Kavan wird als erster Tscheche Vorsitzende der UNO-Generalversammlung
Nachdem am Freitag Weißrussland seine Kandidatur auf den Vorsitz der UNO-Generalversammlung offiziell zurückgezogen hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit erstmals ein Tscheche an der Spitze dieses Gremiums stehen - der bisherige Außenminister Jan Kavan. Die offizielle Wahl findet am 8. Juli statt, bereits zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch klar, dass Kavan auf die Stimmen nahezu aller Staaten zählen kann, die er um die Unterstützung seiner Kandidatur gebeten hatte - bis Ende vorletzter Woche waren dies 105 der 189 UNO-Mitgliedsstaaten.
Der Vorsitzende der regelmäßigen UNO-Generalversammlung - dem Hauptberatungsorgan der Vereinten Nationen - , wird nach dem Rotationsprinzip aus den fünf regionalen Gruppen gewählt, in die die Vereinten Nationen unterteilt sind. Die Tschechische Republik zählt zur Staatengruppe Mittel- und Osteuropa.
Kavan, Sohn eines tschechischen Diplomaten und einer Engländerin, emigrierte in den 60er Jahren nach London, wo er die Presseagentur Palach-Press leitete. Nach seiner Rückkehr 1990 war er zwei Jahre lang Abgeordneter und vier Jahre Mitglied des Senats. Hinsichtlich des Verdachtes auf Mitarbeit in der Staatssicherheit Anfang der 70er Jahre gewann er 1996 im Lustrations-Streit mit dem tschechischen Innenministerium.
Sein neues Amt wird der bisherige Chef der tschechischen Diplomatie, am 10. September antreten. Dass Kavan, der bei den Parlamentswahlen Mitte Juni ins neue tschechische Abgeordnetenhaus gewählt wurde, dann häufig im Parlament abwesend wäre, könnte angesichts der möglicherweise knappen Mehrheitsverhältnisse problematisch werden. Sollte es nämlich erwartungsgemäß zu einer Regierungskoalition zwischen der Sozialdemokratischen Partei und dem liberalen Bündnis Koalition kommen, würde diese auf einem Vorsprung von nur zwei Stimmen basieren. Wenn Kavan also bei wichtigen Abstimmungen fehlen würde, würde dies bedeuten, dass die neue Regierungskoalition nicht einmal mehr auf diesen knappen Stimmenvorsprung zählen könnte. Als Lösung hierfür schlug Kavan entweder eine Änderung des Abstimmungsmodus vor oder die Suche nach zusätzlichen Finanzquellen, durch die sich regelmäßige Flüge zwischen dem Sitz der Vereinten Nationen in New York und dem Sitz des tschechischen Abgeordnetenhauses in Prag finanzieren ließen. Auch seine bisherigen Vorgänger an der Spitze der UN-Generalversammlung in den vergangenen zehn Jahren hätten gleichzeitig Parlamentsfunktionen bekleidet und hätten hier eine Lösung gefunden, so Kavan. Er selber sehe dafür bislang keinen Anlass, auf sein Mandat im Abgeordnetenhaus zu verzichten, zumal er durch die 8000 Präferenzstimmen den tschechischen Wählern gegenüber eine besondere Verantwortung verspüre.