Dokumentarfilm "Das vergessene Grenzgebiet"

Willkommen liebe Hörerinnen und Hörer, zur heutigen Ausgabe der Sendereihe "Begegnungen". Am Mikrofon begrüßen Sie Olaf Barth und Martina Schneibergova. Ujezd/Mähring, Pavluv Studenec/Paulsbrunn, Zahaji/Waldheim, Jedlina/Neulosimthal, Hurka/Hurkenthal, Knizeci Plane/Fürstenhut, oder auch Pohori na Sumave/Buchers - dies sind nur einige Namen tschechischer Gemeinden in unmittelbarer Nähe zur deutschen und österreichischen Staatsgrenze. Am Anfang des 20. Jahrhunderts haben in diesen Dörfern meistens deutsche Bauern und Handwerker gelebt. Nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg und der Entstehung des Eisernen Vorhangs sind Gemeinden, die sich plötzlich im Militärsperrgebiet befanden, liquidiert worden. Das Schicksal dieser inzwischen fast in Vergessenheit geratenen Gemeinden erweckte die Aufmerksamkeit einiger junger tschechischer Filmemacher. Sie begaben sich mit der Kamera an die tschechische Staatsgrenze, und versuchten in der heute manchmal wilden Natur die Spuren der einst blühenden, inzwischen jedoch dem Boden gleich gemachten Dörfer zu entdecken und deren Schicksal in einem Dokumentarfilm darzustellen. In den folgenden Minuten lassen wir die Filmautoren zu Wort kommen.

Der Film mit dem Titel "Das vergessene Grenzgebiet" beschreibt immer einige Gemeinden, die für die bestimmte Region typisch waren. Die entlang der Staatsgrenze unternommene Filmreise beginnt in Westböhmen in der Region von Tachov/Tachau mit der Gemeinde Újezd/Mähring, wird nahe der Grenze fortgesetzt und endet erst in Südböhmen an der Grenze zu Österreich bei Dörfern wie Rajcherov/ Reichers oder Kostalkov/Gottschallings. An mehreren Orten begegnet man den ehemaligen Bewohnern, die hierher nach fünfzig Jahren wieder kommen, um sich an ihre Kindheit, ihre Familie zu erinnern.

Über die Beweggründe für die Entstehung des Films sagte sein Produzent Vojtech Pav:

"Das Thema des Films stammt von mir. Als wir 6-7 Jahre nach der Grenzöffnung begannen den Böhmerwald oft zu besuchen, entdeckten wir dort viele Orte, die uns zu Fragen anregten, wie z. B., was mag sich dort einst befunden haben. Es waren Stellen, an denen es früher Dörfer gab. Als man dort in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine Befestigung errichtete, wurden diese Dörfer liquidiert. Das einzige, das erhalten blieb, sind hier und da Hausfundamente oder Friedhöfe, auch wenn diese vielfach stark beschädigt wurden. Es war interessant, dass an einigen Stellen wieder ein repariertes Kreuz oder eine renovierte kleine Kapelle auftauchte. Mancherorts ist es den ehemaligen Bewohnern der Gemeinden gelungen, den Friedhof zu renovieren, auch wenn er nie mehr wie vorher aussehen wird, weil viele Grabsteine z. B. als Baumaterial benutzt wurden."

Wie haben die Filmschöpfer die einzelnen Gemeinden ausgesucht, die sie in ihrem Film vorstellen wollten, danach fragte ich den Regisseur und zugleich Kameramann, Jan Lengyel:

"Wir konnten nicht das gesamte Grenzgebiet in unserem Film zeigen. Aus dem Grund suchten wir Gemeinden aus, in denen es z. B. eine Glashütte gab oder solche, die sich ausschließlich mit der Landwirtschaft befassten. Jede Gemeinde soll einen bestimmten Typ einer unweit der Grenze liegenden Ansiedlung darstellen."

Im Film erwähnte Dörfer wurden - wie der Produzent erklärt - auch wegen bestimmter interessanter Merkmale ausgewählt. Die Autoren des Films haben Informationen über die liquidierten Gemeinden zum Teil von Menschen bekommen, die über ein konkretes verschwundenes Dorf ein Buch herausgaben. Ähnliche Materialien gibt es meistens in deutsch, in Tschechien sind jedoch inzwischen auch zahlreiche interessante Touristenführer erschienen, die versuchen, in der Form eines Führers auf die verschwundenen Dörfer hinzuweisen. Vojtech Pav beschrieb sie:

"Meistens herrschte dort die Landwirtschaft oder Arbeit mit Holz vor. In manchen Regionen gab es auch viele Glashütten. Diese Glashütten waren jedoch am Anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr in Betrieb, die Landwirtschaft und kleine handwerkliche Produktion haben überlebt. Da viele der Ortschaften in den Bergen lagen, mussten ihre Bewohner gut versorgt sein und außerdem mussten sie gut miteinander auskommen. Man kann an der Grenze den ganzen Tag entlang gehen und dabei Reste von Gärten oder Alleen sehen. Dies sind Beweise dafür, dass es dort früher ein Kulturleben gab, dass das Land bebaut wurde, dass es dort nicht zufälligerweise immer noch Wege gibt und dass man, wenn man auf diesen geht, Reste einer Kirchenmauer entdeckt. Dies alles ist sehr eindrucksvoll."

In dem "vergessenen Grenzgebiet" kommen auch Zeitzeugen zu Wort. Die Autoren des Films sind einigen von ihnen direkt in den Orten begegnet, in denen sie den Film drehten. Kontakte zu anderen ehemaligen Bewohnern haben die Filmemacher über verschiedene Bürgervereinigungen aufgenommen. Dort, wo sich einst im Böhmerwald die Gemeinde Knizeci Plane/Fürstenhut befand, kann man heute nur noch einen Friedhof besuchen, der in den letzten Jahren dank Herrn Bayer und seinen Freunden renoviert wurde. Herr Bayer, der in dem Film auch auftritt, ist Mitglied eines Künstlervereins und veranstaltet mit seinen Prager Kollegen Fotoausstellungen, die sich mit dem Böhmerwald befassen. Inwieweit waren die ehemaligen Bewohner der Grenzgemeinden bereit, sich in dem Film zu äußern? Dazu Vojtech Pav:

"Die Mehrheit von ihnen hat sich an dem Film gern beteiligt. Sie waren froh, dass sich jemand für diese Problematik interessiert, dass jemand nach dem Schicksal ihrer Eltern und Großeltern fragt. Sie haben alle eher über positive Erinnerungen gesprochen. Es hat uns gefreut, dass die Mehrheit von ihnen keinen Hass gegenüber den Tschechen empfand. Die in Tschechien oft angesprochenen Eigentumsfragen, sind für diese Menschen nicht Gegenstand ihres primären Interesses. Diese Menschen kommen, um Gräber ihrer Vorfahren zu renovieren, sie versuchen, die Familienangelegenheiten in Ordnung zu bringen."

Das Ziel der Autoren des Films ist es unter anderem, den Schulen den Dokumentarfilm als ein Lehrmittel im Geschichtsunterricht anzubieten. Über den Hauptzweck des Films sagte der Regisseur Jan Lengyel:

"Der Hauptzweck dieses Films ist es, das einstige Leben einfacher Menschen in den Grenzregionen vorzustellen. Wir bemühten uns um keine Analyse der sozial-politischen Verhältnisse der Zeit. Wir wollten auch zeigen, was von diesem Leben übrig blieb - es soll eine Art Memento sein. Mehrmals betonten wir in dem Film, dass das Prinzip der kollektiven Schuld gegenüber Niemandem angewandt werden darf."

Es bleibt nur noch hinzuzufügen, dass der Film "Das vergessene Grenzgebiet" mit der Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung und des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds realisiert wurde. Am 3. Mai wird er im Österreichischen Kulturinstitut in Prag präsentiert. Falls Sie sich für diesen Dokumentarfilm interessieren, können Sie uns schreiben, wir werden ihre Zuschriften an die Autoren weiterleiten.

Autoren: Olaf Barth , Martina Schneibergová
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