"Drobne, drobne!!"
Inzwischen gibt es in Prag praktisch alles zu kaufen. Sofern man das nötige Geld dazu hat. Aber auch wenn man es hat, kann es zu Problemen kommen. Dazu die folgende Glosse von Alexander Schneller.
Da ging ich unlängst, vom Radiostudio her kommend, den Wenzelsplatz hinunter, als plötzlich ein älterer Mann auf mich zutrat, mir die hohle Hand entgegenstreckte und mit ziemlich fordernder Stimme sagte:"Drobne, drobne!!" Obwohl ich sofort realisierte, was er meinte, musste ich doch eine ziemlich verdutzte Miene gezogen haben, denn er doppelte gleich nach:"Money, money!!" Das war mir denn doch zu dreist, und so zog ich, ohne mit der Wimper zu zucken, weiter. Nun ist "drobne" genau genommen nicht einfach money, Geld, sondern Kleingeld.
Und damit sind wir bei einem nicht kleinen Problem hier in der Tschechischen Republik. Denn nicht nur Bettler und Schnorrer wollen Kleingeld Auch wenn ich einkaufe und kein Kleingeld bei mir habe, so gibts Probleme mit dem Wechselgeld. Und das geht zum Beispiel so.
Ich kaufe in einer Bäckerei fünf rohliky, also Hörnchen, oder wie man in Österreich und der Schweiz sagt: Kipfel, sowie zwei Pflaumenmusbuchteln. Das alles kostet rund 22 Kronen. Ohne lange zu überlegen, entnehme ich meiner Geldbörse eine Zweihundertkronennote. Die Verkäuferin guckt mich mit einer Mischung aus Belustigtheit und Herablassung an, schüttelt leicht den Kopf und stellt die in solchen Fällen unvermeidliche Frage:"Haben Sies nicht kleiner?" Und nun beginne ich zu suchen, im Portemonnaie, in der Jackentasche, in meiner Verzweiflung auch in der Hosentasche, obwohl sich dort ausser dem Taschentuch eh nichts befindet. Langsam, aber sicher läppern sich die Ein- und Zweikronenstücke zusammen. Es ist auch höchste Zeit, denn hinter mir hat sich inzwischen eine unübersehbare, bis zum Bürgersteig nach draussen erstreckende Schlange von ungeduldigen Leuten gebildet, die halt auch noch etwas kaufen wollen. Ausserdem trommelt die Verkäuferin demonstrativ mit den Fingern auf die Theke. Da, endlich habe ich mit Hilfe von fünf letzten 50 Hellerstücken das Geld beisammen, reiche es mit entschuldigender Miene rüber und verdrücke mich so schnell wie möglich an vielen spöttischen und blitzenden Augenpaaren vorbei.
Noch ein Beispiel gefällig?
Ich sitze mit meiner Frau im Restaurant, wir haben gut gespeist und "ucet", also die Rechnung, bestellt. Der Preis ist angemessen und steht in einem guten Verhältnis zur Qualität des Genossenen. Ich zücke diesmal eine Eintausendkronennote und strecke sie dem Kellner hin. Blankes Entsetzen macht sich auf seinem Gesicht breit, seine Gesichtsfarbe wechselt von bleich, weiss bis grün und zurück. Er hat die Note zwar ergriffen, hält sie aber immer noch leicht zitternd in der Hand. Endlich würgt er die unvermeidliche Frage heraus. Diesmal aber bleibe ich hart, schüttle energisch den Kopf. "Bohuzel ne!" "Leider nicht!" antwortete ich dezidiert. Nach einigen taumelnden Schritten ruft er mir "Einen Moment, bitte!" zu und hastet jetzt in Richtung eines Kellnerkollegen. Ich beobachte, wie nach einem kurzen, aber heftigen Wortwechsel mein Kellner verzweifelt mit den Achseln zuckt, dann zu seiner letzten Hoffnung, zur Theke eilt, aber auch dort, es ist deutlich zu erkennen, keinen Erfolg hat. Dann plötzlich rennt, ja galoppiert er zur Tür hinaus und verschwindet in den Strassen der Prager Altstadt. Aus dem angekündigten Moment werden geschlagene 30 Minuten, wir werden schon langsam unruhig. Da geht die Tür auf und unser Kellner, völlig ausser Atem und verschwitzt, wankt herein, in der Linken triumphierend das erjagte Wechselgeld schwenkend. Unter vielen Entschuldigungen, keuchend und immer noch leicht zitternd, blättert er mir die Noten und Münzen hin. Nun habe ich doch ein schlechtes Gewissen und schiebe unserem einsatzfreudigen Kellner ein zünftiges Trinkgeld nach. Seither, liebe Hörerinnen und Hörer, sorge ich immer dafür, dass ich genügend "drobne" bei mir habe. Oder ich mache einen grossen Bogen um Geschäft oder Restaurant.