen. Diese gelte es nun zu überwinden und dazu sei die grenzüberschreitende Landesausstellung ein wertvoller Beitrag.

„Auf der zweiten Seite verbinden wir damit natürlich auch wirtschaftliche und touristische Hoffungen. Rund 22 Millionen Euro investieren wir. Wir gehen davon aus, dass dadurch in der Region Waldviertel eine Wertschöpfung von 30 bis 40 Millionen Euro ausgelöst wird. Und natürlich ist ein ganz besonders zukunftsträchtiges Feld der gesamte Tourismus und die touristische Entwicklung zwischen unseren Regionen. Ich darf Sie nur daran erinnern, dass die Übernachtungen von tschechischen Bürgern in Niederösterreich gerade im Jahr 2008 eine Steigerung von rund zehn Prozent verzeichnen. Das ist ein guter Beginn für eine neue Tourismusbewegung zwischen beiden Regionen.“

Auch die Stadt Telč investiere im Rahmen der Landesausstellung, betont Bürgermeister Roman Fabeš:

Erwin Pröll
„Für uns ist es eine große Ehre, dabei zu sein. Wir sehen das als Lohn für unsere jahrelangen Bemühungen um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Wir haben gehört, dass die beiden Regionen 22 Millionen Euro in die Landesausstellung investieren. Wir investieren sogar noch mehr: 60 Millionen. Kronen allerdings.“

Des Bürgermeisters Bonmot kam an: Landeshauptmann Erwin Pröll bog sich vor Lachen. Roman Fabeš fügte hinzu, auch mit diesen umgerechnet 2 Millionen Euro könne man viel bewegen.

Man will also den Tourismus ankurbeln: Ein wichtiger Punkt dabei ist die Infrastruktur und insbesondere die Verkehrsverbindungen. Von Prag aus ist Telč mit dem Bus in zweieinhalb bis drei Stunden erreichbar, mit dem Auto in zwei bis zweieinhalb. Doch wie sieht es mit den grenzüberschreitenden Verkehrsverbindungen aus? Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht, und mit der Internet-Fahrplanauskunft der Österreichischen Bundesbahnen eine Verbindung von Raabs an der Thaya nach Telč gesucht.

Für Samstagvormittag liefert sie folgendes Ergebnis:

„Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde, leider konnte zu Ihrer Anfrage keine Verbindung gefunden werden. Möglicherweise ist Ihr Reisewunsch an einem Datum, an dem Start oder Ziel gar nicht oder nicht mit dem gewählten Verkehrsmittel angefahren werden (Haltestellen werden z. B. am Wochenende manchmal nicht bedient).“

Bürgermeister Roman Fabeš
Nicht viel besser sieht es an Werktagen aus: Die kürzeste Reisezeit zwischen Raabs an der Thaya und Telč beträgt 7 Stunden 23 Minuten, sonst ist man beinahe 10 Stunden unterwegs. Neben fünfmal Umsteigen ist da auch ein zweistündiger Aufenthalt in Göpfritz an der Wild und eine eineinhalbstündige Zwangspause in der Grenzstadt Gmünd inklusive. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass zwischen Raabs an der Thaya und Telč genau 51,5 Straßenkilometer liegen.

Wie sollen also die Besucher der Landesausstellung über die Grenze kommen, fragt ein tschechischer Journalist. Landeshauptmann Pröll ist sichtlich überrascht über diese Frage.

„Mit Rad, mit Auto. (sic!) Einfach alle Bewegungsarten, … die man als Person nutzen kann.“

Über 50 Kilometer mit dem Rad zu fahren – will man auch den Ausstellungsteil in Horn sehen, kommen noch einmal 26 dazu – sind bestimmt nicht jedermanns Sache. Und, es gibt sie tatsächlich noch: Leute ohne Auto. In den ländlichen Gebieten Tschechiens sind dies nicht einmal so wenige. Während in Österreich 558 von 1000 Personen über ein Kfz verfügen, sind es in Tschechien exakt 399. Doch Erwin Prölls Kollege, Jiří Běhounek, der Hauptmann des Kreises Vysočina, beruhigt: Natürlich habe man auch an all jene gedacht, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind:

„Während der Landesausstellung wird es von Donnerstag bis Sonntag einen Buspendeldienst zwischen Horn, Raabs und Telč geben, und das zu günstigen Preisen. Wir achten auch auf die Anschlüsse von und zu den Zügen.“

Erwin Pröll  (links) und Jiří Běhounek
Übrigens: Tschechien hat das mit Abstand dichteste Eisenbahnnetz der EU. Natürlich hat auch Telč einen Bahnanschluss. Es gibt sogar gleich zwei Bahnhöfe, die an der Lokalbahn von Kostelc u Jihlavy / Kosteletz bei Iglau - Slavonice / Zlabigs liegen. Vor dem zweiten Weltkrieg führte die Strecke weiter über die österreichische Bezirkshauptstadt Waidhofen an der Thaya nach Schwarzenau an der Franz-Josefs-Bahn, der historischen Bahnverbindung Wien-Prag. Während auf dem tschechischen Teil der Strecke bis zu 14 Züge pro Tag und Richtung unterwegs sind, liegt die Bahnlinie in Österreich weitgehend brach. Nur bis Waidhofen an der Thaya fahren noch Züge. Die Gleise reichen zwar noch bis knapp an die Staatsgrenze heran, doch sie verschwinden immer mehr unter meterhohem Gestrüpp und armdicken Bäumen. Seit Jahren schon spricht man beiderseits der Grenze von einem Wiederaufbau der Lokalbahn. Doch geschehen ist nichts: Im Gegenteil, sogar der verbliebene Abschnitt nach Waidhofen an der Thaya ist von der Stilllegung bedroht. Und auf dem nicht befahrenen Streckenstück hat man mittlerweile begonnen, die Schienen teilweise abzubauen. Doch Landeshauptmann Pröll betont, man rechne weiterhin mit der Reaktivierung der grenzüberschreitenden Bahnverbindung:

„An und für sich sind wir uns beide einig, der Herr Kreishauptmann und ich, dass wir weiterhin intensiv daran arbeiten, diesen Lückenschluss zu Stande zu bringen“

Doch durch den personellen Wechsel in den Verkehrsministerien in Prag und Wien finde man nun eine neue Ausgangslage vor. „Der bisherige tschechische Verkehrsminister stand de, Prjekt positiv gegenüber. Wie dies der neue sieht, werden wir sehen.“

Doch nicht nur über dieses Projekt hätten sie gesprochen, betonten die beiden Regionalpolitiker. Ganz allgemein seien die nachbarschaftlichen Beziehungen im Mittelpunkt des Treffens gestanden. Diese waren bekanntlich in der Vergangenheit nicht immer frei von Konflikten. Stichwort Temelín, Stcihwort Beneš-Dekrete. In jüngster Zeit sorgte auch die teilweise Abschottung des österreichischen Arbeitsmarktes gegenüber Bürgen aus Tschechien und den anderen gar nicht mehr so neuen EU-Mitgliedsstaaten für einiges an Verstimmung. Ob sich die beiden Herren Hauptmänner auch darüber ausgetauscht hätten, wollte der Redakteur eines Lokalblattes aus Znojmo / Znaim wissen:

„Also, ich möchte Ihnen zunächst einmal ganz herzlich gratulieren: Sie sind ein ganz besonderer Journalist. Sie erinnern mich an das Beispiel des Schülers, der im Zoologieunterricht gefragt wurde nach den Würmern, der allerdings nur über die Elefanten gelernt hat und dann die Frage beantwortet hat: Ja, die Würmer sind auch Parasiten in Elefanten. Ich bedanke mich bei Ihnen, dass sie die grenzüberschreitende niederösterreichische Landesausstellung als ein wichtiges Instrument für die Arbeitsmarktpolitik der Europäischen Union und vor allem zwischen der Tschechischen und der österreichischen Republik ansehen. Ich bin optimistisch, dass wir eine vernünftige Regelung zu Stande bringen.“

Österreich hat seine Entscheidung freilich längst getroffen: Freien Arbeitsmarkt-Zugang für alle EU-Bürger gibt es erst 2011. Wir haben bereits mehrmals ausführlich darüber berichtet.

Fehlte nur noch, dass jemand das Dauerstreitthema Temelín zur Sprache gebracht hat. Wer weiß, welche Antwort Erwin Pröll dazu parat gehabt hätte. Doch so weit wollte sich dann doch keiner der Anwesenden aus dem Fenster lehnen.

Alle Informationen zur Niederösterreichischen Landesausstellung 2009 finden Sie auf www.noe-landesausstellung.at .