Koordinatorin Kovaříková: Programm „Kinder gefangener Eltern“ hat sich bewährt
Am Freitag endet in Prag eine Aktionswoche, die mehr Aufmerksamkeit verdient, als es ihr Name eigentlich erahnen lässt. Es ist die „Woche der unsichtbaren Kinder“ (Týden neviditelných dětí), die vom Tschechischen Helsinki-Ausschuss (ČHV) veranstaltet wird. Der Helsinki-Ausschuss ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte in Tschechien einsetzt. Die aktuelle Aktionswoche ist jenen Kindern gewidmet, deren Eltern im Gefängnis sind.
„Es lässt sich nicht ganz genau feststellen, doch anhand einer Studie der Organisation Eurochips wird geschätzt, dass auf jeden Gefangenen etwa 1,2 Kinder entfallen. Daraus folgt, dass rund 25.000 Kinder davon betroffen sind“,
sagt die Koordinatorin des Programms „Kinder gefangener Eltern“ beim Tschechischen Helsinki-Ausschuss, Markéta Kovaříková. Andere Angaben sprechen von mindestens 20.000 Kindern, deren Eltern im Gefängnis sind. Häufig war es früher so, dass diesen Kindern gesagt wurde, der Vater sei zu einem langen Urlaub abgereist oder die Mutter sei im Krankenhaus. Ausreden, nur um den Kindern nicht erklären zu müssen, dass Vater oder Mutter etwas Schlechtes getan haben und dafür im Gefängnis büßen müssen. Irgendwann aber kommt es immer dazu, dass Kinder ihre Eltern sehen und kennenlernen wollen.
Seit 2007 kümmert sich einzig und allein der Helsinki-Ausschuss in Tschechien um dieses Problem. Markéta Kovaříková erläutert, was den Kindern dabei vorrangig geboten wird:
„Das Hauptaugenmerk unserer Aktivitäten liegt auf den von uns betreuten Besuchen der Kinder in den Gefängnissen, wo ihre Eltern sind. Wir versuchen dabei die Besuche so zu organisieren, dass sich die Kinder gern an das Treffen mit ihren Eltern erinnern und nicht, wie von anderen befürchtet, davon traumatisiert werden. Deshalb gehören zu solch einem Besuch auch normale Dinge wie Beköstigung oder Spielzeug für die Kinder einfach dazu. Zudem werden die Kinder von einem Psychologen betreut, der dafür Sorge trägt, dass die Gespräche zwischen Eltern und Kindern in einer angenehmen Atmosphäre verlaufen. In diesem Geist versuchen wir die Besuche zu gestalten.“
Dazu bedarf es aber oft sehr umfangreicher Vorbereitungen. Die Gefängnisse, in denen die Eltern einsitzen, liegen nicht selten über 100 Kilometer vom Wohnort der Kinder entfernt, und die Haftanstalten liegen häufig außerhalb der geschlossenen Ortschaften, denen sie zugeordnet sind. An- und Abreise der Kinder können daher auch schon einmal bis zu zehn Stunden in Anspruch nehmen, sagt Markéta Kovaříková und nennt weitere Probleme:
„Die Besuche finden in großen Gruppen statt mit sehr wenig privaten Momenten. Es gibt sogar Gefängnisse, bei denen die Kinder ohne Kontakt zu ihren Eltern bleiben. Angeblich wegen der strengen Sicherheitsvorschriften, häufig jedoch deshalb, weil das Wachpersonal Angst davor hat, was passiert, wenn die Kinder den Eltern übergeben werden.“Manchmal können das Problem aber auch die Eltern selbst sein, ergänzt Kovaříková:
„Sehr oft wollen die Eltern auch gar nicht, dass ihre Kinder sie in der Umgebung eines Gefängnisses sehen. Oder sie haben Angst davor, ihren Kindern den Gefängnisaufenthalt erklären zu müssen, da sie sich dafür schämen.“
Dennoch: Das nun schon vier Jahre währende Programm „Kinder gefangener Eltern“ hat sich bewährt. Die vom Leben ohne Eltern betroffenen Kinder berichten mehrfach davon, dass es schön gewesen sei, mit der Mutter einmal gemeinsam gegessen und gespielt zu haben, und auch das Wachpersonal wird zunehmend offener für diese familiären Treffen. Eine sehr gute Zusammenarbeit habe man dabei schon mit den beiden Frauengefängnissen in Světlá nad Sázavou und in Prag-Řepy erreicht, versichert Markéta Kovaříková.