TV Barrandov – tschechische Lebenskultur im neuen Privatsender
Der private Fernsehkanal TV Barrandov hat im Januar den Betrieb aufgenommen. Er ist bereits der dritte Privatsender mit einem Vollprogramm in Tschechien. TV Barrandov will sich mit einem hohen Anteil an eigenen Sendungen profilieren. Bei den Filmen stellt TV Barrandov die tschechische und europäische Produktion in den Vordergrund. Die Eigentümer von TV Barrandov sind einheimische Kapitalgeber.
„Es ist sehr schwer, Leute zu finden, die nicht nur Übung darin haben, in der Öffentlichkeit aufzutreten und zu reden, sondern auch gewillt sind, sich vor der Kamera zu präsentieren und einem anonymen Publikum Einblick zu gewähren in ihr Privatleben, ihre Gefühle, ihre Seele und ihre familiären Verhältnisse. Es gibt natürlich einen Menschentyp, der sich gerne produziert, aber den wollen wir mit unserer Sendereihe gerade nicht ansprechen. Eine solche Sendung kann auch eine Form von Therapie sein, die Zuschauer identifizieren sich mit den Problemen. Wir sind bei unserer Arbeit sehr abhängig vom guten Willen und der Großzügigkeit der Helden, die wir in den Mittelpunkt der einzelnen Teile stellen wollen“, so Fero Fenič.
Eine platte Reality-Show, die bloß Unterhaltungswert hat, will „Liebe auf Tschechisch“ also nicht sein, sondern eine mit Feingefühl und Tiefgang.
Ausgeprägt tschechisch wirkt diese Attraktion des Programms von TV Barrandov. Und das ist durchaus beabsichtigt. Denn TV Barrandov setzt bewusst den Akzent auf einheimische Kultur und Lebensart. Dadurch will sich der neue Privatsender von den beiden anderen privaten Fernsehkanälen - TV Nova und Prima – unterscheiden. Beide sind bereits seit den 90er Jahren in der tschechischen Medienlandschaft etabliert.
Als Elitesender oder Nischenkanal, der nur für eine spezielle soziale Gruppe zugeschnitten ist, versteht sich der Sender aber nicht. Die Fernsehmacher von TV Barrandov wollen eine breite, tragende Schicht der heutigen tschechischen Bevölkerung erreichen. Sie charakterisieren ihre Zielgruppe manchmal salopp mit dem Etikett „Generation der Husák-Kinder“. Petr Stráník, Pressesprecher von TV Barrandov, beschreibt diese Zielgruppe so:
„Das ist die Generation von Menschen, die heute in den Dreißigern sind. Also eine Generation, die auf der Höhe ihres Lebens steht und ein gewisses kommerzielles Potential hat, das noch weiter wächst. Diese Zielgruppe ist auch für die Anbieter von Reklame interessant. Wir wollen mit unserem Programm Personen erreichen, die bereits etabliert sind und auch gewisse Ansprüche haben an den Inhalt und die Zusammensetzung des Programms.“
Auch den technischen Ansprüchen und Konsumgewohnheiten seiner Zielgruppe will der neue Privatsender gerecht werden. Daher legt man großes Gewicht auf eine durchgestaltete Internetseite, die das gesamte Programm begleitet. Von der Internetseite können die Sendungen auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung nach der Ausstrahlung herunter geladen werden.
Zu punkten hofft das Team von TV Barrandov auch durch tschechische Filme. Diese kommen regelmäßig am Freitagabend zur Hauptsendezeit. Der Sender erfüllt mit dieser Programmkonstante die Erwartungen, die schon sein Name weckt. Denn TV Barrandov - wer denkt da nicht spontan an die traditionsreichen Filmstudios Barrandov. Der Fernsehsender ist auf dem Gelände der Filmstudios angesiedelt, und das kommt nicht von ungefähr. Petr Stráník:
„Die Filmstudios sind unser Partner, wir haben schon einige Projekte zusammen verwirklicht und stellen einige Sendungen hier in den Studios her. In Zukunft wollen wir diese Zusammenarbeit noch ausweiten und zum Beispiel gemeinsam Filme produzieren. Man könnte also sagen, wir sind wie Bruder und Schwester. Jeden Freitag bringen wir zwei tschechische Spielfilme. Dieser Sendeblock läuft unter dem Titel ‚Tschechische Filmfreitage’, und ich kann sagen, dass er unter den Zuschauern sehr populär ist. Er erzielt eine hohe Einschaltquote und wir bekommen zahlreiche positive Rückmeldungen.“
Bei der Pflege des einheimischen Filmschaffens will sich TV Barrandov nicht auf Wiederaufführungen beschränken, sondern eine aktive Rolle spielen. Dazu sind die späten Abendstunden der Sonntage vorgesehen. Der Sender bietet auch Amateurfilmern und Nachwuchsregisseuren eine Plattform, auf der sie ihre Streifen präsentieren und sich einen Namen machen können.
„In den späteren Abendstunden der Sonntage bringen wir die Sendereihe ‚Pro Film’. Dort zeigen wir Streifen von Amateurfilmern. Jeder Teil der Sendereihe ist einem bestimmten Thema gewidmet. Die Sendungen dauern 40 Minuten. Die Sendereihe ‚Pro Film’ wird von der Leitung unseres Kanals sehr unterstützt, wir haben sie als langfristige Programmkomponente eingeplant. Die Sendung gibt Filmemachern eine Chance, die hoch qualitative Sachen mit einem kleinen Budget schaffen und keine Möglichkeit haben, sie vor breitem Publikum zu zeigen. Unsere Sendereihe ermöglicht ihnen genau das. Die Sendungen werden aus mehreren Streifen von 2 bis 20 Minuten Länge zusammengestellt“, so Petr Stráník.
Neben tschechischen Filmen kauft der Sender auch europäische Filme ein. Amerikanische Produktionen folgen – zumindest gemäß den Programmzielen – erst an dritter Stelle. Selbstverständlich finden sich in der Programmübersicht von TV Barrandov auch eine Reihe von bewährten Sendeformaten, es gibt hier wie überall den Fernsehkoch und Tipps für Haus und Garten, Sport sowie Reise- und Naturfilme. Aktuelle Informationen vermittelt allabendlich ein Nachrichtenblock von 90 Minuten.
Eine ausgewogene Mischung aus Qualität und Popularität. Das strebt der neue tschechische Privatsender an. Schließlich können die Programmmacher nicht einfach vorgehen, wie es das Herz begehrt, sondern müssen auch ökonomische Zwänge beachten. Als dritter einheimischer Privatsender auf dem Fernsehmarkt eines kleinen Landes muss sich TV Barrandov seine Klientel erst erwerben. Die tschechischen Zuschauer können ja - wie überall auf der Welt - heutzutage über Satellit auch die ausländischen Fernsehangebote wahrnehmen. Das verschärft die Konkurrenz und damit den Druck, wirtschaftlich zu arbeiten. Doch TV Barrandov hat sich klare Ziele gesteckt, sagt Petr Stráník:
„Dieses Jahr wollen wir zwei bis drei Prozent Marktanteil erreichen. Ein Prozent haben wir nach zwei Monaten Sendebetrieb schon erreicht, und dabei decken wir derzeit nur rund 60 Prozent des tschechischen Sendegebiets ab. Wenn nun das digitale Fernsehen in Tschechien weiter verbreitet wird, erreichen wir weit mehr potentielle Zuschauer.“
In den nächsten fünf Jahren will TV Barrandov einen Anteil von zehn Prozent am tschechischen Markt gewinnen.
Foto: www.barrandov.tv