Tschechisch-deutsches Studentenaustausch
Von Silja Schultheis.
Bestimmt haben auch Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, in der diesjährigen Vorweihnachtszeit wieder eine ganze Reihe an Spendenaufrufen in Ihrem Briefkasten gefunden und sind auf der Straße häufiger angesprochen worden, ob sie nicht ein paar Mark für einen guten Zweck hätten. Und vielleicht haben Sie sich dabei ja hin und wieder gefragt, ob solche Spenden überhaupt einen Sinn haben oder nicht letztlich - wenn überhaupt, dann doch nur den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein ausmachen. Vielleicht waren Sie ja aber auch schon einmal in der umkehrten Situation und haben erlebt, welche Ideen sich manchmal umsetzen lassen, wenn andere durch eine kleine Spende dabei helfen.
Ein Beispiel für eine solche Initiative, die ursprünglich durch einen kleinen privaten Spendenaufruf ins Leben gerufen wurde und sich inzwischen zu einer gemeinnützigen Organisation entwickelt hat, möchten wir Ihnen heute gerne vorstellen: Die trinationale tschechisch-polnisch-deutsche Stipendiatenorganisation GFPS - Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa, ihre tschechische Partnerorganisation Janua linguarum reserata und den polnischen Partner GFPS-Polska.
Es begann im Jahr 1984. Der Student Georg Ziegler aus Freiburg probierte in seinem Bekanntenkreis Menschen ausfindig zu machen, die bereit wären, polnischen Studenten ein Semesterstudium in der Bundesrepublik mit zu finanzieren. Diese Idee - vor dem damaligen politischen Hintergrund des Kalten Krieges revolutionär - war auf der anderen Seite verblüffend einfach und ist später unter der ebenso einfachen Formel "20x30" in die Geschichte der GFPS eingegangen. Ziegler hatte nämlich ausgerechnet, dass ein polnischer Student ein Semester in Deutschland studieren könnte, wenn sich 30 Leute fänden, die monatlich 20 Mark für ihn spenden.
Die 30 fanden sich, und aus der "Aktion 20x30" entwickelte sich in der Folge eine gemeinnützige Organisation, die jenseits von politischen Richtlinien und allen bürokratischen Hindernissen zum Trotz durch private Spenden und Stiftungsförderung pro Semester mehreren polnischen Studierenden einen Studienaufenthalt in Deutschland ermöglichen konnte, lange bevor die großen Stipendienprogramme der Europäischen Union und des DAAD nach 1989 ins Leben gerufen wurden.
1994 gründeten ehemalige Stipendiaten die polnische Partnerorganisation GFPS-Polska, die seitdem ihrerseits an deutsche Studierende Stipendien für einen Studienaufenthalt in Polen vergibt.
Seit 1998 schließlich wurde eine Partnerorganisation in Tschechien gegründet: Janua linguarum reserata - nach dem gleichnamigen Werk von Jan Amos Komensky. Gründungsmitglied Pavel Slechta erinnert sich rückblickend an ihre Ursprünge:
"Also die Idee kam irgendwie vor 3 Jahren auf. Die Gründer und die meisten Mitglieder von JANUA sind Germanistik-Studenten. Und die Idee war eigentlich, dass es ganz wenig Möglichkeiten gab, ein Stipendium nach Deutschland zu bekommen. Und die andere Sache: nicht nur die Fächer zu studieren, sondern auch mit den deutschen Studenten Kontakt zu haben, die Sprache zu üben. Und da fanden wir es eine sehr interessante Idee, eine solche Organisation zu gründen."
Im Wintersemester 1999/2000 konnten dann neben polnischen Stipendiaten zum ersten Mal auch zwei Tschechen im Rahmen eines GFPS-Stipendiums in Deutschland studieren. Damit sind GFPS, GFPS-Polska und JANUA gemeinsam die erste tschechisch-polnisch-deutsche Stipendienorganisation. Sie organisieren neben der Stipendienvergabe auch gegenseitige Sprachkurse, Foren und Städtetage. In fast allen wichtigen Hochschulstädten Polens und Deutschlands gibt es heute Stadtgruppen der GFPS.
Grund legend für die Zusammenarbeit der drei Partnerorganisationen ist dabei vor allem eins, betont Aneta Domazer, Vorsitzende von GFPS-Polska:
"Aus der Erfahrung weiß ich, dass die persönlichen Kontakte sehr wichtig sind. Und deshalb legen wir sehr großen Wert darauf, diese persönlichen Kontakte zu bilden. Und dabei haben unsere Stipendiaten sehr große Chancen, sich wissenschaftlich zu entwickeln."
In dem persönlichen Kontakt und der Betreuung der Stipendiaten durch Studenten des jeweiligen Gastlandes sieht auch Pavel Slechta eine Priorität, durch die sich GFPS, GFPS-Polska und Janua positiv von anderen Stipendiatenorganisationen unterscheiden:
"Ich denke, dass JANUA es auf persönlichere und menschlichere Weise macht. Beim DAAD bekommt man nur das Geld, und die Kontakte muss man selber schaffen. Aber bei JANUA und GFPS hat der Stipendiat seine Betreuer, der einem die Hauptprobleme lösen und auch Kontakte zu deutschen Studenten herstellen hilft, was eigentlich das wichtigste ist"
Obwohl sich die Organisationen inzwischen gewissermaßen etabliert haben, ist ihre Entwicklung noch keineswegs abgeschlossen.
Aneta Domazer bringt auf den Punkt, was sie bislang noch als weißen Fleck in der Tätigkeit ihrer Organisation betrachtet:
"Jetzt haben wir schon Kooperation zwischen Deutschen und Polen, das funktioniert ganz gut. Die Zusammenarbeit zwischen Tschechien und Deutschland gibt es auch eine gute Zusammenarbeit. Aber wir haben dieses Dreieck, und da fehlt noch etwas: die Zusammenarbeit zwischen Polen und Tschechen.
"Polen und Tschechien sind eigentlich sehr ähnliche Länder. Beide wollen der Europäischen Union beitreten. Aber die Polen wissen eigentlich nichts über die Tschechen. Sogar wenn ich nach Stereotypen frage, können sie nur Bier sagen. Es gibt wenige, die etwas mehr über tschechische Literatur, Geschichte sagen können. Und wir möchten das ein bisschen ändern."
Dabei kam Aneta auf die Ursprungsidee, aus der heraus seinerzeit die GFPS entstanden war, zurück:
"Ich habe mit polnischen Studenten, meinen Freunden, sehr viel darüber gesprochen: wie sehen sie diese Idee, dass wir polnische Stipendien nach CZ schicken. Und sie sagten: 'Naja, Aneta, ganz tolle Idee. Wir haben viele Freunde, die in Prag z.B. studieren möchten.' Aber die Frage ist natürlich wie immer Geld. Und deshalb habe ich meine Freunde, GFPS-Leute, gefragt, ob sie ein bisschen Geld dafür geben könnten. Und ich habe eine Gruppe zusammenbekommen, diese Leute haben gesagt: Naja, wir können monatlich 25 zloty dafür geben. Und alle diese Leute bilden das Stipendium. Also es gibt keine institutionelle Unterstützung. Es sind Menschen, die Kontakte mit Tschechien bauen wollen."
Durch Anetas Initiative kann im kommenden Semester erstmals eine tschechische Studentin in Polen studieren. Gemeinsam mit den Kandidaten für ein Semesterstipendium in Deutschland wurde sie Anfang Dezember im nordböhmischen Usti/Aussig von einer aus Mitgliedern aller drei Partnerorganisationen zusammengesetzten Kommission ausgewählt. Auf der Rückfahrt nach Warschau - via Prag - schilderte mir Aneta im Zug ihre Eindrücke von den tschechischen Bewerbern um ein Stipendium in Polen:
"Ich war sehr zufrieden, weil ich das Gefühl hatte, dass sie sehr großes Engagement haben und die Kontakte zwischen Polen und Tschechen bauen wollen. Und das war die wichtigste Sache für mich." (über Bewerberinnen)
Pavel Slechta betont abschließend noch einen anderen Aspekt, der für ihn während seiner Arbeit im Janua-Vorstand entscheidend war:
"Die wertvollste Erfahrung wäre, dass man als einzelne Person auch etwas allein machen kann. Nicht nur sich irgendwo um ein Stipendium bewerben und denken, dass ein anderer es für mich organisiert. Sondern selber etwas schaffen, selber was organisieren. Die Leute, die die Sprachkurse, das Forum organisiert haben...das ist ein wunderbares Gefühl, wenn alles klappt. Und man kann denken: ja, ich hab dazu beigetragen."