Geweihtes Salz und böse Geister – Weihnachtsbräuche im südlichen Böhmen 1938

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Christbaum, Christkind und Krippen – Bräuche und Traditionen spielen gerade an Weihnachten eine wichtige Rolle. Dabei gibt es bekanntermaßen regional große Unterschiede. Wie diese Unterschiede aussehen, interessiert die Menschen seit jeher. Deshalb strahlte der Tschechoslowakische Rundfunkt 1938 einen Beitrag über das Brauchtum im südlichen Böhmen aus. Dabei ging es nicht zuletzt um Weihnachten.

Das südliche Böhmen und sein Brauchtum. Dies machte der Tschechoslowakische Rundfunk 1938 aus gutem Grund zum Thema einer Sendung. Südböhmen war zu dieser Zeit für viele Bürger der Tschechoslowakei ein fast unbekanntes Gebiet. Vor allem lag dies daran, dass die Infrastruktur in diesem Teil des Landes nur sehr spärlich ausgebaut war. Ein Umstand, der es nicht nur Touristen schwer machte das Gebiet zu bereisen, auch für die Bevölkerung Südböhmens stellte die schlechte Infrastruktur ein erhebliches Problem dar. Der Reporter nennt seinen deutschsprachigen Hörern ein paar Beispiele:

„Es gibt Ortschaften, deren Bewohner zur nächstgelegenen Bahnstation vier bis fünf Wegstunden zurückzulegen haben, so dass eine notwendige Vorsprache bei der Bezirksbehörde oder beim Steueramt oft einen Zeitaufwand von zwei, wenn nicht gleich drei Tagen erfordert. Wen wundert es da, dass so mancher Bewohner des südlichen Böhmens noch keine Eisenbahn sah. Ein Großteil der Gemeinden ist nicht elektrifiziert und besitzt keine Telefonleitung.“

In Südböhmen sagten sich damals also Fuchs und Hase gute Nacht. Die Abgelegenheit fand Entsprechung beim Menschenschlag, glaubt man den Worten unseres Reporters.

„Die alteingesessene Bevölkerung des südlichsten Böhmens gehört dem Wäldlertyp an und hält fest an den ererbten Gütern und Bräuchen. Sie ist ablehnend und misstrauisch gegenüber Neuem und Fremdem. Frömmigkeit, Fleiß und Bescheidenheit erkennt man als hervorstechende Charaktereigenschaften.“

Diese Eigenschaften haben ihren Ursprung in einem harten und entbehrungsreichen Leben, wie der Reporter betont. Die Armut in Südböhmen war zur damaligen Zeit sehr groß und Geld war nur für das Nötigste vorhanden. Die Geschenke für die Kinder zur Weihnachtszeit fielen daher eher bescheiden aus. Trotzdem war die Vorfreude bei den Kleinen groß. Die Bescherung hatte deshalb einen besonderen Platz im weihnachtlichen Tagesablauf.

„Es ist wohl bezeichnend, dass hier zu Weihnachten die Bescherung vielfach in den ersten Morgenstunden stattfindet, damit die Kinder mit ihren bescheidenen Geschenken beschäftigt sind und die Mutter das Hauswesen für die Feiertage ungestört auf Glanz herrichten kann.“

Natürlich gehörte auch der Besuch der Kirche für die frommen Südböhmen zum weihnachtlichen Programm. In die christliche Frömmigkeit mischte sich aber auch viel heidnisches Gedankengut, und neben dem Glauben blühte ein reger Aberglaube, wie unser Reporter erzählt:

„In der Weihnachtsnacht, bevor der oft stundenlange Weg zur Mitternachtsmesse angetreten wird, bekommt das Vieh Brot und geweihtes Salz. Auch werden die Euter mit Honig massiert, um fürs nächste Jahr erneut den Milchsegen zu sichern. Auf dem Weg zur Kirche werden auf langläufigen Pistolen Schüsse abgefeuert, um die bösen Geister aus Haus und Hof zu vertreiben.“