Nedomanský: Ich weiß Aufnahme in Hall of Fame sehr zu schätzen

Václav Nedomanský (Foto: ČTK / AP / Nathan Denette)

Am Montag dieser Woche waren die Augen vieler Eishockeyfans nach Toronto gerichtet. Denn da wurden in der kanadischen Millionenstadt vier ehemalige Spieler und zwei Funktionäre in die Hockey Hall of Fame aufgenommen. Unter ihnen war mit Václav Nedomanský auch ein Tscheche.

Václav Nedomanský  (Foto: ČTK / AP / Nathan Denette)
Wenn in der Filmbranche Schauspieler oder Regisseure für ihr Lebenswerk geehrt werden, dann ist dies wie ein Ritterschlag. Im Sport ist es ähnlich. Dort werden erfolgreiche Akteure nach dem Abschluss ihrer Karriere als Spieler oder Trainer in die Ruhmeshalle, die sogenannte Hall of Fame aufgenommen. Im Eishockey haben besonders gute Ex-Sportler gleich mehrfach die Chance, darin verewigt zu werden: in der Hall of Fame des nationalen Verbandes, des Weltverbandes und nicht zuletzt der National Hockey League (NHL). Die letztgenannte Ruhmeshalle wird dabei als Nonplusultra angesehen, gilt die nordamerikanische NHL doch schon seit Jahrzehnten als die beste Liga der Welt. Und in ihre Hall of Fame ist nach Torhüter Dominik Hašek mit Václav Nedomanský nun der zweite Tscheche eingezogen.

Václav Nedomanský wurde 1944 im südmährischen Hodonín / Göding geboren. Der 75-Jährige lebt heute in Kalifornien. Während seiner aktiven Zeit als Spieler war er ein außergewöhnlich starker Torjäger, egal wo er spielte: in der Liga der Tschechoslowakei, den Profiligen WHA und NHL in Nordamerika oder aber im tschechoslowakischen Nationaldress. Für seine Leistungen in Übersee wurde er am vergangenen Montag mit der Aufnahme in die Ruhmeshalle in Toronto geehrt.

Václav Nedomanský  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Mein gesamtes Leben für das Eishockey hat mich letztlich bis zu diesem Moment geführt, in dem ich unter die besten Vertreter unseres Sports eingereiht wurde. Das weiß ich natürlich sehr zu schätzen. Ich bin bereits in mehreren Ruhmeshallen in Europa zu finden, auch wenn man dies in Tschechien vielleicht gar nicht so wahrnimmt“, sagte ein sichtlich gerührter Nedomanský nach der Zeremonie in Toronto. Und tatsächlich: Der einst hochaufgeschossene und kräftige Mittelstürmer ist bereits Mitglied der tschechischen Hall of Fame in Prag, der slowakischen in Bratislava und des Eishockey-Weltverbandes mit Sitz in Zürich.

Für diese Auszeichnungen hat Nedomanský auch entsprechende Erfolgsbilanzen vorzuweisen. In der Liga der damaligen Tschechoslowakei spielte er ab den 1960er Jahren bis Mitte der 1970er für Slovan Bratislava und markierte in 419 Begegnungen stolze 369 Treffer. Für die Nationalmannschaft schoss er in 220 Länderspielen 163 Tore – das ist bis heute nationaler Rekord. Mit der Auswahl wurde er 1972 in Prag Weltmeister, zudem erkämpfte er bei sieben weiteren Titelkämpfen noch vier silberne und drei bronzene Medaillen. Bei den Olympischen Spielen 1968 in Grenoble und vier Jahre später in Sapporo gewann er ebenfalls Silber beziehungsweise Bronze.

Dominik Hašek  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Einer, der Nedomanský zu dessen aktiver Zeit schon verehrt hat, ist der ehemalige Weltklasse-Goalie Dominik Hašek. Der 54-Jährige hat von 1990 bis 2008 in der NHL gespielt und dort mit seinem unorthodoxen Stil das Torwartspiel geradezu revolutioniert. Für seine außergewöhnlichen Leistungen in 16 Spielzeiten wurde der „Dominator“ bereits vor fünf Jahren – als erster Tscheche – in die Hall of Fame der NHL aufgenommen. Beim Zeremoniell am Montag war Hašek persönlich zugegen. Über seinen Nachfolger sagte er:

„Für seine Leistungen hat er sich die Aufnahme in die Ruhmeshalle von Toronto wirklich verdient. Nedomanský hat seine Klasse überall bewiesen, sowohl auf Vereinsebene als auch auf Ebene der Landesauswahl. Er wurde Weltmeister und ist der beste Torschütze der tschechoslowakischen Nationalmannschaft. Und schließlich hat er dann noch als Über-Dreißigjähriger eine bewundernswerte Karriere in Nordamerika hingelegt. Ich freue mich für ihn, dass er nun – wenn auch mit Verspätung – dafür belohnt wurde.“

Václav Nedomanský  (Foto: Archiv Hockey Hall of Fame)
Der WM-Titel 1972 mit der Auswahl der ČSSR in Prag war fraglos der Höhepunkt von Nedomanskýs damaliger Karriere in Europa. Doch dem begnadeten Torjäger war dies nicht genug, er wollte auch im Liga-Alltag seine Kräfte mit den Besten der Welt messen. Das bedeutete, in zumindest einer der damals zwei nordamerikanischen Profiligen zu spielen. Um diesen Traum zu erfüllen, musste er allerdings eine gewagte Entscheidung treffen: aus der kommunistischen Tschechoslowakei zu fliehen. Dieses Wagnis ging er 1974 ein, als er sich mit seiner ersten Ehefrau Věra und seinem dreieinhalbjährigen Sohn Vashi über die Schweiz nach Kanada absetzte. Nedomanský landete in derselben Stadt, in der er am Montag geehrt wurde – in Toronto.

„Das war wie eine Befreiung von dem Druck, der auf mir lag, bevor ich hierher kam. In Toronto war alles anders, vieles war neu für mich. Schon nach einem Monat habe ich in der Eishockeyschule zusammen mit dem großen Bobby Orr trainiert, gegen Mitternacht haben wir öfters eins zu eins gegeneinander gespielt. Ich habe hier mein erstes Haus gekauft, und zwei Monate später wurde uns gesagt, dass wir umziehen.“

Denn sein damaliger Club zog um. Nedomanský spielte zunächst aber nicht bei den berühmten Maple Leafs, sondern für die Toronto Toros – einen Verein aus der Liga WHA, die der NHL in den 70er Jahren konkurrieren wollte. Dazu erläutert Nedomanský:

„Der Club musste die Stadt verlassen, weil er in Toronto keine neue Eishalle bauen konnte. Und die Miete für ein Spiel war so hoch, dass der Verein dies auf Dauer nicht bezahlen konnte. Das Team der Maple Leafs war in der Stadt ein zu starker Konkurrent, und dem war man nicht gewachsen.“

Doch nach knapp vier Spielzeiten, in denen Nedomanský für die Toros und die Birmingham Bulls in der WHA insgesamt 141 Tore schoss, schaffte er im Alter von 33 Jahren auch noch den Sprung in die NHL. Hier spielte er bei den Detroit Red Wings, den New York Rangers und St. Louis Blues. In insgesamt 428 Begegnungen erzielte er dabei 125 Treffer und 283 Scorerpunkte. Auch Dominik Hašek zieht vor diesem Werdegang den Hut:

„Die Geschichte von Václav Nedomanský ist außergewöhnlich. Er musste sich in den 1970er Jahren für seinen Weg entscheiden, einer Zeit, die viel komplizierter war als heute. Er hat sich für die Flucht nach vorn entschieden. Ich selbst hätte diesen Schritt wohl nicht gewagt. Doch das ist schwer zu sagen, jeder von uns lebte als Spieler in einer anderen Zeit. Er aber hat bewiesen, dass dieser Weg der richtige war.“

Allerdings, so ergänzt Nedomanský, war es zu seiner Zeit ein ganzes Stück schwieriger, in der NHL zu bestehen:

„Es war gefährlicher, denn wir spielten noch ohne Helm. Zudem gab es einige Verrückte, die sich nicht davor scheuten, ihrem Gegenspieler auch mal mit dem Schläger ins Gesicht zu stechen. Es war anders, der Eishockeysport aber hat sich weiterentwickelt. Die Spieler sind besser geworden, auch die Torhüter sind besser. Ich schaue mir heute gerne Spiele an, da geht es zügig hin und her.“

Václav Nedomanský  (rechts). Foto: Tschechisches Fernsehen
Nach seiner aktiven Karriere war Nedomanský zunächst als Trainer tätig, und zwar in Schwenningen und in Innsbruck. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs arbeitete er dann als Scout in Europa für die Los Angeles Kings. Landsmann Dominik Hašek ist froh, dass mit Václav Nedomanský nun auch ein Idol aus seiner Kindheit in die Galerie der weltbesten Eishockeycracks aller Zeiten aufgenommen wurde. Dennoch verknüpft Hašek mit dem Namen Nedomanský vor allem eine Szene – sie stammt aus der WM-Partie des Jahres 1972 zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion in Prag:

„Im ersten Drittel laufen Vladimír Martinec und Václav Nedomanský im Scheibenbesitz zu zweit auf einen Gegenspieler zu. Kurz vor dem Gehäuse schirmt Martinec den Puck ab und passt ihn auf seinen Mitspieler zurück. Václav bekommt die Scheibe genau auf seine Vorhand, so dass er mit einem Handgelenkschuss Tretjak im sowjetischen Tor überwinden kann. In diesem entscheidenden Spiel um den WM-Titel im Jahr 1972 hat Nedomanský also das wichtige Führungstor geschossen. Am Ende gewannen unsere Jungs mit 3:2, das ist daher für mich die schönste Erinnerung an Nedomanskýs Fähigkeiten.“

Hašek und Nedomanský haben für immer einen würdigen Platz in der Geschichte des Eishockeysports gefunden. Doch sie werden wohl nicht die letzten Tschechen sein, die in der Hall of Fame der NHL verewigt werden. Mit Patrik Eliáš, der seine Karriere vor drei Jahren beendet hat, und Superstar Jaromír Jágr stehen nämlich die nächsten Anwärter für diese Ehrung schon bereit.

Autor: Lothar Martin
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