Aufarbeitung von Verfolgung und Exil - am Samstag beginnt in Prag das 12. Else-Lasker-Schüler-Forum

Verfolgung und Exil der Intellektuellen und Künstler, das ist das Arbeitsthema der in Wuppertal ansässigen Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, der zahlreiche prominente Schriftsteller, Politiker und Künstler angehören. Fernziel ist die Gründung eines "Zentrums der verfolgten Künste". Etappen auf diesem Weg sind die seit 1993 jährlich stattfindenden Else-Lasker-Schüler-Foren. Das zwölfte beginnt am kommenden Samstag in Prag - eine politisch-literarisch-kultuelle Großveranstaltung. Mehr dazu von Thomas Kirschner.

Diskussionen, Lesungen, Konzerte - insgesamt 28 Einzelveranstaltungen umfasst das einwöchige Programm des 12. Else-Lasker-Schüler-Forums, in dem sich ein hochkarätiger Name an den anderen reiht. In der Eröffnungsveranstaltung diskutieren so etwa die mitteleuropäischen Nachwendepräsidenten Vaclav Havel (Tschechien), Arpad Göncz (Ungarn), Lech Walesa (Polen) und Lennart Meri (Estland) unter dem Havelschen Titel "Versuch, in der Wahrheit zu leben." Eine Spiegelung findet dies in einer Schriftsteller-Runde, an der unteren anderem György Konrad, Jiri Grusa, Jorge Semprun und Günter Kunert teilnehmen und die am 24. Oktober den Abschluss des Forums bildet. Beides spannt den Rahmen für eine intensive Auseinandersetzung mit der Verfolgung von Künstlern und Intellektuellen in totalitären Regimen. Die Else-Lasker-Schüler-Foren verstehen sich damit als Arbeitsprobe eines zukünftigen Forschungs- und Dokumentationszentrums für verfolgte Literatur, erläutert der Vorsitzende der Lasker-Schüler-Gesellschaft, Hajo Jahn.

"Wir möchten so ein Zentrum, das aktiv arbeitet, damit jungen Leuten klar gemacht werden kann: es darf sich nicht wiederholen, was unter den Nazis, den Kommunisten oder anderen Diktaturen passiert ist. Und das haben die Intellektuellen in ihren Werken dargestellt - wie es passiert ist und wie es sich ausgewirkt hat. Und das ist die Tradition dieser Foren, und wenn es klappt, wird es ein solches Zentrum geben."

Nach Jerusalem und Breslau ist Prag der dritte ausländische Veranstaltungsort des Forums. Nach 1933 war die Tschechoslowakei für NS-Flüchtlinge eines der wichtigsten Exilländer. Wie überhaupt Exil und Verfolgung in der tschechischen Hauptstadt im 20. Jahrhundert unter wechselnden politischen Vorzeichen ein dauerndes Thema waren, so Hajo Jahn.

"Hier wurden die Flüchtlinge aufgenommen nach der russischen Oktoberrevolution, hier wurden die deutschen Flüchtlinge aufgenommen nach der Machtergreifung Hitlers und seiner Schergen 1933 - die berühmtesten waren Thomas und Heinrich Mann. Else Lasker-Schüler hat übrigens in Prag häufig gelesen und war mit vielen der deutschsprachigen Dichter bekannt und befreundet. Nach 1968 sind viele Prager Dichter ins freie Deutschland gekommen. Also ein Thema, das uns angeht, das wichtig ist und auf das wir über diese Menschen ins Gespräch kommen. Und auf diese Menschen können wir stolz sein."

Die Aufrichtigkeit dieser Menschen zu ehren, die das Exil einer Anpassung an die herrschende Macht vorzogen, das heißt oft vor allem, ihre Erinnerung zu bewahren. Denn Exil bedeutet auch das Abschneiden von Verbindungen und nicht selten die Vergessenheit. Daher versprechen gerade die weniger prominent besetzten Programmpunkte des Forums die eigentlich wichtigen zu werden. So zum Beispiel die Lesung des 1917 im böhmerwäldischen Bergreichenstein / Kasperské Hory geborenen deutsch-jüdischen Zeichners und Lyrikers Joseph Hahn, der 1939 vor den Nationalsozialisten in die USA floh und seitdem nicht mehr in seiner Heimat war.

Das Else-Lasker-Schüler-Forum findet vom 16.-24. Oktober an verschiedenen Veranstaltungsorten in Prag statt. Das genaue Programm ist unter folgender Internetadresse zu finden:

http://www.els.gesellschaft.wtal.de/els_forum/forum_12/els12.html.