Spion Pablo in Prag: Mutmaßlicher russischer Agent hielt Vorlesungen an Karlsuniversität

Pavel Rubcov / Pablo González

Als Anfang August der großangelegte Gefangenenaustausch zwischen Russland und den westlichen Staaten stattfand, kehrte auch der mutmaßliche Agent Pavel Rubcov nach Russland zurück. Wie nun bekannt wurde, soll er 2018 und 2019 an einer Sommerschule für Journalisten unterrichtet haben, die von der Prager Karlsuniversität organisiert wurde – unter anderem Namen: Pablo González.

Pavel Rubcov wurde 1981 in Russland geboren, als Kind einer spanischen Mutter, die vor der Franco-Diktatur geflohen war. Als sie mit ihm nach Spanien zurückging, bekam der Neunjährige die dortige Staatsbürgerschaft und einen neuen Namen: Pablo González Yagüe. Seit dieser Zeit lebte er im Westen und berichtete später für spanische Zeitungen aus Kriegsgebieten wie Syrien und Bergkarabach, aber auch von der Krim und aus dem Donbass.

Am 27. Februar 2022 und damit nur wenige Tage nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde González an deren Grenze von der polnischen Polizei festgenommen. Der Vorwurf: González, beziehungsweise Rubcov, sei ein russischer Agent und Mitglied des Militärnachrichtendienstes GRU. Sehr wahrscheinlich ist dem Kreml an ihm gelegen, denn Rubcov kam bei dem großangelegten Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen am 1. August frei.

Pablo González  (zweiter von links) | Foto: Gavriil Grigorov,  ČTK/AP

Auf Fernsehbildern ist zu sehen, wie Rubcov – frisch entlassen aus der Untersuchungshaft in Polen – in Ankara lächelnd den russischen Regierungsflieger besteigt. Der bärtige Mann mit der Glatze trägt ein Star-Wars-T-Shirt mit der Aufschrift „Your Empire Needs You“ – „Dein Reich braucht dich“.

In einem Video der Nachrichtenagentur Reuters ist die Ankunft des Flugzeuges am Moskauer Flughafen Wnukowo zu sehen. Russlands Präsident Wladimir Putin schüttelt Rubcov und den anderen Freigelassenen auf dem Rollfeld die Hand. Und er gibt das Versprechen, dass alle einen Staatsorden erhalten sollen.

Wie nun mehrere Medien hierzulande berichteten, hielt sich Pavel Rubcov in der Vergangenheit auch in Tschechien auf. So unterrichtete der Journalist 2018 und 2019 bei einer Sommerschule der Philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität. Die Teilnehmer des Kurses wählte er sogar mit aus. Organisiert wurde der Lehrgang gemeinsam mit der Boris-Nemzow-Stiftung, und die Zielgruppe waren angehende Journalisten. Dass Pablo González auch Pavel Rubcov war und für den Kreml arbeitete, wusste damals niemand. Laut Recherchen des Tschechischen Rundfunks soll Schanna Nemzowa, die Tochter des 2015 getöteten Journalisten und Putin-Kritikers Boris Nemzow, aber spätestens im April 2023 davon gewusst haben. Demnach waren der Gründerin der Boris-Nemzow-Stiftung bei einem Verhör in Polen Rubcovs Reporte vorgelegt worden. Und in denen sollen sich auch Meldungen über die Studierenden des Sommerkurses befunden haben. Äußern wollte sich Nemzowa gegenüber dem Tschechischen Rundfunk dazu vor zwei Wochen jedoch nicht.

Am Sonntag veröffentlichte dann die BBC ein Interview mit Schanna Nemzowa. Seit 2019 habe sie den Verdacht gehabt, dass etwas mit González nicht stimme und er für Russland arbeiten könnte, sagte sie. Ihre Vertrauten hätten den Gedanken aber ausgeschlagen, so die Putin-Kritikerin. Dass die Sommerschule ein Sicherheitsrisiko dargestellt und González die Veranstaltung infiltriert habe, sei allerdings nicht bewiesen, so Nemzowa weiter gegenüber BBC. Zudem betonte sie, dass sie selbst zwar Opfer von Spionage geworden und González definitiv ein Agent gewesen sei, die von ihr gegründete Boris-Nemzow-Stiftung jedoch kein Sicherheitsrisiko für Tschechien darstelle. Außerdem sei gerade sie es gewesen, die dem russischen Oppositionsserver „Agentstvo“ Details über den Agenten verriet, betont die Aktivistin. Fest steht: Über Schanna Nemzowa gelangte Pablo González in die Kreise der russischen Opposition in Europa. Er führte unter anderem Interviews mit wichtigen Putin-Gegnern und berichtete darüber vermutlich an den Kreml.

Seit 2022 wusste zudem der tschechische Inlandsnachrichtendienst BIS über die Machenschaften des Agenten – vermutlich durch Information von den polnischen Kollegen. Die Universität wurde jedoch nicht darüber informiert. Nun plane man allerdings zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen, wie Petra Klusáková, eine Sprecherin der Karlsuniversität, in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte:

„Die Universität bereitet präventive Maßnahmen vor, schult verantwortliche Personen und erstellt Krisenszenarien. Es laufen intern auch Untersuchungen in der Fakultät und an der gesamten Universität, um diesen Fall, der von uns nicht verursacht wurde, aufzuklären.“

Details zu den nun geplanten Vorkehrungen könne man aus Sicherheitsgründen allerdings nicht bekanntgeben, so Klusáková.

Ilja Lemeškin | Foto: Martin Vaniš,  Radio Prague International

2023 gab es im Übrigen Überlegungen zur Einrichtung eines gemeinsamen Studiengangs der Boris-Nemzow-Stiftung und des Akademischen Boris-Nemzow-Zentrums für Russland-Studien, das an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität angesiedelt ist. Einige Universitätsbedienstete sahen dies aber kritisch. So sagte der Linguist im Herbst 2023 bei der Sitzung des Senats:

„Nemzow war natürlich eine bedeutende Persönlichkeit und ein Opfer von Putins Regime. Aus Moskaus Sicht handelt es sich aber um oppositionelle Aktivitäten. Die Karlsuniversität muss mit der Möglichkeit rechnen, dass die russische Seite versucht, hier ihre Leute einzuschleusen. Oder wer weiß, vielleicht ist das ja sogar schon passiert.“

Dass dies tatsächlich schon der Fall gewesen und mit Pablo González auch der Russe Pavel Rubcov an der Universität tätig gewesen war, wusste Lemeškin damals noch nicht.

Autoren: Ferdinand Hauser , Vojtěch Gavriněv , Antonín Viktora
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