Vor 25 Jahren: Internationale Proteste wegen „Schutzmauer“ in Ústí nad Labem

Matiční-Straße in Ústí nad Labem

Eine Mauer in der Matiční-Straße in Ústí nad Labem / Aussig rief vor 25 Jahren internationale Proteste hervor – und verwies auf das Problem der Segregation von Roma in Tschechien.

Haus in der Matiční-Straße vor dem Umbau | Foto: Gabriela Hauptvogelová,  Tschechischer Rundfunk

Plötzlich war sie weltberühmt: Die Matiční-Straße im Stadtteil Krásné Březno / Schönpriesen ist keine 250 Meter lang. Ihren nördlichen Teil säumten damals drei Familienhäuser auf der rechten und vier Plattenbauten auf der linken Seite. In den Wohnblöcken lebten sozial schwache Roma-Familien. Als am 13. Oktober 1999 begonnen wurde, zwischen den beiden Straßenseiten eine Mauer zu errichten, lautete die offizielle Begründung im Rathaus, dass die Roma-Bewohner auf diese Weise vor „Lärm und Schmutz“ geschützt werden sollten. Die Absperrung wurde aber vielmehr zum Symbol für Rassismus und Ghettoisierung.

Die Problemlage, die sich in der Mauer manifestierte, hatte sich die ganzen 1990er Jahre über in der nordböhmischen Stadt entwickelt. In der kleinen Matiční-Straße wurden nach und nach Menschen angesiedelt, die in anderen Stadtbezirken Mietschulden angehäuft hatten. So entstand eine Nachbarschaft an sozial Ausgeschlossenen. Drogen- und Alkoholkonsum waren an der Tagesordnung, begleitet von Lärm und steigender Kriminalität.

Dagegen regte sich der Protest der Hausbesitzer auf der anderen Straßenseite. Die Stadtverwaltung beschloss darum, eine 1,80 Meter hohe Mauer zu bauen, die die beiden Welten voneinander trennen sollte. Kritik kam daraufhin nicht nur vom tschechischen Staatspräsidenten, Václav Havel, sondern auch vom Europäischen Kommissar für die EU-Erweiterung, Günter Verheugen. Ebenso wurde US-Präsident Bill Clinton auf die Vorgänge aufmerksam. Delegationen tschechischer und ausländischer Politiker reisten in die Matiční-Straße, wegen der sogar der geplante EU-Beitritt Tschechiens (2004) in Frage stand.

Nach sechs Wochen wurde die Mauer wieder abgerissen. Sie blieb aber ein Symbol für die problematische Haltung zur Roma-Minderheit in Tschechien. Die Lage in der Matiční-Straße ist heute ruhiger. Einige Teile der Plattenbauten wurden beseitigt, andere saniert. In der Straße gibt es inzwischen Krisenunterkünfte für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen.

Krisenwohnungen in der Matiční-Straße | Foto: Stadt Ústí nad Labem
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