Multikinos gewinnen an Bedeutung
Kinokomplexe mit mehreren Sälen waren bis vor einigen Jahren in Tschechien nicht bekannt. Dass dem inzwischen nicht mehr so ist, zeigt die Tatsache, dass in Prag im vergangenen Jahr 2 von 3 Kinobesuchern ein sogenanntes Multikino aufsuchten und der Ertrag dieser Komplexe am Gesamtertrag der Filmprojektionen 75 % ausmachte. Allerdings handelt es sich vorläufig um ein Grossstadtphänomen, denn landesweit lag der Besucheranteil von Multikinos nur bei 30 %. Hören Sie dazu den folgenden Beitrag von Rudi Hermann.
Der moderne Mensch ist super, hyper und multi. Eingekauft wird heute nicht mehr im Laden um die Ecke, sondern im Supermarkt, und wem auch dieser zu eng geworden ist, der sucht einen der Hypermärkte auf, die ursprünglich vor allem an der Grossstadtperipherie entstanden sind, aber inzwischen auch in die Stadtzentren zu drängen beginnen. Und analog zu den Einkaufsgewohnheiten geht man auch nicht mehr ins gute alte Kino, sondern eben in den Kinokomplex. Die Hauptstadt Prag hat schon eine ganze Reihe solcher Multikinos zu bieten, angefangen vom Pionier Galaxie in der südlichen Vorstadt Prag über die Komplexe Hostivar und Cerny Most an der nördlichen Peripherie bis zu den Multikinos Slovansky Dùm und Novy Smichov in der Innenstadt. Und weitere sollen hinzu kommen: das neu eröffnete und sehr erfolgreiche Multikino Novy Smichov, betrieben von der Gesellschaft Ster Century, bekommt demnächst an praktisch gleicher Lokalität Konkurrenz durch eine analoge Einrichtung der Firma Village Cinemas.
Damit dürfte sich der Anteil der Kinogänger, die für ihr Vergnügen einen Komplex mit mehreren Sälen aufsuchen, an der Gesamtzahl der Besucher noch weiter erhöhen. Die Statistiken sprechen eine klare Sprache: 1998 hielten Multikinos in Prag einen Marktanteil von 32% hinsichtlich Besuchsfrequenz und 36% hinsichtlich Ertrag, bis 2000 stiegen diese Werte um je 5 %. Der grosse Sprung erfolgte 2001: 68% aller Kinobesucher wurden in Multikinos registriert, und diese liessen dort sogar 75% des für Kino ausgegebenen Geldes liegen. In Brünn, der zweitgrössten tschechischen Stadt, gab es 1998 noch keine Multikinos, doch inzwischen hat die südmährische Metropole bei den Prozentwerten mit einem Besucheranteil von 79 und einem Ertragsanteil von 86% sogar Prag überflügelt.
Unter die Räder kommen bei dieser Entwicklung diejenigen klassischen Kinosäle, die es verpasst haben, sich ein klares Programmprofil zu geben. In Prag ist eine klare Teilung in Studiokinos und Multikinos schon erfolgt. Das Kino Aero im Stadtteil Zizkov zum Beispiel hat sich als erfolgreiches und anspruchsvolles Alternativkino etabliert, und kleine Säle in der Innenstadt, die Filme spielen, die für Grosskinos nicht rentabel wären, kommen ebenfalls gut über die Runden. Wie lange noch, wird vor allem davon abhängen, was für eine Programmpolitik die Multikinos längerfristig verfolgen. Denn auch sie verfügen über kleine Säle, in denen Filme gespielt werden können, die nicht auf der Kommerzwelle reiten. Die andere Frage ist allerdings, ob Kinogänger, die vom Kino neben einem guten Film auch eine gewisse Atmosphäre erwarten, ihren Fuss überhaupt in einen Kinokomplex setzen würden.