Nachrichten Freitag, 09. April, 1999

Zunächst die aktuellen Meldungen zum KONFLIKT IN JUGOSLAWIEN, der auch in Tschechien weiterhin das politische und öffentliche Leben bestimmt:

TSCHECHISCHE REGIERUNG RUFT SONDERSITZUNG ZUR KOSOVO-KRISE EIN

Die tschechische Regierung wird sich auf einer Sondersitzung am Sonntag mit der Situation in der südserbischen Provinz Kosovo und daraus folgend mit weiteren Möglichkeiten zur Gewährleistung von humanitärer Hilfe für die aus dieser Provinz Vertriebenen befassen. Aussenminister Jan Kavan sagte diesbezüglich am Donnerstag vor Journalisten, dass sich das Kabinett nach seiner Sondersitzung mit Sicherheit an das Parlament wenden werde mit dem Antrag zur Bewilligung weiterer finanzieller Mittel zur humanitären Hilfe für die leidgeprüfte Bevölkerung des Kosovo. Kavan zufolge wird sich das Kabinett am Sonntag auch mit den Möglichkeiten zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen aus der Kosovo-Provinz auf tschechischem Boden befassen. Nach Meinung des Aussenministers könnte die Tschechische Republik bis zu 5000 Vertriebene aufnehmen. Kavan betonte, dass für die gegenwärtige Regierung des Landes "die massive humanitäre" Hilfe Priorität besitze. Der Chef der tschechischen Diplomatie erklärte zudem, dass es bisher von seiten führender NATO-Vertreter noch keine Anfrage bezüglich der tschechischen Haltung zu einem möglichen Einsatz von Bodentruppen im Kosovo gegeben habe und die Allianz die Tschechische Republik ebensowenig um deren mögliche Teilnahme daran ersucht habe.

Auch der Direktor der Organisation zur Hilfe von Flüchtlingen 'OPU), Pavel Tychtl, bezeichnete am Donnerstag die Aufnahme von 4500 bis 5000 Flüchtlingen aus dem Kosovo in Tschechien als real.

VIZEPREMIER LÁNSKÝ ÜBERGAB TEIL DES FELDLAZARETTS FÜR ALBANIEN

Zu einem bereits seit Oktober geplanten Besuch in Albanien weilte der tschechische Vizepremier Egon Lánský von Mittwoch bis Freitag morgens in Tirana. Bei dieser Gelegenheit hat er der albanischen Regierung die ersten Ausrüstungsgegenstände des Feldlazaretts übergeben, dessen Entsendung nach Albanien am Mittwoch von der tschechischen Regierung gebilligt worden war. Albaniens Präsident Rexhep Mejdani bezeichnete nach seinem Treffen mit Lánský am Donnerstag vor Journalisten den Besuch des tschechischen Vizepremiers als einen wichtigen Ausdruck für die Unterstützung des albanischen Volkes bzw. der in dieser Region lebenden Menschen. Mejdani würdigte das humanitäre Geschenk der Tschechischen Republik in Form des Feldlazaretts und fügte hinzu, dass sein Land jetzt dankbar sei für jeden Beitrag, der Albanien hilft bei der Bewältigung der schwierigen humanitären Situation, die durch den rapiden Zustrom der aus dem Kosovo vertriebenen Albaner entstanden ist. Laut Mejdani sei deren Anzahl inzwischen auf über 300.000 angestiegen.

ODS-CHEF KLAUS GIBT NATO TEILSCHULD AN VERTREIBUNG IM KOSOVO

Der Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses und Chef der Demokratischen Bürgerpartei 'ODS), Václav Klaus, hat in einem für die Tageszeitung "Lidové noviny" gewährten und am Donnerstag veröffentlichten Interview eingeräumt, dass die NATO eine Teilschuld an der massenhaften Vertreibung der Kosovo-Albaner habe. "Aus den Informationen, die ich habe, geht hervor, dass die massenhafte Vertreibung der Kosovo- Albaner erst nach dem Angriff der Allianz begonnen habe," sagte Klaus gegenüber dem Blatt. Klaus räumte in dem Gespräch des weiteren ein, dass die Situation im Kosovo eine verzweifelte war, seiner Meinung nach aber eine andere als jene, die jetzt nach dem massiven Angriff der Serben auf die Kosovo-Albaner entstanden ist.

Die von Václav Klaus getätigten Aussagen bezeichneten der stellvertretende Vorsitzende der Freiheitsunion Vladimír Mlynár und ein Vertreter der Stiftung des Tschechischen Fernsehens "Menschen in Not" als Skandal. Mlynár verwies darauf, dass die Abgeordneten seiner Partei deshalb auf der nächsten Sitzung der unteren Parlamentskammer einen Vorschlag zur Beschlussfassung vorlegen werden, der vorsieht, dass sich das tschechische Abgeordnetenhaus von den Äusserungen seines Präsidenten distanziert. Der ehemalige Verteidigungsminister und jetzige Abgeordnete der Freiheitsunion Michal Lobkowicz lie3 verlauten, dass Klaus sein Festhalten an der Funktion des Abgeordnetenchefs ernsthaft überdenken sollte, wenn er weiterhin solche Aussagen wie in dem für die "Lidová noviny" gewährten Gespräch machen will. Soweit zum Konflikt auf dem Balkan und nun weitere Meldungen:

SPD-CHEF SCHARPING KOMMT ALS GAST ZUM CSSD-PARTEITAG

Der stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Verteidigungsminister der Bundesregierung Rudolf Scharping wird am Samstag als Ehrengast auf dem Parteitag der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei in Prag erwartet. Trotz seiner in diesen Tagen aussergewöhnlichen Inanspruchnahme bei der Bewältigung der Kosovo-Krise und der damit verbundenen NATO-Aktionen, in die die Bundeswehr sowohl militärisch als auch humanitär stark eingebunden ist, wird Scharping die Reise in die Tschechische Republik antreten, sein Programm aber aus den genannten Gründen um die Hälfte reduzieren. Bereits am Freitag wird der stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, Heinz Fischer, als Gast der tschechischen Sozialdemokraten in der tschechischen Hauptstadt erwartet.

HOHE AUSZEICHNUNG FÜR CHEF DER TSCHECHISCHEN ANWALTSKAMMER

Der Präsident der tschechischen Anwaltskammer Martin Foukal wird am Freitag für seine Verdienste um die Republik Österreich durch seinen österreichischen Amtskollegen Georg Weissmann mit dem Gro3en Silbernen Ehrenorden ausgezeichnet. Dies teilte der Sekretär der tschechischen Anwaltskammer Václav Andrle am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur CTK mit.

KROATIENS WIRTSCHAFTSMINISTER KOMMT NACH PRAG

Zu einem dreitägigen Besuch in Tschechien wird der kroatische Wirtschaftsminister Nenad Porges am Sonntag in Prag erwartet. Die Verhandlungen mit Premier Milos Zeman und seinem tschechischen Amtskollegen Miroslav Grégr sind dabei die Höhepunkte seines Besuchs, teilte die Presseabteilung des tschechischen Wirtschaftsministeriums am Donnerstag gegenüber CTK mit.

TSCHECHISCH-SLOWAKISCHE KOOPERATION

Die Tschechische Republik will dem Problem der Finanzierung eines Wohnungsfonds ausweichen, während die Slowakische Republik schon längst ein Gesetz zur Bildung des Wohnungsfonds verabschiedet hat. Die angeführte Problematik war nur eines der zentralen Themen der Gespräche, die der tschechische Minister für regionale Entwicklung Jaromír Císar am Donnerstag in Prag mit dem slowakischen Minister für Aufbau und Öffentlichkeitsarbeit István Harna geführt hat. Bereits am Mittwoch verabschiedete das Zeman-Kabinett die Vereinbarung zwischen den Regierungen der Tschechischen und Slowakischen Republik über die Statuten der Kommission, die zur Klärung der noch ausstehenden Eigentumsfragen zwischen der Tschechischen und der Slowakischen Republik nach dem Zerfall der Tschechoslowakei eingesetzt wird.

TSCHECHIEN WIES GERINGSTE BEFÜRWORTUNG DES NATO-BEITRITTS AUF

Mit dem im März vollzogen NATO-Beitritt Tschechiens, Polens und Ungarns waren den Erhebungen von führenden Meinungsforschungsinstituten in den drei Beitrittsländern zufolge nur 49 Prozent der Bürger in der Tschechischen Republik, demgegenüber aber 60 Prozent der Bürger Polens und 61 Prozent der Bürger Ungarns einverstanden. Gegen den NATO- Beitritt waren in Tschechien 22 Prozent, was einer doppelt so gro3en Ablehnung als der in Polen und Ungarn entspricht. Diese Ergebnisse wurden am Donnerstag von der Nachrichtenagentur CTK veröffentlicht.

Und hier die Wettervorhersage:

Am Freitag beeinflusst ein Hochdruckausläufer von Westen her das Wetter in der Tschechischen Republik. Es wird heiter bis bewölkt sein, vereinzelt ist mit Regenschauern zu rechnen. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen Werte zwischen 10 und 14 Grad Celsius.

Die weiteren Aussichten: Am Samstag und am Sonntag nimmt der Einfluss des Hochdruckausläufers ab, doch im Verlauf des Sonntags erreicht eine Kaltfront von Nordwesten her die Tschechische Republik. Die Nachttemperaturen bewegen sich zwischen 6 und 2 Grad am Samstag und zwischen 9 und 5 Grad Celsius am Sonntag, die Tageshöchsttemperaturen liegen zwischen 14 und 18 Grad am Samstag und zwischen 11 und 15 Grad Celsius am Sonntag.