CSSD-Parteitag: Spidla bleibt im Amt, grundsätzliche Konflikte bleiben jedoch bestehen

Съезд Чешской социал - демократической партии

Vor einer Woche hielten die tschechischen Sozialdemokraten im Prager Kongresszentrum einen mit Spannung erwarteten dreitägigen Parteitag ab. Schon im Vorfeld war dieser von der angespannten weltpolitischen Situation, vor allem aber von tiefgreifenden parteiinternen Konflikten überschattet gewesen. Entsprechend heftig fielen teils auch die Diskussionen aus. Dennoch, und damit sei das wichtigste vorweggenommen: Der in letzter Zeit viel kritisierte Parteichef Vladimir Spidla konnte sein Amt erfolgreich verteidigen. Gerald Schubert war für uns vor Ort und hat zum Parteitagsgeschehen den folgenden "Schauplatz" gestaltet:

"Liebe Freunde! Ich habe die Debatte hier sehr aufmerksam verfolgt, und weiß, dass ich sehr heftiger Kritik ausgesetzt war, die in einer Reihe von Gesichtspunkten auch berechtigt war. Ich bin mir dessen durchaus bewusst, und ich bin überzeugt, dass es in der nächsten Zeit wesentlich weniger Kritik geben wird. Denn wie ich versprochen habe: Dieses Treffen werde ich entweder auf einem Schild oder mit einem Schild verlassen. Ich danke euch."

So also klangen am Samstag vor einer Woche die Dankesworte Vladimir Spidlas, des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Tschechiens, nachdem er von den Delegierten des 31. Parteitages der CSSD im Amt bestätigt worden war. Um die Analogie mit dem Schild richtig zu verstehen, gilt es in Betracht zu ziehen, dass Spidla derzeit nicht nur Parteichef ist, sondern auch Premierminister und - Historiker. Der Vergleich nämlich besagt im Wesentlichen: Entweder ich werde, einem gefallenen Feldherrn der Antike gleich, besiegt auf meinem Schild liegend vom Schlachtfeld getragen, oder aber ich gehe gestärkt und mit einem Vertrauensbeweis als Schutzschild aus der Auseinandersetzung hervor. Und gerade einen solchen Vertrauensbeweis hatte Spidla nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate - nicht zuletzt in seiner Eigenschaft als Premierminister - wahrhaftig bitter nötig.

Woraus aber setzt sich eigentlich das zerrüttete Bild zusammen, das die CSSD in letzter Zeit nicht nur nach außen hin abgegeben hat? Zunächst ist da einmal die knappe Mehrheit von 101 zu 99 Mandaten, auf die sich die von den Sozialdemokraten angeführte Koalitionsregierung mit Christdemokraten und Liberalen im Abgeordnetenhaus des Parlaments stützen kann. Spidlas parteiinterne Gegner, von denen einige als Anhänger von Milos Zeman, dem ehemaligen starken Mann der CSSD gelten, werfen nämlich sowohl dieser Regierung als auch der Partei in der Regierung mangelndes Durchsetzungsvermögen vor. Spidla jedoch schließt eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten und auch mit der Demokratischen Bürgerpartei ODS gegenwärtig aus, obwohl dies bequemere Mehrheiten bringen könnte. Und damit im Zusammenhang steht auch die - nicht zuletzt durch Uneinigkeit und Unberechenbarkeit in den eigenen Reihen verursachte - Schlappe bei der Präsidentschaftswahl im Februar, aus der ja schließlich der Kandidat der oppositionellen ODS, Vaclav Klaus, als Sieger hervorgegangen war.

Doch auch in außenpolitischer Hinsicht gab es in letzter Zeit einige Stolpersteine, die auf eine ohnehin angeschlagene Regierungspartei wie die CSSD nicht ganz ohne Auswirkungen bleiben konnten. Die Positionierung gegenüber dem gegenwärtigen Krieg im Irak etwa ist für die meisten europäischen Staaten keine einfache Angelegenheit. Und eine noch junge Demokratie wie Tschechien, die sich in der NATO und keine drei Monate vor dem Referendum über den EU-Beitritt befindet, sieht sich von diesem Tauziehen um Legitimierung von Gewalteinsatz und vielleicht gar um den Aufbau einer neuen Weltordnung verständlicherweise vor besonders große Probleme gestellt.

Doch wenigstens was die äußeren Rahmenbedingungen der internationalen Diplomatie betrifft, ist der weitere Weg Tschechiens einigermaßen klar vorgezeichnet: EU-Beitritt zum schnellstmöglichen Zeitpunkt. Und zumal man das auch in Brüssel so sieht, hatte sogar Erweiterungskommissar Günther Verheugen sein Erscheinen im Prager Kongresszentrum angekündigt.

Am ersten Abend der Veranstaltung, einen Tag vor Verheugens Besuch, hat Radio Prag den CSSD-Vorsitzenden und Premierminister Vladimir Spidla nach der Bedeutung des Parteitags im Hinblick auf die Europäische Union gefragt:


"Ich bin der Meinung, dass dieser Parteitag sehr wichtig ist, und ich bin davon überzeugt, dass die Delegierten der Sozialdemokratischen Partei einem kräftigen Bemühen um die Europäische Union zustimmen werden. Das ist wichtig und steht natürlich auch im Zusammenhang mit der Stabilität unserer Regierung. Und meiner Meinung nach wäre es ungünstig, wenn die Regierung vor dem Referendum instabil würde."

"Was erwarten Sie sich vom morgigen Besuch des Erweiterungskommissars Günther Verheugen?"

"Er kommt als sozialdemokratischer Kollege. Das heißt, es wird eine gute Unterredung geben, und natürlich neue Informationen zur Erweiterung. In kurzer Zeit kommt ja die Unterschrift unter das Abkommen. Das sind die wichtigen Themen."

"Es waren hier heute einige Stimmen auf dem Parteitag zu hören, die befürchtet haben, dass Ihre Regierung vielleicht nur mehr bis zum Referendum besteht und dann instabil ist."

"Natürlich, das sagen einige. Aber andere sind wieder anderer Meinung. Natürlich ist das eine Frage, über die man nachdenken soll, aber das ist nichts tragisches. Ich bin der Meinung, dass wir die Situation meistern können."


Am nächsten Tag hat Radio Prag dann den EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen vors Mikrophon gebeten, dessen Visite auf dem Parteitag von manchen schon im Vorfeld als Menetekel für den wahren Zustand der tschechischen Sozialdemokratie gehalten worden war:


"In der Vorbereitung auf Ihren heutigen Besuch hat man gehört, dass Sie hier herkommen, weil Sie sich als Vertreter der Europäischen Union Sorgen um den Zustand der tschechischen Sozialdemokratie machen. Stimmt das?"

"Also, ich habe so etwas nicht gesagt, ja nicht einmal gedacht. Hier ist etwas veröffentlicht worden, was nicht einmal in meinem Kopf existiert! Der Plan, an dieser Europa-Debatte teilzunehmen, ist sechs Monate alt. Wir haben das monatelang vor Kopenhagen bereits besprochen, und es war immer klar: es geht nur darum, an einer Debatte über die Zukunft Europas teilzunehmen. Ich mische mich prinzipiell nicht in parteiinterne oder regierungsinterne Angelegenheiten ein, das geht mich überhaupt nichts an. Es interessiert mich zwar, aber es geht mich nichts an, und ich sage nichts dazu. Und deshalb hat es auch weder diskrete Signale noch indiskrete Signal gegeben. Überhaupt nichts in dieser Art! Also bin ich froh, dass Sie mich das fragen, denn das ist ein völlig normaler Vorgang. Es ging um eine Debatte über die Zukunft Europas, in Anwesenheit von Vertretern der Europäischen Union und einer wichtigen Regierungspartei, und ich tue dasselbe in allen anderen Kandidatenländern auch."

"Wie ist Ihr bisheriger Eindruck vom Verlauf des Parteitags, was die Einheit gegenüber der Europäischen Union betrifft?"

"Ich habe das Gefühl, dass wir uns in diesem Punkt auf die tschechischen Sozialdemokraten voll verlassen können. Die sind wirklich vollständig auf Europakurs. Und ich war sehr froh, von Vladimir Spidla heute zu hören, dass er mit seiner Regierung jetzt auch initiativ werden wird, um auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Fortschritte zu erzielen. Dieses Signal war für mich sehr wichtig. Und ich konnte heute morgen auch mit dem Außenminister sprechen, der ja ebenfalls hier war, und der teilt diese Sicht auch. Für mich ist es ein sehr wichtiges Ergebnis dieses Besuchs, dass die Tschechische Republik das Lager derjenigen stärkt, die eine wirklich gemeinsame europäische Außenpolitik wollen."


Gestärkt wurde auch das Lager derjenigen, die eine Fortsetzung der momentan in Tschechien amtierenden Regierungskoalition wollen. Denn Spidla wurde, wie eingangs berichtet, als Parteivorsitzender bestätigt. In der Abstimmung am Samstagabend setzte er sich gegen seinen einzigen Gegenkandidaten, den ehemaligen Minister für Handel und Industrie Jiri Rusnok, den er erst kürzlich wegen - wie es hieß - "ins Stocken geratener Kommunikation" entlassen hatte, mit 299 zu 147 Delegiertenstimmen durch. Dies mag vielleicht nach einem eindeutigen Votum klingen, doch wenn man die Stimmenthaltungen mit einrechnet, dann kommt Spidla auf eine Unterstützung von gerade mal 54 Prozent. Und dass die am Sonntag erfolgte Verabschiedung einer Resolution gegen die Militäroperation im Irak wieder Zündstoff für heftige Diskussionen geliefert hatte, das zeigt, dass die parteiinternen Gräben noch lange nicht zugeschüttet sind.

Spidla wurde also nicht besiegt auf seinem Schild liegend aus dem Prager Kongresszentrum getragen. Wie stark allerdings der Schutzschild ist, den die Partei um ihn und die Regierung herum nun formiert, das wird sich erst noch zeigen. Das Aufatmen nach dem voraussichtlich positiven EU-Referendum im Juni könnte schon ein neues Aufflammen der Konflikte bringen.