Nachrichten Donnerstag, 12. Oktober, 2000
Von Markéta Maurová
Im AKW Temelin ist die Kettenreaktion ausgelöst worden
In dem südböhmischen Atomkraftwerk Temelin ist am Mittwoch Morgen die nukleare Kettenreaktion ausgelöst worden. In den kommenden zwei Wochen wird der Reaktor auf zwei Prozent Leistung hochgefahren und dabei etwa zwanzig Tests unterzogen, sagte die Leiterin der Atomsicherheitsbehörde in Prag, Dana Drabova.
Gegen den südböhmischen Meiler hatten am Dienstag Politiker in Deutschland und Österreich heftig protestiert. Österreichische Temelin-Gegner kündigten an, ihre Blockade von drei Grenzübergängen nach Tschechien bis kommenden Montag zu verlängern. Sollte jedoch die Blockade am Mittwoch nicht beendet werden, will sich das tschechische Außenministerium an EU-Organe wenden. Dieser Standpunkt des Außenministeriums wurde dem österreichischen Botschafter in Prag, Klas Daudlebski übermittelt.
Der österreichische Kanzler Wolfgang Schüssel lehnt es ab, Polizeikräfte gegen die Demonstranten an der tschechisch-österreichischen Grenze einzusetzen. Er äußerte am Mittwoch seine Enttäuschung über das Vorgehen der tschechischen Seite bei der Inbetriebnahme des AKWs. Er sei bereit, sich mit dem tschechischen Premier Milos Zeman zu treffen, sagte Schüssel. Er lasse sich jedoch keine Bedingungen diktieren, die er nicht erfüllen könne.
Tschechische Regierung wendet sich an die Europäische Kommission
Der Regierungsvorstand hat auf seiner Sitzung in der Nacht auf Donnerstag Außenminister Jan Kavan beauftragt, Unterlagen für Konsultationen mit der Europäischen Kommission in der Sache derBlockade der tschechisch- österreichischen Grenze vorzubereiten. Wie Kavan dem Tschechischen Rundfunk sagte, erwartet er keine sofortige Antwort der Kommission auf die Beschwerde. "Ich bin der Meinung, dass man die Lage nicht dramatisieren und konfrontativ zuspitzen soll. Wir wollen weiterhin gute und freundschaftliche Nachbarschaftsbeziehungen mit Österreich haben. Keine Regierung in der Welt kann aber schweigen, wenn ihre Staatsgrenzen blockiert werden", sagte Kavan. Innenminister Stanislav Gross wurde gleichzeitig beauftragt, nach Wien zu fahren, um dort mit seinem Amtskollegen Ernst Strasser zu verhandeln.
Ministerwechsel im Justizressort
Premier Milos Zeman hat am Mittwoch die Demission des Justizminister Otakar Motejl dem Staatsoberhaupt überbracht. Gleichzeitig schlug er dem Präsidenten vor, Vizepremier Pavel Rychetsky als Justizminister zu ernennen. Vaclav Havel bestätigte während seines Ankara-Besuchs, den Ministerwechsel am kommenden Montag durchführen zu wollen. Rychetsky möchte die Funktion nur für eine Übergangsperiode ausüben.
Aufhebung der Sanktionen gegen Jugoslawien
Das tschechische Kabinett hat auf seiner Sitzung am Mittwoch Wirtschaftssanktionen gegen Jugoslawien aufgehoben. Die Minister hoben die Bestimmung vom Dezember letzen Jahres auf, die den Öl-Export nach Jugoslawien und Kapitalhandel mit diesem Land verbieten. Auch der Flugverkehr wird wiederaufgenommen.
Das Kabinett hat am Mittwoch des weiteren Maßnahmen gebilligt, die die tschechische Gesellschaft zur größeren Toleranz erziehen und die Beziehungen zur Roma-Minderheit verbessern sollen. Mit spezifischen Aufgaben wurden vor allem die Minister für Schulwesen und Kultur beauftragt. Die Regierung verabschiedete des weiteren den Bericht über Verhandlungen mit Österreich über die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter. "Mit Österreich wurde vereinbart, dass es sich um etwa 501 Millionen Schilling handeln soll, die für ungefähr 16 Tausend ehemalige tschechische Zwangsarbeiter bestimmt sind", sagte während der Kabinettssitzung Jindrich Marek von der Presseabteilung des Regierungsamtes.
Präsident Havel erhielt den Ehrendoktortitel der Universität in Ankara
Tschechien und die Türkei haben am Dienstag mehrere Abkommen unterzeichnet. Der tschechische Präsident Vaclav Havel und sein türkischer Amtskollege Ahmet Necdet Sezer unterschrieben in Ankara unter anderem ein Zollabkommen. Havel weilt seit Dienstag zu einem offiziellen Besuch in der Türkei. Bei dem Gespräch zwischen Havel und Sezer wurden unter anderem bilaterale Fragen und die Annährung an die Europäische Union diskutiert. Am Mittwoch Vormittag wurde Vaclav Havel mit dem Ehrendoktortitel der Universität in Ankara für seinen Beitrag im Bereich der Menschenrechte ausgezeichnet.
Britischer Premier unterstützt den EU-Beitritt Tschechiens
Der Regierungsvorsitzende Großbritanniens Tony Blair unterstützt völlig einen schnellen EU-Beitritt der Tschechischen Republik. Er erklärte dies am Mittwoch nach seinem einstündigen Gespräch mit dem tschechischen Premier Milos Zeman. Die beiden Politiker kamen in der Londoner Downing Street zusammen und tauschten sich hauptsächlich über die tschechisch-britischen Beziehungen und die EU-Osterweiterung aus. Blair betonte des weiteren, es sei wichtig, dass die Kandidatenländer, die auf die Erweiterung vorbereitet sind, möglichst bald der EU beitreten und sich an der Diskussion über die Zukunft Europas beteiligen.
Tschechien unterstützt die Errichtung der EU-Friedenskräfte
Die Tschechische Republik unterstützt den Plan der Europäischen Union, europäische Einheiten des schnellen Einsatzes zu bilden. Ein Berater des tschechischen Verteidigungsministers sagte dies am Mittwoch zum Abschluss der zweitägigen Sitzung der NATO-Verteidigungsminister in Birmingham. Er betonte jedoch drei Prinzipien, die eingehalten werden sollen. Tschechien hält es für wichtig, dass sich zu europäischen Sicherheitsfragen auch Länder äußern können, die zwar NATO-, aber keine EU-Mitglieder sind. Beim Aufbau der Streitkräfte soll keine Duplizität zwischen den NATO-Kräften und den neuen Strukturen der EU entstehen. Zum dritten wird betont, dass man eine starke transatlantische Bindung der Streitkräfte erhalten soll.
Schwierigkeiten mit der Auszahlung der Entschädigung an NS-Zwangsarbeiter
Der tschechische Sonderbotschafter für NS-Zwangsarbeiter, Jiri Sitler, hat sich irritiert über die Aussage der deutschen Wirtschaft gezeigt, die zugesagten fünf Milliarden Mark zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter nicht aufbringen zu können. "Ich möchte daran erinnern, dass die schweizerischen Banken 1,2 Milliarden US-Dollar aufgebracht haben", sagte Sitler am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Die bisher eingegangenen Zahlungen stagnieren bei 3,2 Milliarden Mark. Der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, hatte der "Financial Times Deutschland" am Mittwoch gesagt, die Wirtschaft schaffe es ohne die Unternehmen des öffentlichen Sektors nicht, ihre Verpflichtung zu erfüllen.
Wetter
Abschließend der Wetterbericht. Am Donnerstag soll es bewölkt sein, mit örtlichem Nebel oder Nieselregen muss gerechnet werden. Die Nachttemperaturen liegen zwischen 11 und 7 Grad, die Tageshöchstwerte erreichen 13 bis 17 Grad Celsius.