Autoklub feiert Jubiläen und hält Andenken an Junková wach

Foto: Lothar Martin

Der Träger des tschechischen Motorsports, der Autoklub des Landes, begeht in diesem Jahr zwei stolze Jubiläen. Aus diesem Anlass hat er einige besondere Veranstaltungen organisiert.

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Vergangenen Samstag wurde in unmittelbarer Nähe des Prager Hauptbahnhofs groß gefeiert, konkret in der Straße Opletalova 29. Dort befindet sich der Sitz des Autoklubs der Tschechischen Republik. Der Präsident des Autoklubs ist Jan Šťovíček. Er begrüßte die Gäste der Veranstalung:

„Wir feiern dieser Tage zwei bedeutende Jubiläen. Das erste ist der 90. Jahrestag seit der Eröffnung des schönen Gebäudes, in dem unser Autoklub seitdem zu Hause ist. Und das zweite wichtige Datum bezieht sich auf den Autoklub selbst, denn er wurde vor 115 Jahren gegründet.“

Eigentlich waren es zwei Vereine, die vor rund 115 Jahren in Prag entstanden sind: Der Tschechische Klub der Motorradfahrer im Februar 1904 sowie der Tschechische Klub der Autofahrer einen Monat später. Sechs Jahre darauf sind beide Vereine zum tschechischen Klub der Kraftfahrer verschmolzen. Seinen heutigen Namen trägt der Autoklub seit 1993 – also dem Jahr, in dem die Tschechoslowakei aufhörte zu existieren. Der Verein aber lebt weiter und kann so auf eine lange Tradition zurückblicken:

Jan Šťovíček  (ganz links) und Markéta Profeldová  (2. von links). Foto: Lothar Martin
„In den beiden internationalen Motorsport-Verbänden FIA und FIM gehören wir zu den ältesten Mitgliedsorganisationen. Wir haben sogar in ganz besonderem Maß zur Gründung des Motorradweltverbands beigetragen. Sie erfolgte gleichfalls im Jahr 1904.“

Die Aufgaben des Autoklubs sind vielfältig. Von Anfang an ist er ein Partner der tschechischen Automobil- und Motorradproduzenten. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, hierzulande das erste Verkehrsschilder-System zu entwickeln, er kümmerte sich um die Registrierung der Fahrzeuge. Der Autoklub legte erste technische Standards für Kraftfahrzeuge fest und organisierte die ersten Fahrprüfungen. Kurzum, er ist das Äquivalent des deutschen ADAC oder des österreichischen ÖAMTC.

Nicht zuletzt ist der Autoklub ein Förderer des tschechischen Motorsports. Die mit Fahrzeugen auf Rennstrecken oder im Gelände erzielten Erfolge kann er sich also getrost auch auf seine eigenen Fahnen heften. In einer Ausstellung, die am zurückliegenden Samstag im Haus des Klubs eröffnet wurde, wird unter anderem an erfolgreiche tschechische Rennfahrer und ihre großen Siege erinnert. Beispielsweise an Václav Vondřich, den ersten tschechischen Motorrad-Weltmeister aus dem Jahr 1905.

Jan Šťovíček: „In den beiden internationalen Motorsport-Verbänden FIA und FIM gehört der Autoklub zu den ältesten Mitgliedsorganisationen. Wir haben sogar in ganz besonderem Maß zur Gründung des Motorradweltverbands beigetragen.

Den meisten Raum in der Ausstellung hat eine große Frau des tschechischen Motorsports erhalten, die hierzulande beispiellos verehrt wird: Eliška Junková. Der Grund dafür liegt auf der Hand: In den 1920er Jahren war sie die schnellste Frau der Welt im Autorennsport. Mit ihren Bugatti-Rennwagen schaffte sie es wiederholt, bei einem Grand Prix in die Phalanx des von Männern dominierten Sports einzubrechen. Sie gewann mehrere große Wettbewerbe, darunter das internationale Rennen von Zbraslav nach Jiloviště bei Prag im Jahr 1926 oder den Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring im Jahr 1927. Als ihre größte Leistung aber wird der fünfte Platz bei der Tour Targa Florio auf Sizilien angesehen. Dieses Rennen galt als das schwerste seiner Zeit, mussten die Teilnehmer doch auf einem Untergrund aus Sand und Schotter fahren. Und noch dazu auf fünf Runden à 108 Kilometern mit einen Höhenunterschied von fast 1000 Metern und nahezu 1500 Kurven, die zu meistern waren.

Vladimír Junek mit der Büste von Eliška Junková  (Foto: Lothar Martin)
Beim Festakt am Samstag wurde im Foyer des Autoklub-Gebäudes eine Büste von Eliška Junková enthüllt. Unter den Ehrengästen war auch ihr Adoptivsohn Vladimír Junek. Über seine Mutter sagte er:

„Sie war bescheiden. Und sie ist allen Dingen, die ihr widerfuhren, mit Demut gegenübergetreten. In meinen Augen hat sie es stets verstanden, mit allem fertig zu werden. Sie hat sich nie groß damit beschäftigt, was ihr nicht gelungen ist. Sie nahm die Dinge so, wie sie kamen. Und sie verstand es, den Blick nach vorn zu richten.“

Eliška Junková wurde 1900 im mährischen Olomouc / Olmütz als Alzběta Pospišílová geboren. Im Jahr 1922 heiratete sie den Rennfahrer Čeněk Junek. Durch ihre Trauung änderte sich nicht nur ihr Familienname, sondern sie nahm auch den Vornamen Eliška an. Junková sprach mehrere Sprachen, darunter fließend Deutsch und Französisch. So wusste sie auch, dass der tschechische Name „Alžběta“ in anderen Sprachen als „Elisabeth“ übersetzt wurde. Weil man sie daher im Ausland oft in der Koseform als „Eli“ oder „Eliza“ ansprach, änderte sie ihren Vornamen in „Eliška“.

An der Seite ihres Gatten entdeckte sie schließlich ihre Liebe zum Motorsport. In einem Rennauto saß sie erstmals im April 1923, und zwar als Beifahrerin ihres Mannes. Noch im gleichen Jahr setzte sie sich selbst ans Steuer eines Bugatti T32 und gewann mit ihm zwei Rennen bei Plzeň / Pilsen und Rumburk / Rumburg. Danach wurde ihr Talent immer offensichtlicher, und sie triumphierte auch bei internationalen Rennen. Auf dem Nürburgring erlebte sie 1928 jedoch auch die schwärzeste Stunde ihrer fünfjährigen Rennkarriere. Sie selbst saß an jenem Tag in keinem Auto, dafür aber ihr Mann Čeněk. Die Geschehnisse des tragischen Rennens, bei dem ihr Gatte tödlich verunglückte, schilderte sie vor rund 50 Jahren in einem Gespräch für den Tschechoslowakischen Rundfunk:

Vladimír Junek: „Zu ihrer Zeit hat meine Mutter einmal geschrieben: Jeder Mensch sollte sich stets auf etwas freuen. Doch hat man im Leben ein ernsthaftes Problem, ist es nicht so leicht, an etwas Erfreuliches zu denken. Dies aber war eine ihrer Einstellungen zum Leben.“

„Wenn es notwendig geworden wäre, hätte ich als Ersatzfahrerin einspringen sollen. Doch wie schrecklich war das Warten, als er um die Mittagstunde lange nicht im Rennen zu entdecken war. Und wie entsetzlich war erst der Moment, als über das Megafon die Nachricht von seinem Unfall kam, ich wollte sie nicht glauben. Ab dem Tag habe ich aufgehört, Rennen zu fahren.“

Ihre Gedanken zu den Siegen und Niederlagen, zum Jubel und Leid ihrer Rennfahrerkarriere, hat Eliška Junková 1972 in ihrem Buch „Má vzpomínka je Bugatti“ (deutsch: Meine Erinnerung an Bugatti) niedergeschrieben. Nach Aussage von Vladimír Junek hat seine Mutter aber auch von sich selbst so manches preisgegeben:

„Zu ihrer Zeit hat sie einmal geschrieben: Jeder Mensch sollte sich stets auf etwas freuen. Das klingt im ersten Moment ganz schön. Doch hat man im Leben ein ernsthaftes Problem, ist es nicht so leicht, an etwas Erfreuliches zu denken. Dies aber war eine ihrer Einstellungen zum Leben.“

Eliška Junková  (Mitte). Foto: Wikimedia Commons,  Public Domain
Im Jahr 2016 ist eine Neuauflage der Biografie erschienen, in der Sohn Vladimír noch einige Kapitel hinzugefügt hat. Zu diesem Band machte er Anmerkungen:

„Das Buch ist bewusst mit einem gelben Einband versehen. Denn ihre größten Erfolge hat sie mit einem gelben Bugatti erzielt.“

Und Zweitens: „Das Buch ist für mich ein schöner Rückblick ins vergangene Jahrhundert.“

Eliška Junková ist am 5. Januar 1994 in Prag verstorben. Sie wurde 93 Jahre alt. Ihr Sohn Vladimír ist erst nach ihrem Ableben mit einem Rennauto gefahren, und das natürlich auch in einem Bugatti. In ihren Sportwagen seien er und seine Freunde dabei mit 130 bis 150 Stundenkilometer über einige Schnellstraßen in Frankreich geprescht. Dort schätze man historische Autos sehr, sagt Junek und schildert, wie die Oldtimer in Frankreich von anderen Verkehrsteilnehmern per Lichthupe gegrüßt werden oder Lastkraftwagen einfach anhalten. Und bei dieser Ausfahrt habe er noch etwas festgestellt, so Junek:

Junek: „Damals ist mir bewusst geworden, wie schwer es zur Zeit meiner Mutter gewesen sein musste, auf den verstaubten Straßen durchzuhalten. Wenn man nämlich in einem offenen Auto so 160 Stundenkilometer fährt, hat man Probleme zu atmen.“

„Damals ist mir bewusst geworden, wie schwer es zur Zeit meiner Mutter gewesen sein musste, auf den verstaubten Straßen durchzuhalten. Wenn man nämlich in einem offenen Auto so 160 Stundenkilometer fährt, hat man Probleme zu atmen. Das miese Gefühl kennen auch Motorradfahrer. Und dann stellen sie sich mal vor: Meine Mutter war in der Lage, auch 210 Stundenkilometer schnell zu fahren.“

Doch schon als Kind hatte Vladimír Junek viele Fragen. Er wollte zum Beispiel wissen, wie seine Mutter es schaffe, so gut Auto zu fahren und mit den Männern im Rennsport mitzuhalten. Dazu erzählt er diese Episode:

„Die Antwort auf meine Fragen hat sie mir gegeben, als ich sie einmal in eine Werkstatt begleitet habe. Kaum dass wir dort angekommen waren, sagte sie auch schon zum Chef des Betriebs: ´Schauen sie bitte am vorderen linken Kotflügel nach, dort stimmt etwas nicht. Die Ventile klimpern.´ Sie hatte einfach einen sechsten Sinn dafür. So konnte sie Mängel eines Wagens anhand ihres Gehörs diagnostizieren.“

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Neben seinen großen Rennfahrern und Rennfahrerinnen zeichnet sich der tschechische Motorsport ebenso durch die Austragung populärer Rennveranstaltungen aus. Eines davon ist das knapp sechs Kilometer lange Bergrennen zwischen Zbraslav und Jiloviště südlich von Prag. Es wurde erstmals am 25. März 1908 ausgefahren. Nach dem Ende der Habsburger Monarchie wurde es auch in der Tschechoslowakei fortgesetzt, allerdings nur bis 1931. Danach scheiterten viele Versuche, das hochgeschätzte Ereignis wieder aufleben zu lassen. Seit 1967 trägt es der Veteran Car Club Praha als ein Showrennen für Oldtimer aus. Die Direktorin dieser Veranstaltung ist Markéta Profeldová:

„Es gelingt uns, die Erinnerung an die glorreiche Geschichte aufrechtzuerhalten. Das heißt, wir wollen vor allem das Vermächtnis der Rennen zwischen 1908 und 1931 bewahren. Wir wollen die Atmosphäre so ursprünglich wie möglich gestalten, auch wenn wir heute kein Zeitrennen mehr veranstalten.“

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Und in diesem Jahr, in dem der tschechische Autoklub seine beiden genannten Jubiläen feiert, ist nun auch eine neue Idee geboren worden. Die hierzulande mit viele Hingabe und Stolz veranstalteten Rennen für historische Autos sollen noch einmal aufgewertet werden – durch einen Grand Prix für Oldtimer. Dazu sagte Markéta Profeldová:

„Die Idee ist dadurch entstanden, dass mich die Vertreter des Autoklubs auf unseren Wettbewerb hin angesprochen haben. Sie waren begeistert von diesem Rennen, wie es sich entwickelt hat, wie es propagiert wird und wie dessen Geschichte wieder auflebt. Nach gemeinsamen Konsultationen kamen wir zu dem Schluss, es wäre sehr schön, wenn der Autoklub sich in irgendeiner Form daran beteiligen könnte.“

Und nun ist der Autoklub der Ausrichter einer Serie von vier Oldtimer-Rennen, die zu einem Grand Prix vereinigt werden sollen. Diese traditionellen Veranstaltungen sind 1000 mil Československých (deutsch: die 1000 Meilen der Tschechoslowakei), Brno Revival, Grand Prix Bugatti und Zbraslav – Jiloviště. Die Rennen finden in der genannten Reihenfolge statt, der Startschuss erfolgt am 13. Juni in Prag und das Ziel wird am 8. September in Jiloviště erreicht.

Autor: Lothar Martin
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