Lány: Museum zeigt Leben und Wirken Masaryks
Das Tomáš-Garrigue Masaryk-Museum in Lány ist ein Stück neuer Erinnerungskultur an den Staatsmann.
Keine 45 Minuten liegt Lány von der Hauptstadt Prag entfernt. Auch heute noch gilt das dortige Schloss als Sommersitz der tschechischen Präsidenten. Dazu gemacht hatte es der erste Präsident der tschechoslowakischen Republik, Tomáš Garrigue Masaryk. Warum, das weiß Barbora Bednářová Šafránková. Sie leitet die Ausstellung zum ehemaligen Präsidenten in Lány
1921 kaufte der Staat das Schloss und es wuchs Masaryk schnell ans Herz. Schließlich war der Vater der Nation viel lieber in der mittelböhmischen Provinz als in der Hauptstadt. Letztlich starb er hier auch vor nun genau 80 Jahren und ließ sich in Lány bestatten.
Das Masaryk-Museum in Lány wächst es seit Anfang der 1990er Jahre. Nach der Wende wollte die Politik nämlich zurück zu den Idealen des ersten Staatsoberhaupts und eine neue Erinnerungskultur an den Präsidenten und die erste tschechoslowakische Demokratie schaffen. Das Masaryk-Museum in Lány sollte dazu beitragen. Dabei war der Weg dorthin steinig: zunächst musste eine kleine Ausstellung über den Philosophen und Politiker reichen, erst 2003 konnte das Museum in seiner heutigen Form eröffnet werden.
Die Ausstellung ist gegliedert in drei große Themenbereiche: der familiäre Hintergrund Tomáš Garrigue Masaryks, die Kriegsjahre und die Staatsgründung sowie der Alltag in der ersten Tschechoslowakischen Republik. Dies sei ein wichtiger Teil des Lebens des Präsidenten gewesen, da kaum eine andere Persönlichkeit so mit der jungen Demokratie verbunden war, meint Barbora Bednářová Šafránková.Windeln und Wiegenlieder: die moderne Ehe der Masaryks
Die Familie von Tomáš Garrigue Masaryk ist ein wichtiger Teil der Expositionen. Vor allem, weil der Präsident eine Ehe führte, die viel moderner war, als man annehmen könnte, so die Leiterin des Museums. Und das lag nicht nur daran, dass der aus einfachen Verhältnissen stammende Masaryk eine US-Amerikanerin aus reichem Hause heiratete:
„Für Masaryk war die Familie immer eine Insel der Ruhe. Gerade mit seiner Ehefrau Charlotte Garrigue hatte er eine sehr enge und innige Beziehung. An erster Stelle standen in ihrem Verhältnis immer Liebe und Verständnis, soziale Unterschiede spielten da überhaupt keine Rolle. Es gibt aber noch etwas, was die Ehe der Masaryks außergewöhnlich mache: als ihre Kinder geboren wurden, konnte sich Tomáš Masaryk auch tatsächlich um diese kümmern. In jener Zeit war es etwas Besonderes, wenn ein Mann seine Kinder wickeln konnte oder sie fütterte.“Doch nicht nur die hellen Seiten des Privatlebens des Staatsmanns will das Museum in Lány beleuchten. Auch die persönlichen Tiefpunkte im Leben des Präsidenten werden thematisiert, vom frühen Tod einer seiner Töchter bis hin zum Fall Hilsner.
Masaryk als Gründer und Bruder der Nation
Der Erste Weltkrieg und die Gründung der Tschechoslowakischen Republik sind wohl die prägendsten Abschnitte im Leben von Tomáš Garrigue Masaryk. Deshalb beschäftigt sich das Museum in Lány gerade auch mit der Bedeutung des Präsidenten für die Geburt der Demokratie:„Der zweite Teil der Ausstellung behandelt vor allem den Herbst 1918. Im Oktober wurde damals die eigenständige tschechoslowakische Republik ausgerufen und Masaryk wurde in Abwesenheit zum Präsidenten gewählt. Die Fotos, die wir hier ausstellen, dokumentieren einerseits die triumphale Rückkehr Masaryks in seine Heimat im Dezember 1918. Andererseits aber auch was danach geschah, besonders seine Reisen durch die junge Republik. Dabei hatte er sich mit den einfachen Bürgern des Landes, aber auch mit bedeutenden Persönlichkeiten getroffen.“
Zu diesem Abschnitt der Ausstellung gehört auch eine große Sammlung zu den Tschechoslowakischen Legionen, dem Vorläufer der späteren Armee. Sie spielten nämlich nicht nur bei der Gründung der Republik eine wichtige Rolle. Sie hatten auch einen ganz besonderen Platz im Leben des ersten tschechoslowakischen Präsidenten:„Masaryk hatte zeitlebens ein enges Verhältnis zu den Legionären. Aus ihnen ging später auch die Ehrengarde auf der Prager Burg hervor und einige von ihnen machte Masaryk zu seiner persönlichen Leibwache. Zunächst behielten die Legionäre ihre typischen Uniformen als Gardeuniform. Die besondere Beziehung des Präsidenten zu den Soldaten zeigte sich auch darin, dass er sie mit ‚Brüder‘ anredete.“
Der dritte Teil der Dauerausstellung in Lány hat schließlich die der Rolle Masaryks in der ersten tschechoslowakischen Demokratie bis zu seinem Tod im Jahre 1937 zum Thema. In Zukunft sollen zahlreiche Exponate dem Besucher das Leben und die Stimmung jener Zeit näherbringen, so Bednářová Šafránková. Daran werde aber noch gearbeitet, denn das sei eine sammlerische Mammutaufgabe.
Der Mensch hinter dem Staatsmann
Der Leitung war aber in diesem Abschnitt der Exposition wichtig, Masaryk nicht nur als Politiker darzustellen:„In erster Linie Mensch zu sein, darum hat sich Masaryk auch in seiner Amtszeit bemüht. Er wollte nie die Rolle einer außergewöhnlichen Persönlichkeit spielen. Das sieht man beispielsweise nicht nur hier im Museum, sondern auch an seinem Grab auf dem Friedhof hier in Lány. Seit 1937 bis heute ist das Familiengrab nicht verändert worden und ist ein Sinnbild für die Einfachheit des Menschen Masaryk.“
Wobei auch die Leiterin des Museums zugibt, dass es sehr schwer ist, den Menschen hinter einer Persönlichkeit wie Masaryk zu zeigen. Besonders, wenn es um die negativen Seiten geht:
Lány ist einer von drei wichtigen Ausstellungsorten in Tschechien, die sich mit dem ersten tschechoslowakischen Präsidenten beschäftigen. Daneben finden Interessierte auch umfangreiche Sammlungen in Rakovník und im mährischen Hodonín, dem Geburtsort Masaryks. Das Museum in Lány ist von Mai bis September täglich außer montags von 9:00 bis 17:00 Uhr geöffnet, in den Wintermonaten Oktober bis April schließt das Museum bereits um 16:00 Uhr.
„Wenn man Biographien studiert oder in Archiven forscht, dann findet man schwer etwas Menschliches über eine Gestalt wie Masaryk. Gerade auch die aus menschlicher Sicht negativen Seiten sind nur durch persönliche Erfahrungen aus dem Umfeld desjenigen zu erfahren. Im Falle Masaryks ist das aber nicht mehr möglich. Wobei es hier bei den Einwohnern von Lány immer hieß, dass er eine sehr positive Ausstrahlung hatte. Masaryk selbst behauptete jedoch von sich, dass er eine große Schwäche hatte: den starken schwarzen Kaffee nach dem Mittagessen.“
So zeigen zahlreiche Ausstellungstücke den Alltag des Präsidenten, wie zum Beispiel seine, wenn auch erst spät entdeckte Leidenschaft zum Reiten oder seine Begeisterung für die Eisenbahn. Das Museum beschäftigt sich aber auch mit populären Mythen, die sich um die Person Tomáš Garrigue Masaryks ranken:
„Es stand immer im Raum, dass Masaryks Vater nicht sein leiblicher Vater gewesen sein soll. Anfangs ging das Gerücht um, dass der Masaryk eigentlich ein Jude sei, was in der Causa Hilsner und später im Zweiten Weltkrieg gegen ihn verwendet wurde. In einem aktuellen Buch über den ersten Präsidenten ist dann eine neue Theorie aufgetaucht, und zwar dass Masaryks Vater eigentlich Kaiser Franz Josef gewesen sei. Aber das gehört irgendwie zur Sensation, die Masaryk bis heute umgibt.“