Justiz und Politik. Zwei ganz und gar unterschiedliche Fälle beschäftigen die tschechische Öffentlichkeit

Alois Grebenicek (Foto: CTK)

Im Zusammenhang mit kommunistischer Tyrannei beschäftigen dieser Tage zwei Strafverfahren die tschechische Öffentlichkeit. Beide jedoch könnten kaum unterschiedlicher sein. Denn das eine endete soeben durch Tod des prominenten Angeklagten, das andere steht erst am Beginn und richtet sich gegen einen jungen Mann und seine Propaganda zur Wiederherstellung der alten Ordnung. Hören Sie mehr im folgenden Bericht von Gerald Schubert:

Alois Grebenicek  (Foto: CTK)
Sechs Jahre lang zog sich das Verfahren gegen Alois Grebenicek hin. Am vergangenen Sonntag schließlich verstarb der Angeklagte im südmährischen Uherske Hradiste im Alter von 81 Jahren, ohne dass er auch nur ein einziges Mal vor Gericht erschienen wäre. Prominent war sein Name nicht nur deshalb, weil er in den fünfziger Jahren zu den gefürchtetsten Gefängnisaufsehern im ohnehin gefürchteten Gefängnis von Uherske Hradiste zählte, sondern auch weil er einen bekannten und einflussreichen Sohn hat: Nämlich Miroslav Grebenicek, den jetzigen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens.

Die Staatsanwaltschaft warf Alois Grebenicek die wiederholte Misshandlung von politischen Häftlingen vor. In der Anklageschrift, die im Jahr 1997 der zuständigen Richterin Radomira Vesela übergeben worden war, kamen mehrere Zeugen bzw. Opfer zu Wort, die Grebenicek unter anderem die Anwendung von Elektroschocks zur Last legten. Einer der ursprünglich Mitangeklagten wurde mittlerweile zu zwei Jahren Haft verurteilt. Grebenicek aber hatte sich dem Prozess stets durch Vorlage ärztlicher Gutachten entzogen. Entweder er selbst oder sein Anwalt blieb dem Gericht aus Gesundheitsgründen fern. Und dies insgesamt 12 mal. Richterin Vesela jedoch will darin keine Systematik erkennen und beruft sich auf die immer wieder neu vorgelegten Gutachten:

"Bei der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten Grebenicek handelt es sich um eine medizinische Frage. Ende vorigen Jahres wurde das Strafverfahren aufgrund der vorliegenden Expertengutachten unterbrochen. Seit dieser Zeit forderte das Gericht wiederholt ärztliche Berichte an. Ebenso von der untersuchenden Ärztin, wie auch von den Ärzten der Lungenabteilung des hiesigen Krankenhauses."

Sie selbst also trage für die Verschleppung des Verfahrens keine Verantwortung. Von der tschechischen Presse aber wird Vesela dennoch heftig kritisiert. Denn nicht einmal als man sich bereit erklärt hatte, den Prozess im Krankenhaus abzuwickeln, war es ihr gelungen, den Angeklagten zur Hauptverhandlung zu zitieren. Und manchmal lagen obendrein gleich mehrere, widersprüchliche Gutachten vor. Mit Grebeniceks Tod könne vor allem sie nun zufrieden sein, schreibt etwa die Tageszeitung Mlada fronta dnes. Denn sie sei damit einen komplizierten Fall losgeworden, ohne ein Urteil sprechen zu müssen, welches letztlich auch ihre eigene kommunistische Vergangenheit betroffen hätte, so das Blatt.

Jener Streit um moralische Gerechtigkeit und formale Rechtmäßigkeit ist hierzulande im Zusammenhang mit Prozessen rund um das ehemalige kommunistische Regime wohl bekannt. Demnächst aber wird in Tschechien eine neue Facette im Spannungsfeld zwischen Justiz und Politik eröffnet. Die Polizei hat soeben ihre Erhebungen gegen den jungen Kommunisten David Pecha abgeschlossen und die Ergebnisse an die Staatsanwaltschaft übergeben. Prozessbeginn soll am 26. August sein. Unter anderem, so heißt es, habe Pecha einige Nachwendepolitiker, unter ihnen auch Ex-Präsident Vaclav Havel, in Zeitschriften und im Internet als Verräter bezeichnet. Und er habe zur Wiederherstellung der alten Ordnung aufgerufen. Notfalls auch mit Waffengewalt.