Basteln mit Neid

Prag, Samstagmorgens um zehn: Beim Blick aus unserem Wohnzimmerfenster bietet sich an Wochenenden immer wieder dasselbe Bild: aufgeklappte Motorhauben, unter denen halbe Körper hervorschauen. Auf das Prädikat "Volk der Bastler" sind die Tschechen stolz und demonstrieren diese Eigenschaft am allerliebsten an ihren Autos. So genannte Bazare, auf die man in manchen Prager Bezirken fast an jeder Ecke stößt, bieten in Hülle und Fülle Ersatzteile und alte Werkzeuge feil. Wozu ein neues Auto kaufen, wenn man das alte mit Bastelei und Geschick immer wieder fahrtauglich bekommt?

Prag, Samstagmorgens um zehn: Beim Blick aus unserem Wohnzimmerfenster bietet sich an Wochenenden immer wieder dasselbe Bild: aufgeklappte Motorhauben, unter denen halbe Körper hervorschauen. Auf das Prädikat "Volk der Bastler" sind die Tschechen stolz und demonstrieren diese Eigenschaft am allerliebsten an ihren Autos. So genannte Bazare, auf die man in manchen Prager Bezirken fast an jeder Ecke stößt, bieten in Hülle und Fülle Ersatzteile und alte Werkzeuge feil. Wozu ein neues Auto kaufen, wenn man das alte mit Bastelei und Geschick immer wieder fahrtauglich bekommt? In Zeiten, wo anderswo die Wegwerfgesellschaft boomt, eine durchaus beeindruckende Philosophie, finde ich.

Nachdenklich machte mich allerdings unlängst ein Gespräch mit einem Rundfunk-Kollegen, der den Basteltrieb in Zusammenhang mit einer weiteren Eigenschaft brachte, die viele Tschechen an sich selbst und ihren Landsleuten als typisch diagnostizieren: dem Neid. Der Kollege zeigte mir das vom Hochwasser schwer beschädigte Rundfunkgebäude seines Senders, das nach fast einjährigen Renovierungsarbeiten jetzt wieder funktionstüchtig ist. Doch die nach der Beseitigung der Schäden wesentlich modernere Einrichtung und Technik macht ihm in einem Punkt auch Bauchschmerzen: Er fürchtet, dass nach dem in Kürze bevorstehenden "Tag der offenen Tür", bei dem sich das Rundfunkgebäude erstmals nach dem Hochwasser der Öffentlichkeit präsentiert, einige Hörer mit einem Gefühl des Neides nach Hause gehen werden: Das ist zwar alles sehr schön und modern hier, aber woher haben die das Geld dafür genommen? Sicherlich doch von unseren Gebühren, und das, wo wir selber kein Geld haben...

Auf meine Bemerkung, dass man solchen Hörern darauf doch mit gutem Gewissen die Wahrheit sagen könne - nämlich dass den Löwenanteil an den Renovierungen die Versicherung getragen habe - winkte mein Gesprächspartner ab: Erstens würden die Hörer, die solche Gedanken hätten, gar nicht das Gespräch suchen, sondern ihre Gedanken für sich behalten. Und zweitens: sobald so ein Gefühl einmal da sei, habe man auch mit Argumenten keine Chance, dagegen anzukommen. Dahinter stecke eine grundsätzliche Abneigung gegen Modernisierung. Wenn sie selber fähig seien, so die Logik der Hörer, alte Technik immer wieder in Gang zu bekommen, warum muss dann der Rundfunk modern ausgestattet sein? Dass die modernen Studios in allererster Linie eingerichtet wurden, um den Dienst für die Hörer zu verbessern, ist dabei zweitrangig. Schade eigentlich. Ebenso wie es schade ist, dass vielfach scheinbar noch das gleichmacherische Gefühl verbreitet ist, wer etwas mehr hat als man selbst oder etwas Besseres, dem steht dies nicht zu und der wird erst einmal mit Argwohn betrachtet.