Weihnachten in Familie
Weihnachten in der Familie - das ist das Motto des folgenden Beitrags. In seine eigene, nämlich tschechisch-deutsche Familie, lädt Sie jetzt unser Kollege Lothar Martin, ein.
Susi: ...ja, Weihnachten in Familie - dieser Titel von einer schon etwas angestaubten Amiga-LP wird jedes Jahr bei uns zu Hause zum Weihnachtsfest gespielt.
Richard: Gestatten, Richard, ich bin der jüngste Spross der Familie. Ach so, Sie glauben, Weihnachten in einer deutschen Familie, das ist doch nichts Außergewöhnliches. Stimmt, aber nur zur Hälfte. Denn meine Mutter ist Tschechin, und bei ihr wird die tschechische Weihnachtstradition groß geschrieben. Meinen Vater, den kennen Sie ja bereits - das ist der, der sich bei den Nachrichten im Rundfunk nicht selten verspricht...
Vater: Richard, hol´ mal die Streichhölzer, wir wollen die Pyramide anzünden!
Richard: Ja richtig, die Pyramide, die steht jedes Jahr bei uns auf dem Tisch, wenn es weihnachtet. Zu Advent, zu Heilig Abend, und sie wird immer angezündet, wenn wir gemeinsam zusammensitzen bei Kaffee und Plätzchen, Pfefferkuchen und Stollen...
Vater: Will noch jemand ein Stück Dresdner Christstollen?
Susi: Ach, der schon wieder. Jedes Jahr versucht mein Vater uns dieses weiße Puderzeug unter die Nase zu reiben. Dieser Stollen hat zwar eine riesige, jahrhundertealte Tradition, ist mir aber viel zu süß...
Vater: Was maulst Du wieder Susi! Du weißt halt nicht was gut ist!
Mutter: Na du schon wieder. Immer wenn Du dich zum Weihnachtsfest mit Deinem sächsischen Stollen voll gefuttert hast, dann bist Du doch froh, wenn Du am nächsten Morgen bei einer Tasse Tee auf meinen "Vánocka" zurückgreifen kannst, stimmts?
Susi: Ja, Mutti hat Recht. Vánocka heißt frei übersetzt eigentlich nichts anderes als Weihnachtsstriezel. Er wird ähnlich zubereitet wie der Dresdner Christstollen, hat jedoch weniger Fett und Ingredienzien, und vor allem: Er ist nicht so widerlich süß! Ach, wenn ich den nur selbst backen könnte...
Richard: Ja, Mutti, erklär Susi mal, wie man das macht!
Mutter: Das ist doch ganz einfach: Man nehme folgende Zutaten: 500 g Mehl, 125 g Butter, 100 g Zucker, drei Eigelb, Vanille, ¼ l Milch, Hefe, Rosinen, Mandeln und ein wenig Rum. Wir bereiten den Teig vor und lassen ihn aufgehen. Den Teig zerteilen wir in neun gleiche Teile und formen daraus neun lange Nudelstücke. Diese werden nun zu Zöpfen geknüpft: erst vier, dann drei und zuletzt noch zwei Nudelstücke miteinander. Wir lassen den Weihnachtstriezel noch ein wenig aufgehen, bestreichen ihn mit Eiflüssigkeit, garnieren ihn noch mit groben Mandeln und geben ihn dann in die vorgeheizte Backröhre.
Richard: Das hat meine Mutter doch toll erklärt, oder? Zur Belohnung sollten wir jetzt ein tschechisches Weihnachtslied spielen, und zwar
Mutter: Ja, das war schön. Aber noch schöner wäre es, wenn ihr mir selbst ein Weihnachtslied vortragen würdet: einer spielt auf der Flöte und wir anderen drei singen dazu!
Susi: Ach Mutti, wozu die Anstrengung? Heute gibt es CDs vom Allerfeinsten und vielleicht hat Dir Vater ja sogar einen neuen Fernseher mit Dolby-Seround-Qualität gekauft, dann kannst Du nämlich auf diesen Klängen förmlich dahinschweben!
Mutter: Dahinschweben, wozu? Ich will nur ein gemütliches Weihnachtsfest, das heißt: keine Hektik, keinen Lärm, nur fröhlich-dezente Musik und seelische Genüsse...
Richard: Ja, Mutti, ich weiß was Du brauchst. Wie wäre es wieder mit einem lieblichen Räucherkerzchen?
Vater: Richtig, im Zimmer muss es angenehm riechen - vom wabernden Rauch der Räucherkerzen aus dem Erzgebirge oder vom Duft des Tannenbaumes.
Susi: Was, das soll ne Tanne sein? Ich dachte eher, das ist Omas Krückstock mit angeklebten grünen Nadeln...
Vater: Ich werd Dir gleich was erzählen, von wegen Krückstock. Diesen Baum habe ich dieses Jahr extra im Rundfunk bestellt...
Mutter: Na dann wirst Du aber schief angeguckt auf Arbeit, oder?
Vater: Nun meckere doch nicht dauernd, sondern reich endlich ein Schnitzel rüber!
Richard: Oh ja, endlich wieder leckere Schnitzel mit Kartoffelsalat.
Mutter: Ach ihr Männer, Schnitzel gibt es das ganze Jahr über, das ist doch kein richtiger Weihnachtsschmaus. Hierzulande isst man schon seit Jahrhunderten panierten Karpfen zum Heilig Abend...
Vater: ...leider Gottes. Ich möchte nur wissen, wer diese blöde Eingebung hatte. Mit viel Aufwand wird so ein Karpfen paniert und zubereitet, doch wenn Du dann lechzend darauf wartest, um herzhaft hinein beißen zu können, musst Du das Ganze wieder entbröseln, weil Du ihn ja noch entgräten musst. So ein Widersinn!
Mutter: Von wegen Widersinn, zu Weihnachten nimmt man sich halt mehr Zeit beim Essen und Trinken. Man genießt das ganze einfach mehr. Aber nun genug geredet, ich möchte das Fest jetzt wirklich genießen. Also legt doch noch ne Platte auf...
Richard: Klaro, wird gemacht Chefin! Und was würde besser passen zu einer deutsch-tschechischen Familienweihnacht als die weltbekannte Melodie: "Stille Nacht, heilige Nacht!"...
Susi: ...für Sie liebe Hörerinnen und Hörer aber heute ganz speziell in der tschechischen Version...
Vater: ...und damit beschließen wir auch den kleinen Einblick in unser familiäres Innenleben und wünschen Ihnen zu Hause an den Rundfunkgeräten noch ein
Alle: ...frohes Fest!