"Der Ackermann und der Tod" - literarisches Werk des deutschen Frühhumanismus als moderne Oper

statni_opera2.jpg

Vor 600 Jahren ist auf dem Gebiet Böhmens ein hervorragendes Werk der deutschsprachigen Literatur entstanden: "Der Ackermann aus Böhmen", ein Streitgespräch über den Sinn des Lebens und des Todes von Johannes von Tepl. Der Ackermann, der seine junge Frau Margarethe verloren hat, klagt in tiefem Schmerz den Tod an und fordert ihn auf, vor das Höchste Gericht - vor Gott - zu treten. Dieser gibt in seinem Urteil beiden recht: dem Ankläger erkennt er in diesem Kampf die Ehre zu, dem Tod den Sieg. Das spätmittelalterliche bzw. frühhumanistische Traktat diente als Grundlage für eine moderne Oper, "Der Ackermann und der Tod", die nun - nach einer Konzertaufführung in Berlin im letzten Jahr - in Prag uraufgeführt wurde. Zum Besuch in die Prager Staatsoper lädt Sie im heutigen Kultursalon Markéta Maurová ein.

Eine leere schwarze Bühne, auf der nur ein Lichtkegel ein Kreuz malt. Auf der Bühne stehen zwei Hauptfiguren - der Tenor in schwarzem Anzug als Ackermann und die Mezzosopranistin in weißem Kleid als der Tod. Zwischen den beiden entwickelt sich ein Dialog, der von einem Kammerchor sowie von zwölf Tänzern begleitet wird.

Der zeitgenössische tschechische Jazzmann und Komponist Emil Viklicky unterteilte das angebotene Libretto in zehn Bilder, wobei die erste Hälfte durch ein Faschingsfest, die zweite durch einen Hexensabbat eingeleitet und dominiert wird. Gekrönt und abgeschlossen wird die Handlung durch ein Gottesurteil, das der Chor ausspricht.

Obwohl das dramatisch-musikalische Werk als Oper charakterisiert wurde, waren nach der Uraufführung mehrfach Stimmen zu hören, dass es sich eher um ein Bühnenoratorium handle. Eindeutig gelobt wurde die Musik Emil Viklickys. Der Dirigent, der sie einstudiert hat, Premysl Charvat, dazu:

"Herr Kollege Viklicky nutzt eine sehr breite Genrepalette. Er fürchtet sich nicht vor einer rauhen Aleatorik, vor absolut bitonalen Zusammenstößen. Andererseits gibt es hier etwa die Einführungsszene, die sich auf einem Markt abspielt, wo ein Volkslied erklingt. Oder die Szene mit einem sehr drastischen Kontrast, wenn die unglückliche Frau Margarethe tanzt - ein Walzer mit einer rauhen Harmonie, der auf einmal, wenn der Tod Margarethe streichelt, umbricht. Die Melodie entwickelt sich dann in eine ganz andere Richtung."

Die Oper ist auf Initiative des Theaterregisseurs, Dramatikers und Schauspielers Dusan Robert Parisek entstanden. Kurz vor der Premiere habe ich ihn ans Mikrophon gebeten.

Die Staatsoper in Prag bringt dieser Tage die Uraufführung der Oper "Der Ackermann und der Tod". Sie haben das Libretto zu dieser Oper geschrieben und auch die Regie geführt. Es handelt sich hierbei aber nicht um Ihre erste Begegnung mit diesem Werk von Johannes von Tepl, Sie haben bereits vor einigen Jahren eine Bühnenaufführung vorbereitet. Kann man das als Ihr Lebensthema bezeichnen, oder wie sind Sie mit diesem Werk in Kontakt gekommen?

"Also mein Lebensthema... Jeder Mensch wird mit solchen Sachen konfrontiert, das geht auch an Ihnen nicht vorbei, deswegen würde es sehr pathetisch klingen, wenn ich sagen würde, es ist mein Lebensthema. Sie haben richtig erwähnt, es gibt mehrere Versionen, es gibt einen Einakter und es gibt ein Melodrama, d.h. eine Schauspielform mit Gesang und Musik. Eigentlich bin ich seit 25 Jahren mit diesem Thema konfrontiert und beschäftigt, und ich muss ehrlich gestehen - je mehr man sich mit diesem Thema befasst, desto mehr wird man gefordert. Das heißt also, es gibt nicht einen Tag, wo man sich mit solchen Sachen nicht beschäftigt. Und je mehr Sie das Thema anschneiden, desto mehr wird der Tod sichtbar. Und ich glaube, dass gerade in der heutigen Zeit, wo alles so schnelllebig und im Grunde genommen kommerziell ausgerichtet ist, solch ein Thema kein Wagnis, sondern ein Angebot an alle ist."

Der "Ackermann aus Böhmen" ist ein frühhumanistisches Traktat, ein Dialog zwischen einem Menschen und dem Tod. Wie kann man aus diesem Dialog Theater machen, was für Mittel stehen dafür zur Verfügung?

"Welche Mittel stehen da zur Verfügung? Das ist eine gute Frage. Es ist die ewige Sehnsucht der Menschen, eine Antwort auf die Frage zu finden, die der Ackermann von Böhmen behandelt: Also wo ist die Gerechtigkeit, warum muss der eine früher und der andere später sterben? Warum sind hier Menschen immer noch am Leben, die hier vielleicht - wie der große tschechische Schriftsteller und Schauspieler und Kabarettist Jan Werich sagte - schon mindestens 400 Jahre nichts mehr zu suchen haben? Warum denn? Und die Antworten findet man dort. Und ich hoffe, dass es uns, oder mir auch, gelungen ist, dass ein Disput, der sich mit solcher Thematik beschäftigt, einfach mal den Menschen zumindest die Augen öffnet, dass man zur Besinnung kommt. Verstehen Sie, es ist keine große Unterhaltung, aber es unterhält jeden."

Wie sind Sie in Kontakt mit der Staatsoper in Prag und mit dem Komponisten Emil Viklicky gekommen? Haben Sie das Libretto der Oper angeboten, die einen Komponisten gesucht hat, oder wie wurde das Libretto eigentlich vertont?

"Ich habe mir den Komponisten ausgesucht. Ich habe Anfang der 80er Jahre das Thema mit einem großen Komponisten besprochen, der fast in Vergessenheit geraten ist. Das war Jan Novák. Er ist, meines Erachtens, ein Gigant, der leider zwar von Pierre Boulez, Leonhard Bernstein, Claudio Abbado dirigiert wurde, von dem man aber jetzt sehr wenig weiß. Wahrscheinlich weil er im Ausland starb. Nun ich habe selbst Kontakt mit der Staatsoper aufgenommen, ich bin sehr froh, dass ich bei dem Generalintendanten Vocelka ein offenes Ohr gefunden habe, genauso wie bei dem Generalmusikdirektor, Herrn Vojtech Spurny. Und ich habe mir selbst auf den Rat von einem Mitarbeiter hin, einem Geiger, der eng auch mit Herrn Viklicky arbeitet, Petr Ruzicka, der jetzt in Paris tätig ist, den Weg zu Herrn Viklicky gefunden, weil man mir Herrn Viklicky als sehr einen sensiblen Menschen beschrieb. Und ja, also das, was er geschrieben hat, können Sie mal hören..."

Sie hörten gerade eine Aufnahme mit Ales Briscein und Jana Sykorova, die während der Konzertaufführung in Berlin im letzten Jahr entstanden ist. Die Oper "Der Ackermann und der Tod" von Emil Viklicky und Dusan Robert Parisek wartet auf ihren Besuch in der Staatsoper zu Prag. Das deutschsprachige Publikum braucht keine Angst zu haben, den Text nicht zu verstehen: über der Bühne laufen nämlich deutsche Untertitel, die Ihnen die Orientierung in der Handlung erleichtern. Und damit möchte ich mich für heute verabschieden. Für Ihre Aufmerksamkeit bedankt sich Markéta Maurová.