Eliska Junkova
Von Kathrin Bock.
Nicht der 100., sondern der 101. Geburtstag soll Anlass dafür sein, Ihnen eine der bekanntesten Tschechinnen des letzten Jahrhunderts vorzustellen: Eliska Junkova. Ende der 20er Jahre feierte sie als Autorennfahrerin triumpfale Erfolge und gilt bis heute nicht nur als schnellste, sondern auch beste Rennfahrerin aller Zeiten. Dabei hatte es Eliska Junkova nicht einfach, entdeckte sie das Autofahren doch zu einer Zeit, als es in der Tschechoslowakei noch als eine Angelegenheit der Snobs verpönt war und Frauen hinter dem Steuer sowieso als etwas Ungeheuerliches angesehen wurden. Doch während ihrer steilen Kariere schaffte es Eliska Junkova ihre Mitbürger vom Gegenteil zu überzeugen - Ende der 20er Jahre war sie eine der beliebtesten und angesehensten Frauen in der Tschechoslowakei.
Geboren wurde Eliska Junkova am 16. November 1900 im mährischen Olomouc-Olmütz. Die ersten 16 Jahre ihres Lebens verliefen ohne besondere Vorkommnisse. Dann begann Eliska eine Ausbildung in einer Bankfiliale. Vielleicht hätte sie ihr Leben als gute und fleissige Bankangestellte verbracht, wäre ihr Chef nicht der damals 22jährige Cenek Junek gewesen. Diese Begegnung war schicksalshaft für das junge Mädchen. Denn es war ihr zukünftiger Gatte, der in ihr die Leidenschaft für schnelle Autos erweckte. Um ihn besser verstehen zu können, legte Eliska 1921 als eine der ersten Frauen in der Tschechoslowakei die Führerscheinprüfung ab. In ihren Anfang der 1970er Jahre erschienenen Memoiren, mit dem Titel "Meine Erinnerung heisst Bugatti", schildert Eliska Junkova ihre Prüfung wie folgt:
"Ich erinnere mich, wie ich eines schönen Tages ( das sagt man natürlich nur so, in Wirklichkeit regente es an dem Tag) meine Führerscheinprüfung machte und auf die Frage, wie schnell man denn fahren dürfe, antworten sollte. Ich antwortete genau nach den Vorschriften: Auf Landstrassen 41 km/h, in der Stadt 15 km/h und in Kurven 6 km/h. Damals habe ich das noch ernst genommen. Aber dann habe ich selber dazu beigetragen, dass diese Geschwindigkeitsgrenzen geändert wurden."Überhaupt sah damals das Leben auf den Landstrassen anders aus als heute. In der Tschechoslowakei gab es im Jahre 1921 genau 4.332 Autos, d.h. auf ein Auto kamen 3.138 Einwohner. Damit lag das Land an 14. Stelle in Europa, zum Vergleich: in Grossbritanien kamen damals auf ein Auto nur 110 Bewohner. Das Auotfahren wurde als ein Luxus der oberen 10.000 angesehen und dementsprechend sahen Anfang der 20er Jahre die Gesetze der Tschechoslowakei aus: Beim Kauf eines Autos musste man eine 12%ige Luxussteuer zahlen, zudem verlangten Gemeinde und Städte die verschiedensten Abgaben: erhöhte Brückengebühren, Gebühren für die Benutzung des städtischen Strassenpflasters u.ä. Anfang der 20er Jahre konnten sich so nur wenige das Autofahren leisten. Eine Minderheit bildeten dabei Frauen. 1905 hatte Olga Prochazkova als erste Frau in den Böhmischen Ländern ihre Führerscheinprüfung abgelegt. In den folgenden 20 Jahren wagten nur 215 andere Frauen diesen Schritt. Eine der 216 Frauen mit Führerschein in der Tschechoslowakei des Jahres 1925 war Eliska Junkova.
Eliskas Chef und Freund, Cenek Junek, startete 1922 bei seinem ersten Wettrennen, dem damals in ganz Europa bekannten Rennen von Zbraslav nach Jiloviste bei Prag, und siegte in seiner Kategorie. Einen Monat später heiraten Eliska und Cenek. Ihre Flitterwochen beschrieb Eliska Junkova in einem Interview, das der tschechoslowakische Rundfunk Anfang der 70er Jahre ausstrahlte:
"Unsere Hochzeitsreise führte uns nach Karlovy Vary, zum Training für das Rennen zwischen den beiden Kurorten Karlovy Vary und Marianske Lazne. Auf dieser Strecke hatten wir 7 Reifenpannen. Für diese Zeit war das natürlich, die Strassen waren schlechter und die Reifen hielten nicht so viel aus."
Noch im selben Jahr 1922 erfüllte sich ein Traum des frischvermählten Paares - vom Konstrukteur Ettore Bugatti persönlich erhielten sie ihr erstes Rennauto seiner Marke, den klassischen Bugatti in Form einer Zigarre.
"In dem Jahr setzten wir alles daran, einen Bugatti zu bekommen. Auf dem Pariser Autosalon konnten wir Bugatti persönlich davon überzeugen, uns einen Wagen zu überlassen. Aber dann zögerte "le Patron", er hatte Angst, dass sein Wagen die lange Strecke vom Elsass nach Prag über Landstrassen, von denen abenteuerliche Geschichten erzählt wurden, nicht überstehen würde. Einem Mechaniker soll er gesagt haben: was für eine Dummheit habe ich gemacht. Ich habe versprochen, den Wagen in eines dieser neuentstandenen asiatischen Länder zu liefern." (Zitat E. Junkova)
Nun, der Bugatti erreichte ohne Probleme das ferne Prag und das Ehepaar Junek konnte seine Rennfahrerkarriere so richtig beginnen. Im Früjahr 1923 startete das Paar erstmals zusammen bei einem Rennen. In den Memoiren von Eliska Junkova sah dieses so aus:
"Beim Rennen Zbraslav-Jiloviste 1923 startete ich das erste mal als Beifahrerin von Cenek Junek. Ein Beifahrer war damals eine der Bedingungen für den Start, sonst wurde man disqualifiziert. Bei diesem ersten Start mit Cenek erkannte ich, dass ich ihm voll vertraue und dass ich keine Angst vor der Geschwindigkeit habe - im Gegenteil: ich fühlte, wie die Geschwindigkeit mich anzog, wie sie Begeisterung in mir erweckte."
Das Rennfahrerehepaar fuhr bei seinem ersten Rennen die Bestzeit in seiner Klasse. Ein Jahr später wagte sich Eliska beim Rennen in Pilsen zum ersten Mal als Fahrerin an den Start und gewann natürlich gleich in ihrer Klasse. Ab 1925 starteten jeweils beide Juneks. Nach einigen Erfolgen wurde das Paar "der schnellste Haushalt der Tschechoslowakei" genannt. 1926 erreichte die rasende Eliska schliesslich die absolute Bestzeit in dem Rennen Zbraslav-Jiloviste und wurde somit die erste Frau überhaupt, die ein internationales Autorennen gewann. Ihren Mann übertrumpfte sie dabei um 1,3 Sekunden.
Nun war der Weg frei für weitere internationale Rennen und Erfolge. 1927 startete sie zusammen mit ihrem Mann beim damals äusserst bekannten und anspruchsvollen Rennen in Sizilien, dem Targa Florio. Fünf Runden einer 108 km langen bergigen und kurvigen Strecke mit 1.500 Kurven. Rund acht Stunden benötigten die schnellsten Fahrer. Auch wenn das Paar wegen eines technischen Defekts nicht das Ziel erreichte, wurde es bejubelt, denn bis zum Auscheiden führte ihr Auto, das von Eliska gesteuert wurde, das Feld an.
"Kurz nach dem Targa-Rennen kam eine Einlandung zum grossen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Cenek wollte nicht, dass ich starte, da es zu gefährlich sei. Ich wollte stets eine gehorsame Gattin sein und machen was Cenek will - so überredete ich ihn schliesslich und er meldete mich an." (Zitat E. Junkova)
Im Juli startete Eliska Junkova bei grossen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Mit einer neuen Rekordzeit triumpfierte sie über ihre männlichen Rivalen und gewann in ihrer Klasse. Damit hatten die Veranstalter nicht gerechnet. Die bei der Siegerehrung spielende Musikkapelle hatte keine Noten für die tschechoslowakische Nationalhymne und so improvisierte sie und spielte eine Arie aus Smetanas Oper "Die verkaufte Braut" zu Ehren von Elisabeth Junek, wie Eliska Junkova bei internationalen Rennen hiess.
Eliska Junkova befand sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, sie siegte in weiteren internationalen Rennen, stellte Geschwindigkeitsrekorde auf, fuhr in einem Rennen bei Paris über 200 km/h - die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei den meisten Rennen jener Zeit bei ca. 100-115 km/h. Im Mai 1928 startete Eliska Junkova erneut in Sizilien beim Targa Florio - diesmal allein, da ihr Mann beruflich in Prag bleiben musste. Sowohl Cenek als auch Eliska betrieben den Rennsport stets nur als Hobby. Eliska Junkova erreichte diesmal nicht nur das Ziel, sondern auch einen hervorragenden 5. Platz. Hätte sie keine Probleme mit dem Kühlwasser und keine Reifenpanne gehabt, so hätte sie über die gesamte damalige Männerelite triumpfiert. Doch auch der 5. Platz in der Gesamtwertung war ein Erfolg. In ihrer Klasse der Amateure siegte sie. Ihre Rückkehr nach Prag war triumpfal. Tausende jubelten ihr zu. In einer Umfrage über die beliebstesten Persönlichkeiten im Lande belegte sie nach den beliebsten Schausspielern und einem Musiker den vierten Platz.
Drei Monate nach ihrem Triumpf in Sizilien erfolgte jedoch das abrupte Ende ihrer Karriere als Rennfahrerin. Wieder wurde der grosse Preis von Deutschland auf dem Nürburgring gefahren. Diesmal schaute Eliska ihrem Mann Cenek allerdings nur von der Tribüne zu.
"Das Warten war furchtbar, als Cenek zum Rundenende einfach nicht mehr auftauchte. Und wie schrecklich war die Durchsage durch das Megafon, der ich einfach nicht glauben wollte. In dem Augenblick hörte alles auf." (Zitat E. Junkova)
Am 15. Juli 1928 verünglückte Cenek Junek im Alter von 36 Jahren tödlich auf dem Nürburgring. An diesem Tag endete auch die kurze, aber äusserst erfolgreiche Karriere der "schnellsten Frau der Welt". Eliska Junkova fuhr keine Rennen mehr, doch bis heute ist sie eine Legende des Rennfahsports. Eine Zeitlang arbeitete Eliska Junkova für Bugatti, 1933 begann sie für die mährischen Bata-Werke zu arbeiten, als diese mit der Produktion von Autoreifen begannen. Im Januar 1994 verstarb Eliska Junkova in Prag im Alter von 93 Jaren.