Nachrichten Sonntag, 27. Februar, 2000
RADIO PRAG -- NACHRICHTEN -- 27.02.2000 -- 10 Uhr
Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zum deutschsprachigen Programm von Radio Prag. In der folgenden halben Stunde hören Sie die Nachrichten und im Anschluss daran neue Beiträge aus der Reihe unserer beliebten Wochenendrubriken. Am Mikrofon begrüßt Sie Lothar Martin.
Zunächst die Nachrichten:
Kühnl: Freiheitsunion muss reale Gefahr für ODS im Wahlkampf werden
Die oppositionelle, rechtsorientierte Freiheitsunion muss den Worten ihres amtierenden Vorsitzenden Karel Kühnl zufolge nach der Republikversammlung eine reale Gefahr für die Demokratische Bürgerpartei (ODS) im Kampf um die konservativen Wähler werden und den in Tschechien regierenden Sozialdemokraten gleichzeitig signalisieren, dass es ihnen auch in den nächsten zwei Jahren nicht gelingen wird, die Freiheitsunion in die Fänge der sozialistischen Regierung zu kriegen. "Wir sind eine Oppositionspartei, und wir verhalten uns entsprechend, ansonsten sind wir nicht vertrauenswürdig und werden dies selbst als Regierungspartei nicht sein," sagte Kühnl am Samstag gegenüber den Delegierten des zweitägigen Parteitages der Freiheitsunion in Brno/Brünn. Kühnl räumte jedoch ein, dass sich das Einhalten des Parteiprogramms für die Freiheitsunion nicht ausreichend in der Wählergunst, die sich derzeit um die 12 Prozent bewegt, niederschlage. Die Gründe sieht Kühnl im bisher noch nicht geschlossenen Auftreten der Partei seit ihrer Gründung vor zweieinhalb Jahren. Neben Karel Kühnl kandidiert Vladimír Mlynár für den Parteivorsitz, über den am Sonntag bei der Wahl des neuen Parteipräsidiums entschieden wird. Nach dem vorzeitigen Rücktritt von Jan Ruml hatte Kühnl zum Ende des letzten Jahres lediglich kommissarisch die Funktion des Parteivorsitzenden übernommen.
ODS-Chef Klaus sieht in ODS und Freiheitsunion zukünftige Partner
Die Bürgerlichen Demokraten (ODS) und die Freiheitsunion (US) sind sich nach Ansicht des ODS-Vorsitzenden Václav Klaus ideologisch und wertemäßig näher als sie es zu jedweder anderen Partei sind. Die Überzeugung, dass diese beiden Parteien früher oder später Partner werden müssen, drückte Klaus in seiner für den an diesem Wochenende stattfindenden Parteitag der Freiheitsunion ausgearbeiteten Ansprache aus, die in der Samstagausgabe der tschechischen Tageszeitung "Lidové noviny" veröffentlicht wurde. Der ODS-Chef nimmt jedoch nicht am US-Parteitag in Brünn teil, da er - in Anspielung der von seiner Partei durchgeführten Tolerierung der sozialdemokratischen Minderheitsregierung - von der Führung der Freiheitsunion wieder ausgeladen wurde mit der Begründung, dass er keine oppositionelle Partei vertrete. Die in seiner Ansprache getätigte Aussage betreffs der zukünftigen Partnerschaft zwischen ODS und Freiheitsunion betrachtet der Vizechef der Regierung und der Sozialdemokraten, Vladimír Spidla, als unangemessen. Seiner Meinung nach sind für die demokratische Politik die Wahlen der entscheidende Augenblick, da hier die Karten in der Politik für einen weiteren Zeitraum neu gemischt werden. "Und für die nächsten Wahlen sind alle Fragen offen," sagte Spidla am Samstag gegenüber der Nachrichtenagentur CTK.
Geringes Interesse bei Demonstration gegen Kommunismus und Totalität
Nur rund 600 Menschen nahmen an der am Freitag auf dem Prager Wenzelsplatz von der Bürgervereinigung "Danke, ihr könnt gehen" veranstalteten Kundgebung "Antiúnor 1948" (Antifebruar 1948) teil, die anläßlich des 52. Jahrestages der kommunistischen Machtübernahme in der damaligen Tschechoslowakei gegen den Kommunismus und das totalitäre Regime gerichtet war. Der Vertreter der Bürgervereinigung, Josef Broz, sagte gegenüber den Demonstranten u.a., dass "eine schleichende Diktatur etwas ist, was auch in der Demokratie anzutreffen ist" und verwies damit eindeutig in Richtung der beiden größten tschechischen Parteien, der CSSD und der ODS, die mit ihrem sog. Oppositionsvertrag lediglich ihre Machtposition aufrecht erhalten wollen. Gleichzeitig gedachten die Teilnehmer der Kundgebung des ehemaligen Studenten Jan Zajíc, der sich vor 31 Jahren aus Protest gegen die Passivität der Bürger und die einziehende Normalisierung nach der Okkupation der damaligen Tschechoslowakei durch die Warschauer Paktstaaten auf dem Wenzelsplatz verbrannt hatte. Eine weitere, von der rechtsextremistischen Heimatfront und der Nationalen Allianz geplante, aber nicht genehmigte Demonstration wurde von der Prager Polizei verhindert. Gleichzeitig wurden der Vorsitzende der Nationalen Allianz Vladimír Skoupý, der wegen der Propagierung des Faschismus bereits früher verfolgt wurde, und dessen Sinneskumpan Zbynek Rais auf dem Wenzelsplatz festgenommen. Gegen die Verbreitung von Faschismus und Gewalt demonstrierten zudem am Samstag 400 junge Leute im mährischen Otrokovice. An der Spitze ihres Demonstrationszuges trugen sie ein Transparent, das gegen die vom Vorsitzenden der FPÖ Jörg Haider betriebene Politik gerichtet war.
Tschechische Polizei sucht Urheber von rassistischem Computerspiel
Die tschechische Polizei fahndet nach den Autoren eines rassistischen Internet- Computerspiels, bei dem "möglichst viele Zigeuner" erschossen werden sollen. Das Spiel sei nach der "Maticní-Straße" in der nordböhmischen Stadt Ústí nad Labem/Aussig benannt, in der im vergangenen Herbst ein Roma-Viertel mit einer umstrittenen Mauer von der anwohnenden Bevölkerung abgetrennt worden war, berichtete die tschechische Tageszeitung "Lidové noviny" am Freitag. Die Mauer war nach internationaler Kritik nach sechs Wochen abgerissen worden. Ein Polizeisprecher sagte, es gebe nur geringe Chancen, die Urheber des rassistischen Computerspiels zu finden.
Einmal Gold und zweimal Silber für tschechische Athleten bei Hallen-EM
Am ersten Tag der Leichtathletik-Hallen-Europameisterschaft im belgischen Gent gewannen tschechische Sportler drei Medaillen. Im Siebenkampf der Herren errangen Tomás Dvorák und Roman Sebrle einen Doppelsieg, während Zuzana Hlavonová mit dem tschechischen Hallenrekord von 1,98 m im Hochsprung der Damen die Silbermedaille erkämpfte. Zehnkampf- Weltrekordler Dvorák wiederum erzielte bei seinem Sieg mit 6424 Punkten einen neuen Europarekord.
Tschechische Philharmonie gab Konzert zu Ehren von Hans Krasa
Die Tschechische Philharmonie mit Chefdirigent Vladimir Ashkenazym gab am Freitag Abend im Prager Rudolfinum mit der Symfonie für ein kleines Orchester von Hans Krasa ein Gedenkkonzert zu Ehren des 100. Geburtstages des deutsch sprechenden Prager Komponisten, der in der Blütezeit seines Lebens in einem nazistischen Konzentrationslager umgekommen ist.
Und abschließend die Wetteraussichten:
Am Sonntag zieht das über Mitteleuropa liegende Hochdruckgebiet weiter ostwärts. Tagsüber wird nahezu wolkenlos bis heiter sein, morgens und am Vormittag ist örtlich mit Frühnebel oder diesiger Bewölkung zu rechnen. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen Werte zwischen plus 5 und plus 9 Grad Celsius. Die weiteren Aussichten: Am Montag und Dienstag wird sich das Hochdruckgebiet über Mitteleuropa noch weiter nach Südosten verlagern. Es wird nahezu wolkenlos bis heiter sein, morgens treten örtlich Frühnebel auf. Die Nachttemperaturen bewegen sich um den Gefrierpunkt in der Nacht zum Montag und zwischen plus 5 und plus 1 Grad in der Nacht zum Dienstag. Als Tageshöchstwerte werden 7 bis 11 Grad am Montag und 6 bis 10 Grad Celsius am Dienstag erwartet.
Das waren die Meldungen. Hören Sie nun wieder neue, interessante Beiträge, die wir für Sie im Regionaljournal und im "Spaziergang durch Prag" zusammengestellt haben. Ich wünsche Ihnen dazu gute Unterhaltung und einen ungestörten Empfang.