Nachrichten Freitag, 09. Juli, 1999
ZEMAN-KABINETT ERLITT ABSTIMMUNGSNIEDERLAGE
Das tschechische Abgeordnetenhaus hat am Donnerstag auf Vorschlag der Regierung die Europäische Sozialcharta ratifiziert, die die Grundauffassung der in den Ländern der Europäischen Union geltenden sozialen Standards repräsentiert. Bei der Abstimmung zur Charta stimmten nicht nur die sozialdemokratischen Abgeordneten für das Dokument, sondern auch die Abgeordneten der Christdemokraten, der Freiheitsunion und der Kommunisten. Dagegen stimmte die große Mehrheit der ODS-Abgeordneten. Ihre ablehnende Haltung begründeten die Vertreter der Demokratischen Bürgerpartei damit, dass die Charta einige Artikel mit einem "allzu sozialistischen Charakter" aufweise. ütunden zuvor war der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf über die Verbrauchssteuer hingegen mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Der Gesetzentwurf sah u.a. eine weitere Erhöhung der Verbrauchersteuern bei Benzin, Zigaretten und Diesel vor. Das sozialdemokratische Kabinett von Ministerpräsident Milos Zeman erlitt dabei in der unteren Parlamentskammer eine deutliche Niederlage, da auch einige Abgeordnete aus den eigenen Reihen gegen die Gesetzesvorlage gestimmt hatten. Das Abgeordnetenhaus lehnte den Regierungsentwurf mit 114 Stimmen bei 186 anwesenden Abgeordneten ab.
REGIERUNG SETZT RESTITUTION AN DIE KIRCHE AUS
Die tschechische Regierung hat auf ihrer letzten Sitzung in der Nacht zu Donnerstag beschlossen, die Rückgabe des verstaatlichten Kircheneigentums einzustellen mit der Begründung, dass über die Fortsetzung der Restitution das Parlament entscheiden müsse. Das teilte Jindrich Marek von der Presseabteilung des Regierungsamtes am Donnerstag gegenüber dem Tschechischen Rundfunk mit. Das Kabinett habe laut Marek somit den Beschluss der Regierung aus dem Jahre 1997 aufgehoben, der die exekutive Herausgabe von kirchlichem Eigentum ermöglichte. Der nächtliche Regierungsbeschluss ist am Donnerstag von den Abgeordneten der konservativen Parteien dahingehend kritisiert worden, dass die Regierung die Verantwortung wieder einmal an das Parlament abschiebe und seine Hände in Unschuld wasche.
TSCHECHIEN - EU: KEINE EINIGUNG IM "ZUCKERSTREIT"
Eine Delegation des tschechischen Landwirtschaftsministeriums hat am Donnerstag im Landwirtschaftsunterausschuss der Europäischen Kommission in Brüssel mit den zuständigen EU-Kommissaren über die Vorschläge der Tschechischen Republik zur Änderung des gegenwärtigen Systems des beiderseitigen Agrarhandels verhandelt. Die tschechische Seite informierte dabei die Europäische Kommission über die Probleme, die die Einfuhr von Zucker aus der EU auf dem Sektor der tschechischen Zuckerindustrie verursache. Deshalb erwäge man geeignete Schutzmaßnahmen gegen den Zuckerimport zu unternehmen, führte der stellvertretende Landwirtschaftsminister Tomás Zídek dazu aus. Die Europäische Kommission zeigte zwar Verständnis für die Probleme, die der Zuckerimport für den tschechischen Markt mit sich bringe, lehnte aber die vorgeschlagene Lösung ab und forderte die tschechische Delegation daher zu einer Fortsetzung der technischen Konsultationen auf.
TSCHECHISCHE EINHEIT BEGINNT AB MONTAG KFOR-EINSATZ
Die Soldaten der tschechischen Aufklärungskompanie, die als Bestandteil der internationalen KFOR-Truppe im Dorf Sibovac im Norden der südserbischen Provinz Kosovo stationiert sind, werden ihren Aufgabenbereich im Rahmen dieser internationalen Friedensmission aller Voraussicht nach bereits am kommenden Montag einnehmen. Sie werden dabei ein Teilstück der Grenze des Kosovo zu Serbien überwachen und die dortige Situation dokumentieren.
Die tschechische Kompanie ist jedoch schon mit den ersten Spuren des kriegerischen Konflikts in dieser südserbischen Provinz direkt konfrontiert worden. Die Einwohner von Sibovac haben keinen ganzen Kilometer vom militärischen Lager der tschechischen KFOR-Einheit eine nichtexplodierte Luft-Boden-Rakete gefunden, die augenscheinlich ihr Ziel verfehlt hatte. In der tschechischen Hauptstadt Prag wiederum werden in der Zeit vom 10. bis zum 31. Juli die sogenannten Kosovo-Märkte stattfinden, deren Erlös die Organisatoren für die Hilfe dieser Balkan-Region spenden werden. Die auf dem Wenzelsplatz stattfindenden Märkte werden von der Stiftung äPrager Kinder" in Zusammenarbeit mit dem tschechischen UNICEF- Ausschuss und der Vereinigung für die Erneuerung und Entwicklung der handwerklichen Traditionen veranstaltet, sagte Petr Bachna von der Stiftung "Prager Kinder" am Donnerstag vor Journalisten.
"PRAVO": SERBIEN WIRD EINEN "HEISSEN SOMMER" ERLEBEN
Die linksliberale tschechische Tageszeitung "Pravo" kommentiert am Donnerstag die Proteste gegen Jugoslawiens Präsidenten Slobodan Milosevic mit folgenden Worten:
"Der serbische Oppositionsführer Zoran Djindjic stellt sich das so vor: In den kommenden zwei bis drei Monaten werden die Menschen auf die Straße gehen, Serbien wird eine Welle des 'zivilen) Ungehorsams und einen Generalstreik erleben, dann wird Slobodan Milosevic gehen. ´Seid tapfer´, rief er bereits den Demonstranten zu u Serbien wird einen ´heißen Sommer´ erleben." Soweit Auszüge aus der "Pravo" vom Donnerstag.
GRULICH: ZAHL DER ILLEGALEN GRENZÜBERTRITTE HAT ZUGENOMMEN
Wie Innenminister Vaclav Grulich das tschechische Parlament am Mittwoch informierte, ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte an der tschechischen Staatsgrenze im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen und hat seit 1989 ein neues Rekordhoch erreicht. In den vergangenen zehn Jahren überschritten insgesamt 181.000 Personen illegal die tschechische Grenze oder versuchten dies zumindest. Allein im vergangenen Jahr wurden 41.000 illegale Grenzübertritte gezählt. Besorgniserregend sind nach Angaben des Ministers zudem die zunehmenden Aktivitäten organisierter Schleuserbanden.
UNWETTER HABEN IN TSCHECHIEN VIER TODESOPFER GEFORDERT
In Tschechien haben die Unwetter seit Wochenbeginn mindestens vier Todesopfer gefordert. Das berichtete die Tageszeitung "Pravo" am Donnerstag. In der Nähe der mittelböhmischen Stadt Kolin wurde eine 25jährige Frau am Montag von einem Ast erschlagen. Bei der nordböhmischen Stadt Liberec/Reichenberg ertrank am Dienstag ein 34jähriger Mann, nachdem er mit seinem Fahrrad in einen Fluss gestürzt war. Aufgrund schlechter Sicht war es am Dienstag zwischen den nordböhmischen Orten Most und Litvinov zu einem schweren Verkehrsunfall gekommen, bei dem zwei 20jährige Männer starben. In der Region um die westböhmische Stadt Plzen/Pilsen waren zahlreiche Gemeinden am Donnerstag immer noch ohne Strom, da orkanartige Winde die Leitungen zerrissen hatten. In Mähren stiegen die Pegelstände mehrerer Flüsse an. Die Meteorologen sagten am Donnerstag weitere Regenfälle voraus und warnten vor Hochwasser. Zu Wochenbeginn hatten Unwetter vor allem in Westböhmen erhebliche Schäden angerichtet.
Und hier die aktuelle Wettervorhersage:
Am Freitag strömen kühlere Luftmassen von Nordosten her durch die Tschechische Republik. Tagsüber wird es größtenteils bewölkt bis bedeckt sein, örtlich kann es zu Schauern kommen. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen Werte zwischen 18 und 22 Grad Celsius.
Die weiteren Aussichten: Am Samstag und Sonntag nehmen die Bewölkung etwas ab und die Temperaturen wieder etwas zu. Die Nachttemperaturen bewegen sich zwischen 16 und 12 Grad, die Tageshöchstwerte liegen zwischen 20 und 24 Grad Celsius.
Das waren die Meldungen.