Josef Nesvadba und sein neues Buch "Hölle Benes"

Josef Nesvadba

Er ist einer, wenn nicht der bekannteste tschechische Science-Fiction-Autor: der Schriftsteller und Psychiater Josef Nesvadba. In diesem Jahr erschien sein neues Buch "Hölle Benes". Mehr zu diesem Buch und Josef Nesvadba hören Sie im heutigen Kultursalon von Martina Zschocke.

Der beste Science-Fiction-Schriftsteller seit Karel Capek, so wurde Josef Nesvadba beim diesjährigen Prager Schriftsteller Festival vorgestellt. In diesem Jahr erschien sein neuer Roman "Peklo Benes" (Hölle Benes), eine Art politischer Science Fiction. In Tschechien Buch des Monats und die erste Auflage im Handumdrehen ausverkauft, experimentiert "Hölle Benes" mit der tschechisch-deutschen Problematik. Was hat nun den Autor Nesvadba bewegt, dieses heikle historische und bis heute aktuelle Thema zur Grundlage seines Science-Fiction-Romanes zu machen?

"Es ist eine Frucht langer Arbeit. Ich habe begonnen als Arzt in den Grenzgebieten in Teplitz, Schönau - im Jahre 50, weil ich schon so alt bin - und da waren noch deutsche Ärzte da. Und seit der Zeit verfolge ich irgendwie die ganze Geschichte der Sudetendeutschen und wie alles geschieht. Und deshalb wurde auch das Buch geschrieben ja. Ich habe auch keine Lösung, ich weiß nur, daß man das nicht vergessen wird und daß man sich damit auseinandersetzen muß. Manche Leute sagen, es wird mit dem Aussterben von einer Generation enden, aber so ist das nicht. Leider."

Im Roman geht es um den ehemaligen tschechischen Präsidenten Benes, der die Tschechoslowakei von 1935-38 und von 1945-48 regierte. Es handelt von realen Ereignissen seiner Regierungszeit und einer Maschine, die Einfluss auf die Menschlichkeit der behandelten Personen ausübt. Das Szenario lässt ein Doppelgänger-Motiv aufscheinen, das in Nesvadbas Geschichten hin und wieder auftaucht. Was mit Benes im Roman geschieht, erzählt der Autor Josef Nesvadba:

"Es ist eine Angelegenheit von einer Erfindung, die es ermöglicht durch Abreagieren unsere Aggressionen zu überwinden. Und der Patient heißt Benes und ihm ermöglicht das, seine tschechisch-deutsche Haßliebe zu lösen und aus der Tschechoslowakei einen utopischen, idealen Staat zu machen. Was dann gegen Ende seines Lebens ziemlich in Gefahr gerät, weil er der Chef des Ganzen sein soll und damit kann er sich nicht auseinandersetzen."

Zumal er das gerade in Berlin werden soll, also in der Stadt seiner Feinde. Der Hauptcharakter des Buches ist jedoch nicht Benes, sondern ein alter Psychiater, wobei immer offen bleibt, ob das Erzählte real ist oder der Senilität des alten Arztes entspringt. Wo die Handlung des Buches lokalisiert ist, frage ich Josef Nesvadba:

"Das soll alles in einer psychiatrischen Anstalt stattfinden, weil alles andere Fantasien sind. Das ist an dieser Schwelle von Phantasie und Wirklichkeit. Und das ist auch das Problem des einfachen Lesers, weil er sicher wissen möchte, wo ist das eigentlich. Aber beim Kafka ist das auch so und beim Joyce und es gibt viele andere Autoren, die diese Grenzlinie auch nicht so festhalten. Ich bin sehr neugierig, wie das weitergeht - für mich ist das eines meiner letzten Bücher. Ich bin ja schon im vorgerückten Alter. Aber wir werden sehen, ob es mir gelingt noch etwas zu schreiben."

Vor einigen Wochen wurde Josef Nesvadba 77 Jahre alt. 1926 in Prag geboren, studiert er an der Karlsuniversität Medizin und Philosophie. Die Universität verläßt er mit einem Abschluss in Medizin und einer Spezialisierung auf Psychiatrie. Danach arbeitet er zwei Jahre in einem Krankenhaus in Teplice und kurz darauf als Militärarzt bei der Luftwaffe. Seit 1956 spezialisiert er sich auf Psychotherapie und arbeitet knapp 10 Jahre in einer Prager Klinik. Von 1967 bis 1990 therapiert er dann in eigener Praxis. Zeit seines Lebens ist er beides: Schriftsteller und Psychiater. Was ihm nun persönlich näher liegt, frage ich ihn - sieht er sich selbst mehr als Arzt als oder Schriftsteller?

"Ich bin halb Arzt und Schriftsteller und ich mache beides zusammen mein ganzes Leben und weil die politische Situation nie einfach war, tendierte ich dazu bei einer Zensurzeit mehr Arzt zu machen und in einer freieren Situation mehr zu schreiben. Ursprünglich habe ich sogar Philosophie und Medizin zusammen studiert und erst nach den Februarereignissen habe ich nur die Medizin beendet. Ich bin ein Zwilling, vielleicht ist es deshalb."

Seine literarische Entwicklung verläuft parallel zu der als Psychiater. Ende der vierziger Jahre beginnt er Gedichte aus dem Englischen ins Tschechische zu übersetzen und Theaterstücke zu schreiben, die noch keine Science-Fiction-Züge tragen. Kurz darauf verfasst er Kurzgeschichten, die zunehmend als Experimentierraum dienen, um Gesellschaft, Psychologie und Philosophie zu untersuchen. Die meisten seiner Geschichten basieren auf einer Grundidee, die ein spezifisches Thema erkundet. Immer wieder läßt sich Nesvadba dabei auch von seiner Arbeit als Psychiater inspirieren. Ende der 50er und in den 60er Jahren entstehen verschiedene Kurzgeschichtensammlungen, die auch international sehr erfolgreich werden u.a. Tarzans Tod, Einsteins Gehirn und Expedition in die entgegengesetzte Richtung. Mehr dazu von Josef Nesvadba:

"Ich habe in meiner Jugend - so um die 30 - nacheinander drei Story-, Geschichtenbücher geschrieben. Die wurden im Suhrkamp-Verlag in 2 Auflagen, in Westdeutschland zusammen in 4 Auflagen gebracht und in Ostdeutschland in 5. Und wenn ich immer ein neues Buch schreibe, dann sagen mir die Verleger, naja gut Herr Doktor, aber wenn Sie wieder eine Geschichte schrieben... und dadurch hasse ich meine ersten Geschichten schon. Weil ich selbstverständlich immer das letzte Buch für das Wichtigste halte. Das ist immer so. Aber sonst möchte ich als alter Autor sagen, daß man erst in 20 Jahren weiß, was für ein Buch man geschrieben hat und was die Wirkung wirklich ist. Nach meiner Erfahrung. Also während einer Generation."

Inzwischen sind viele von Nesvadbas Geschichten in Englisch und in Deutsch erschienen und er ist einer der etablierten Science-Fiction-Autoren. Mitte der 70er Jahre beginnt Nesvadba Romane zu schreiben und sich sowohl von den Kurzgeschichten, als auch von den klassischen Grenzen des Science-Fiction Genres wegzubewegen. Seitdem schreibt er auf der Grenze von allgemeiner Literatur und Phantasie. Auch "Hölle Benes" bewegt sich auf dieser Ebene.

"Es ist ein labyrinthinisches Buch, hat ein englischer Freund von mir gesagt. Aber Leute, die also diese direkten Stories lesen, denen ist das fremd."

An diesem Buch hat Nesvadba verhältnismäßig lange geschrieben. Das war nicht immer so. Die Zeiten, in denen er ein Buch schrieb, variierten während seines schriftstellerischen Lebens deutlich.

"Es gab ein Buch, das hier ziemlich erfolgreich war, das ich geschrieben habe als ich aus Vietnam zurück kam. Ich war dort als Arzt. Das habe ich in 3 Wochen geschrieben. Das war auch hier übersetzt und sogar in der Frankfurter Allgemeinen serialisiert im Jahre 65 - also schon lange her. Aber je älter ich bin, desto länger dauert es. Das ist vielleicht eine Ausnahme. Ich mußte selbstverständlich eine Idee haben, weil meine Geschichten und das, was ich schreibe, immer irgendwie eine message, eine Botschaft haben. Dazu müssen sie wissen, was sie schreiben. Das hat mit Ambiente und mit Gefühlen nicht so viel zu tun."

Nesvadbas Geschichten sind gleichzeitig abstrakt und konkret. An sich fiktional haben sie dennoch klare Referenzen zu den Dingen der Gegenwart und Vergangenheit. Seine Science Fiction handeln nicht im luftleeren Raum, sondern in einem Kontinuum verschiedener Kontexte - und sie tragen fast immer eine sozio-psychologische Dimension. Josef Nesvadba kultivierte einen spezifischen literarischen Stil, der vor allem von kurzen Sätzen und mitunter etwas spröden Dialogen geprägt ist. Die Hauptfrage vieler seiner Bücher liegt darin, ob der Mensch in der Lage sei, sein Schicksal zu verändern. Seine Geschichten faszinieren vor allem durch die mentalen Freiräume, die sie eröffnen.

Derzeit schreibt Josef Nesvadba jedoch ausnahmsweise nicht fiktional, sondern realitätsbezogen. Er verfaßt seine Memoiren, auf die wir in den nächsten Jahren gespannt sein dürfen. Mit dieser Vorausschau sind wir am Ende unserer heutigen Sendung. Sie hörten einen Beitrag über den Altmeister der tschechischen Science-Fiction Josef Nesvadba und seinen neuen Roman "Hölle Benes", der in diesem Jahr im Host-Verlag Brno erschien. Am Mikrofon verabschiedet sich Martina Zschocke.