Nachrichten Samstag, 27. März, 1999

REAKTIONEN ZUM KOSOVO-KONFLIKT

Als unumgänglich sieht der Tschechische Helsinki-Ausschuss die militärischen Operationen der NATO gegen Jugoslawien an. Gleichzeitig ruft er die tschechische Regierung dazu auf, dass sie das gewalttägige Belgrader Regime eindeutiger verurteile und aktiv für die Verteidigung der Menschenrechte auch in Situationen eintrete, wenn es erforderlich ist, dieses Recht mit bewaffneten Aktionen der internationalen Gemeinschaft zu schützen. In der Erklärung, die der Tschechische Helsinki- Ausschuss am Freitag der Nachrichtenagentur CTK zur Verfügung stellte, heisst es ausserdem, dass "das Eingreifen der NATO- Streitkräfte zum Stoppen der schon verlaufenden humanitären Katastrophe und der sich fortsetzenden bewaffneten und ethnisch ausgerichteten Gewaltanwendung praktisch zur einzigen Möglichkeit wurde, die der demokratischen Welt nach dem Misserfolgen der Diplomaten verblieb".

Wie ein Mitarbeiter des tschechischen Komitees der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte 'IHF) am Freitag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur 'dpa) in Prag berichtete, ist es am Freitag morgen zu einer neuen Offensive der serbischen Armee gekommen. Nach der zweiten NATO-Angriffswelle habe es in mehreren Dörfern an der Grenze zu Mazedonien serbische "Vergeltungsaktionen" und Liquidierungen gegeben, sagte der Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation weiter aus. Er bestätigte zudem Berichte, nach denen es bereits am vergangenen Montag und Dienstag zumindest im Süden des Kosovos eine Offensive der serbischen Armee gegeben habe. Spezialeinheiten hätten dort mit schwerem Gerät ganze Dörfer vernichtet und die Einwohner vertrieben oder männliche Bewohner getötet.

Zudem hätten Angehörige des serbischen Geheimdienstes mit der systematischen Verfolgung von Menschenrechtlern begonnen. Er habe Informationen, dass mehrere Rambouillet-Unterhändler der Kosovo-Albaner sowie Mitglieder der UCK-Kommando-Ebene liquidiert oder verschwunden seien, sagte der IHF-Mitarbeiter gegenüber dpa.

Der tschechische Premier Milos Zeman würdigte in einem Gespräch für die Tageszeitung "Mladá fronta Dnes", dass die stärkste Oppositionspartei im Lande, die Demokratische Bürgerpartei 'ODS) einen ähnlichen Standpunkt zu den Luftangriffen der NATO gegen Jugoslawien habe wie die vom ihm geführte Regierungspartei der tschechischen Sozialdemokraten und dass die ODS aus diesem Ereignis "kein politisches Kapital schlage". Zeman bezeichnete in der Freitagausgabe des Blattes die offiziellen Standpunkte der sozialdemokratischen Regierung und der ODS als ausgewogen.

Der Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses und ODS- Chef Vaclav Klaus drückte am Freitag im Namen seiner Partei das Bedauern über die menschliche Tragödie in Jugoslawien aus und fügte an, dass die ODS mit Betretenheit auf die kriegerische Haltung einiger tschechischer Politiker und Journalisten schaue. Als skandalös und unannehmbar bezeichnete daraufhin das Mitglied des Ausschusses für Verteidigung und Sicherheit sowie für europäische Integration im tschechischen Abgeordnetenhaus, Michal Lobkowicz, die Äusserungen von Premier Zeman und ODS- Chef Klaus zur gegenwärtigen Situation in der südserbischen Provinz Kosovo. "Es ist dies die Schwejksche Klügelei und Feigheit," sagte Lobkowicz, der Ex-Verteidigungsminister im damaligen Tosovský-Kabinett, gegenüber der Nachrichtenagentur CTK.

Die NATO nutzt bei ihrem Einsatz gegen Ziele in Jugoslawien auch den tschechischen Luftraum. Bei den Maschinen handele es sich jedoch nur um unbewaffnete Tankflugzeuge, teilte Ales Pospisíl, der Sprecher des tschechischen Aussenministeriums am Freitag in Prag mit. Er kündigte an, dass sich die tschechische Regierung in den kommenden Tagen "konzeptionell" mit dem Überflug der NATO-Maschinen befassen wolle. Tschechien ist seit dem 12. März Mitglied im Bündnis, beteiligt sich aber nicht am derzeitigen Einsatz.

Nahezu die Hälfte der Bürger der Tschechischen Republik, konkret 48 Prozent, hat sich einer Blitzumfrage der Agentur Factum zufolge gegen die Militäraktionen der NATO gegen Jugoslawien ausgesprochen. Eine analoge Umfrage des Meinungsforschungsinstituts STEM vom Donnerstag erbrachte eine ablehnende Haltung von 40 Prozent der Befragten zu den NATO- Angriffen. Beide Umfragen ergaben, dass die Luftangriffe der NATO demgegenüber von 36 bzw. 35 Prozent der tschechischen Bürger befürwortet werden, während der restliche Teil der Befragten sich zu keiner klaren Meinung durchringen konnte.

Die Tschechische Armee könnte an den Kämpfen im Kosovo schon deshalb nicht teilnehmen, da sie dafür technisch nicht vorbereitet sei. Diese Meinung führte die konservative Tageszeitung "Lidové noviny" in ihrer Freitagausgabe mit dem Verweis auf Militärexperten an. Die Schwächen der tschechischen Armee seien deren Luftwaffe und unzulängliche Kommunikationssysteme, die bei einem direkten militärischen Eingreifen keine Kompatibilität zur Nachrichtentechnik der anderen NATO-Truppen herstellen würden, hie3 es weiter in dem Blatt.

In der Nacht vom Samstag zum Sonntag wird erneut die mitteleuropäische Sommerzeit eingeführt. Dabei werden die Uhren um 2 Uhr nachts auf drei Uhr vorgestellt, so dass sich das kommende Wochenende um eine Stunde verkürzen wird.

Das waren die Meldungen.