Juri Gagarin begann Heldentour vor 60 Jahren in der Tschechoslowakei
Am 12. April 1961 schreibt ein 27-jähriger Russe Weltraumgeschichte: Der Kosmonaut Juri Gagarin umrundet als erster Mensch im All die Erde. Nach dessen Rückkehr auf unseren Planeten begann ein großer Rummel um den sozialistischen Vorzeigehelden. Auf seiner internationalen Heldentour besuchte Gagarin dabei ab 28. April 1961 zuallererst die Tschechoslowakei.
Es war das Raumschiff Wostok 1, mit dem der nur 1,57 Meter große Gagarin vor 60 Jahren seinen spektakulären Raumflug absolvierte. Dazu brauchte er offiziellen Angaben zufolge 108 Minuten, bevor er in seiner engen Raumkapsel im Wolgagebiet landete. Verbrieft ist, dass ihn Anna Tachtarowa und ihre sechsjährige Enkelin Rita, die Gagarin in der Nähe des Dorfes Smelowka unweit der Stadt Engels als Erste begegneten, zunächst für einen Außerirdischen hielten. Nur kurze Zeit später aber vermeldeten die sowjetischen Medien die geglückte Erdumkreisung durch einen Menschen, und aus dem einfachen Bauernsohn wurde ein „Held der Sowjetunion“. Mehr noch, Gagarin mutierte zum „ersten Popstar des Ostblocks“, und er wurde den Ländern der sowjetischen Bündnispartner auch schon bald präsentiert. Sein erster Auslandsbesuch führte Gagarin Ende April 1961 in die Tschechoslowakei. Historiker Pavel Mücke:
„Juri Gagarin begab sich unter anderen deswegen zuerst in die Tschechoslowakei, weil sie in den Augen des Kremls einer der wichtigsten Bündnispartner der Sowjetunion war. Chruschtschow war sogar ein Fan der Tschechoslowakei. Und so begann in Prag dann auch die große Promotion-Friedenstour von Gagarin quer durch Europa und in die Welt.“
In Prag wurde Gagarin von Hunderttausenden Menschen begeistert empfangen. Wurde dieser Empfang aber nicht schließlich von den Oberen in der sozialistischen Tschechoslowakei angeordnet? Oder gab es auch spontane Reaktionen? Auf diese Fragen antwortete Mücke im Tschechischen Fernsehen:
„Ich denke, das war ein Mix aus beidem. Aus den historischen Bilddokumenten geht hervor, dass ein Teil der Bewunderer von Gagarin aus purer Neugier die Straßen säumte. Der andere Teil der Menschen, die zur Begrüßung des Kosmonauten ein kilometerlanges Spalier bildeten, aber setzte sich vor allem aus Arbeitskollektiven und Schulklassen zusammen.“
Gagarins Promotiontour war indes auch Bestandteil der ideologischen Propaganda ist der Zeit des damaligen Kalten Krieges. Und dazu kam auch der bevorstehende Tag der Arbeit sehr gelegen, bedeutet Historiker Mücke:
„Der 1. Mai war natürlich ein günstiges Datum, nachdem Gagarin seinen Weltraumflug Mitte April absolviert hatte. Bei der Planung seiner ersten Promotionsreise boten sich die Maifeiertage (8. Mai bzw. damals 9. Mai: Tag der Befreiung, Anm. d. Red.) förmlich an. Aus diesem Anlass wurde Gagarin überdies mit staatlichen Auszeichnungen der Tschechoslowakei überhäuft. Die Reise hatte also den klaren ideologischen Auftrag, die neue kosmische Propaganda des Ostblocks zu installieren.“
Am Vorabend des 1. Mai 1961 wurde Juri Gagarin vom tschechoslowakischen Präsidenten Antonín Novotný mit dem Orden „Held der sozialistischen Arbeit“ geehrt. Auch diese Namensgebung war seinerzeit ein Teil der politischen Ideologie, bemerkt Mücke:
„Das sowjetische kosmische Projekt wurde in seiner Gesamtheit als Friedensprojekt präsentiert. Deshalb hat Gagarin, der von Beruf Militärflieger war, auch nie eine militärische Auszeichnung erhalten. Dieser Orden sollte vielmehr eine Würdigung für Vertreter der sogenannten sozialistischen Berufe sein. Das waren dann in der Regel Bauern, Bergarbeiter oder andere Angehörige der Arbeiterklasse.“
Für Gagarin selbst war der ganze Rummel um seine Person letztlich eher schwerer zu verkraften als der Weltraumflug selbst, resümiert Mücke:
„Unmittelbar nach dem Ende der Reise wurde Gagarin in seiner Heimat zu einem entpersönlichten Ideal gemacht. Er wurde zu einem sozialistischen Idol erkoren, lediglich einige spontane Reaktionen von ihm lassen sich danach noch als sein eigenes Ich bezeichnen. Für Gagarin war es nicht leicht, sich dem extremen Fokus, in dem er stand, auch zu widmen. Er war in einer harten Ausbildung einzig und allein auf seinen Weltraumflug vorbereitet worden, doch nun musste er sich ständig den vielen Fragen Hunderttausender Menschen stellen. Das Leben eines Promis war eher eine große Last für ihn.“
Noch weit früher, als sein Stern verglühte, hat Juri Gagarin indes unsere Welt verlassen. Am 27. März 1968 verunglückte er bei einem Übungsflug mit einer MiG-15UTI und starb. Gagarin wurde nur 34 Jahre alt.