"Tschechien und Deutschland haben allen Anlass, nach vorne zu blicken"

Gerhard Schröder und Vladimir Spidla, Foto: CTK

Deutschland und Tschechien sehen den heftigen Streit über die Vertreibung der Sudetendeutschen für offiziell überwunden und wollen ihre Beziehungen auf eine gemeinsame Zukunft in der Europäischen Union ausrichten, sagte der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder am Freitag in Prag. Seinen Besuch, auf dessen Programm Treffen mit Präsident Vaclav Klaus, Premier Vladimir Spidla sowie den Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern, Petr Pithart und Lubomir Zaoralek, standen, fasst Markéta Maurová zusammen.

Gerhard Schröder und Vladimir Spidla,  Foto: CTK
"Ich bin hier einfach um deutlich zu machen, dass Tschechien und Deutschland allen Anlass haben, nach vorne zu blicken."

Unter dem Zeichen von dieser Aussage stand der Besuch des deutschen Bundeskanzlers am Freitag in Prag. Nachdem er seine Visite vor anderthalb Jahren wegen umstrittener Äußerungen von Ex-Premier Milos Zeman an die Adresse der Sudetendeutschen abgesagt hatte, sollte der jetzige Besuch einen Neuanfang in den bilateralen Beziehungen demonstrieren.

Diesen symbolisiert auch die Übergabe einer Gedenkplakette des tschechischen Rates der NS-Opfer an den deutschen Bundeskanzler. Er ist der erste Träger dieser Medaille überhaupt, die ihm als Dank für sein Engagement bei der Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter verliehen wurde. Von der Bundesstiftung erhält Tschechien rund 216 Millionen Euro. Schröder habe sich hier als "wagemutiger" Politiker bewiesen, sagte der tschechische Premier Spidla bei diesem Anlass.

Die politischen Gespräche galten jedoch weniger der Vergangenheit und viel mehr der Zukunft. Gesprochen wurde u.a. über die geplante EU-Verfassung. Hier wünscht sich Prag eine Nachbesserung des Entwurfs. Bundeskanzler Schröder dazu:

"Ich finde, dass das berechtigt ist, wenn man äußert, wo man mit dem Ergebnis des Konvents noch nicht einverstanden ist. Übrigens auch Deutschland ist nicht mit allem einverstanden, was im Konventsergebnis festgeschrieben ist, auch wir hätten uns an einem oder anderen Punkt andere Regelung vorstellen können. Das ist also nicht begrenzt auf die kleinen und mittleren Länder, sondern betrifft die großen in ganz genau gleicher Weise."

Schröder warnte jedoch nachdrücklich vor einem "völligen Aufschnüren des sehr, sehr guten Kompromiss-Pakets". Der tschechische Regierungschef Vladimir Spidla stellte fest:

"Die Tschechische Republik ist der Meinung, dass es Fragen gibt, über die man verhandeln kann, wie etwa das Prinzip "Ein Land - ein Kommissar" auch nach dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens. Wir gehen jedoch von der selben bzw. ähnlichen Strategie aus, von der Herr Gerhard Schröder gesprochen hat. Wir halten es für nötig, dass die Verhandlungen effektiv, qualitativ und ergebnisorientiert sind. Dieses Ergebnis wird sich wohl in einigen partiellen Momenten von dem nun vorgelegten Entwurf unterscheiden, dies ist jedoch eine Frage weiterer Verhandlungen, die in Europa letztendlich üblich sind."

Die EU-Erweiterung war auch Thema bei einem Treffen mit Senatspräsident Petr Pithart. Der Bundeskanzler versprach dabei, die maximal sieben Jahre lange Übergangsfrist für Arbeitnehmer aus neuen EU-Staaten im Jahr 2006 nachhaltig zu prüfen.