Literarischer Stadtbummel durchs nächtliche Prag

Anja Geislerova (Foto: Renate Zöller)

"Nehmen sie ihren kleinen Liebling mit auf einen Spaziergang durch Prag", so lautet das Motto der ersten Prager Literaturnacht mit der das Tschechische Zentrum Prag seinen Einstand feierte. Gemeint war nicht der Schoßhund, sondern ein Buch. Tatsächlich haben sich eine Menge Leute zum nächtlichen Spaziergang aufgemacht, um an ungewöhnlichen Prager Orten die Werke von Schriftstellern aus den 18 Ländern der Welt, in denen tschechische Zentren vertreten sind, zu hören. Renate Zöller hat sich unter die Literaturhungrigen gemischt.

Jaroslav Rudis
Eine Freundin bringt Halslutschtabletten vorbei, jemand hat schon eine Dose Bier spendiert um die Stimme geschmeidig zu halten, trotzdem lässt sie langsam nach und Jaroslav Rudis bittet die Zuhörer am zugigen Eingang der Metrostation Mustek doch bitte näher zu ihm zu rücken. Die Kälte allerdings, die dem Prager Schriftsteller zu Schaffen macht, schreckt die Zuhörer keineswegs ab. Jede halbe Stunde gibt es eine etwa 10minütige Lesung - jeweils lauschen etwa 40 Leute. Jaroslav Rudis sagt:

Anja Geislerova
"Ich bin überrascht wie viele Leute eigentlich kommen. Ich finde das unheimlich spannend, dass so etwas endlich auch in Prag zu sehen ist, nicht nur bei der 'Prager Nacht' in Regensburg, Dresden oder Freiburg. Es gefällt mir total gut und ich hoffe, dass sie auch nächstes Jahr wieder stattfindet, diese 'Literatur live', auf der Straße, in der U-Bahn und in der Kirche - überall, wo die Literatur nicht so oft zu hören ist."

Jaroslav Dusek
Das ist zum Beispiel in einer Gruft unter dem Museum für Bildende Kunst, in einer kleinen Kapelle in einer Rotunde oder - wohl der spektakulärste Ort - in einem Kabeltunnel viele Meter unterhalb der Metropole. Nicht nur die neun Orte ziehen Neugierige an, auch die Vortragenden, unter anderem bekannte Schauspieler, Anja Geislerova, Jaroslav Dusek oder Jan Budar. Im Klub Lavka, wo Jaroslav Dusek liest, ist der Saal voll. Dusek macht die Sache großen Spaß.

Das könnte es jedes Jahr gleich mehrmals geben, erklärt er. Und das Gefühl dürften auch die meisten literaturhungrigen Nachtschwärmer haben. Das Programm war so abwechslungsreich, dass die Zeit zu kurz schien. Ein bisschen eintönig war es höchstens für die Künstler selbst, die immer wieder das Gleiche lesen mussten. Anja Geislerova jedenfalls war ihrer Texte um 21 Uhr schon müde und sang deshalb zur Abwechslung auch noch ein Lied aus ihrer Kindheit für sich und ihre Gäste.

Fotos: Renate Zöller

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