Korruptionsskandal in den Nachrichten, Reality-TV im Hauptabendprogramm
Eine Korruptionsaffäre am Beginn der neuen politischen Saison, sowie die neuen Reality-Shows auf Tschechiens privaten Fernsehkanälen. Das sind unter anderem die Themen der neuesten Ausgabe von Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag.
Mit dem Schulbeginn Anfang September ist auch die Palette der Themen, die von den heimischen Zeitungen in der abgelaufenen Woche behandelt wurden, bedeutend bunter geworden.
Den Anfang der neuen politischen Saison in Tschechien machte nichts Geringeres, als eine Korruptionsaffäre im Zusammenhang mit der Privatisierung des großen tschechischen Erdöl verarbeitenden Unternehmens Unipetrol an den polnischen Chemiekonzern PKN Orlen. Bei den Ermittlungen, die in Polen begonnen haben und sich zunächst nur gegen den neuen Eigentümer richteten, wurde bald eine Spur enthüllt, die nach Tschechien führt und zumindest die Vermutung aufkommen lässt, dass bei beim Verkauf von Unipetrol beträchtliche Schmiergelder in Richtung Prag geflossen seien.
Als dann der private tschechische Fernsehkanal TV Nova den Mitschnitt eines geheimen Gesprächs zwischen Zdenek Dolezel, dem Kabinettschef des tschechischen Premierministers, und einem Vertreter des polnischen Konzerns ausstrahlte, führte dies zu sofortigen Konsequenzen: Premierminister Jiri Paroubek entließ seinen Kabinettschef umgehend.
Dass aber dieser konkrete Fall auch in einem breiteren Kontext gesehen werden sollte, und zwar insbesondere mit einer Reihe von weiteren Affären, die in den vergangenen Monaten die tschechische Politik erschüttert haben, darauf verwies Martin Komarek in einem Kommentar, der in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes erschienen ist:
"Eine Spende in Höhe von 1,2 Milliarden Kronen - das ist doch etwas, was auch für tschechische Verhältnisse atemberaubend klingt. Die Korruptionsaffäre hat auch schon ein erstes politisches Opfer, da der Kabinettschef des Premierministers seinen Hut nehmen musste. Paroubek hat somit jemanden hinausgeworfen, den er von seinem Vorgänger Stanislav Gross erbte und der als 'unantastbar' galt. Das verblüffende an der ganzen Angelegenheit ist, dass hier indirekt wieder der Name des skandalumwitterten früheren Premierministers und jetzigen sozialdemokratischen Parteichefs Gross auftaucht. Das schlimmste dabei ist, dass sich fast niemand mehr darüber wundert."
Für einen weiteren Paukenschlag sorgte in der abgelaufenen Woche die sozialdemokratische Bildungsministerin Petra Buzkova, die verlauten ließ, dass sie im Juni nächsten Jahres nicht mehr für das Parlament kandidieren und sich aus allen öffentlichen Ämtern zurückziehen will. Buzkova gehörte über viele Jahre hinweg zu den beliebtesten Politikern in Tschechien und musste in diesem Zusammenhang auch zahlreiche Anfeindungen und Attacken verkraften, die in einigen Fällen im wahrsten Sinne des Wortes unter die Gürtellinie gingen.
Es ist übrigens interessant, dass die Entscheidung Buzkovas in den meisten tschechischen Zeitungen von Journalistinnen kommentiert wurde. In diesem Zusammenhang haben wir für Sie im Folgenden einige Auszüge aus zwei Kommentaren vorbereitet. Der erste stammte von Jana Bendova und erschien in der auflagestarken Tageszeitung Mlada fronta Dnes:
"Für die politische Karriere Petra Buzkovas ist eines typisch: Die Menschen wissen, wer sie ist, wie sie aussieht, dass sie im Parlament ihre Tochter gestillt hat. Aber was genau diese Politikerin erreicht hat, welche Positionen sie zu der einen oder anderen Frage vertrat - da wird es schon schwierig. Petra Buzkova ist eben eine Politikerin des Medienzeitalters. Man sieht sie mehr, als dass man von ihr hören würde, ihr öffentliches Erscheinungsbild war und ist ihr größtes politisches Kapital."
Soweit Jana Bendova in der Mlada fronta Dnes. Ihre Kollegin von der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny, Patricie Polanska, fällte in ihrem Beitrag zum angekündigten Karriere-Ende der jetzigen tschechischen Bildungsministerin, ebenfalls kein mildes Urteil:
"Während ihrer 15 Jahre dauernden Karriere, ist Buzkova nur einige Male in Erscheinung getreten. Vor allem in der Zeit des Oppositionsvertrags stellte sie sich gegen eine Änderung der Verfassung, die von den beiden Großparteien des Landes aus machtpolitischen Gründen angestrebt wurde; als Ministerin versuchte sie einige umstrittene öffentliche Aufträge ihres Ministeriums zu stoppen, und kürzlich bot sie Premierminister Paroubek die Stirn, als sie öffentlich den harten Polizei-Einsatz bei einer Technoparty verurteilte. Ansonsten wirkte sie in ihren zahlreichen öffentlichen Ämtern nicht überzeugend und geriet des Öfteren auch in Konflikt mit ihrer eigenen sozialdemokratischen Gesinnung, als sie etwa ihre Tochter an einer teuren Privatschule einschulte, während sie ihren Mitbürgern den Besuch von öffentlichen Schulen aufzwang und sich der Einführung von Schulgeld widersetzte."
Nun kommen wir noch zu einem anderen Thema, das ebenfalls aus der Sicht der Medien relevant ist und für große Aufmerksamkeit sorgte. Seit Anfang dieser Woche laufen auf den beiden privaten tschechischen Fernsehkanälen - auf TV Nova und TV Prima - zwei einander relativ ähnliche Reality-Shows. Auf Nova läuft Big Brother, auf Prima eine Show namens "Die Auserwählten", deren Prinzip aber das gleiche ist, nämlich dass auch dort sich mehrere Leute freiwillig in einen Wohncontainer einschließen ließen und Tag und Nacht von Kameras beobachtet werden.
In den Zeitungen war bislang eine klare Zweiteilung festzustellen. Während die Kommentatoren in der Mehrzahl gegen die Ausstrahlung dieser Sendungen keine Einwände hatten und sich höchstens daran stießen, dass nicht jugendfreie Einblicke in das Innenleben der beiden Wohncontainer schon kurz nach 20 Uhr, also zur Hauptsendezeit, zu sehen sind, sind die veröffentlichten Leserbriefe äußerst kritisch.
Dazu möchten wir aus einer Kolumne von Pavel Verner zitieren, die in der Tageszeitung Pravo erschienen ist:"Es war neulich zu Mittag. Am Nachbartisch saß ein junges, auf den ersten Blick kultiviertes Ehepaar, das ein familiäres Dilemma zu lösen versuchte. Was tun, wenn sowohl Big Brother, wie auch die Auserwählten zur gleichen Zeit ausgestrahlt werden und sie zumindest eine der beiden Shows versäumen? Ich bin vom Tisch aufgestanden in der Erkenntnis, dass ich bei der Lösung dieser Tragödie nicht behilflich sein kann und auch, dass man diesen Shows nicht dadurch ausweichen kann, in dem man ganz einfach den Fernseher ausschaltet. Das voyeuristische Dilemma, ob man diese Sendungen verfolgen soll oder nicht, muss jeder für sich entscheiden. Ich erlaube mir meine eigene Meinung zu deponieren: Diese Art von Reality-Shows ist außerordentlich langweilig."