Freiheit und Liebe – Ausstellung über verfolgte Künstler und Schriftsteller in Ústí
„Freiheit und Liebe“ – so heißt eine Ausstellung, die seit Dienstag im Museum von Ústí nad Labem / Aussig zu sehen ist. Die Räume wurden vom Collegium Bohemicum zur Verfügung gestellt. Die Exposition umfasst Werke von deutschen Künstlern, die während der Nazizeit verboten waren. Es sind Bilder und Skulpturen, aber auch literarische Werke. Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt der deutschen Botschaft, des Collegium Bohemicums und des Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren in Zusammenarbeit mit dem Museum Montanelli in Prag und dem Kunstmuseum Solingen.
„Auch heute brauchen wir starke und unabhängige Kunst. Auch heute ist es nötig, dass Künstler mit Liebe und Freiheit gegen die Beschränktheit und den Hass kämpfen und dadurch die Zivilisation und den Humanismus verteidigen. Prag, Berlin und andere europäische Städte sind zum Glück wieder frei. Sie sind wieder voller Künstler verschiedener Nationen, sie sind wieder voller Inspiration, voller Zauber und voller Hoffnung. Und ich hoffe sehr, dass es so bleibt.“
In seiner Rede betonte Jan Fischer die Rolle und die Freiheit der Künstler in der heutigen Zeit. Eine Freiheit, die im Nationalsozialismus stark eingeschränkt war. Viele Künstler waren verboten, sie durften nicht gezeigt werden – und gerade diesen Menschen widmet sich die neue Ausstellung in Ústí. Die Werke stammen aus dem Kunstmuseum Solingen. Direktor Rolf Jessewitsch:„Wir haben 2008 in Solingen das Projekt ‚Verfolgte Künste’ begonnen. Dort haben wir eine umfassende Sammlung zur Kunst der verfolgten Künstler. Das ist etwas, was man in deutschen Museen sonst nicht findet, es sind die Bilder, die aus deutschen Museen entfernt wurden. Also Bilder, die die Künstler nicht malen durften, die sie nicht besitzen durften. Andererseits haben wir auch eine Literatursammlung. Das sind Literaten, die lange Jahre in Europa vergessen waren.“
Jessewitsch erklärt, wie die Ausstellung zunächst nach Prag und von dort dann in die nordböhmische Industriestadt Ústí kam:„Das Museum Montanelli in Prag auf der Nerudova, die zur Burg hinaufführt, hatte unsere Ausstellung übernommen. Und die Reaktion in der Öffentlichkeit war so gut, dass die deutsche Botschaft und der deutsch-tschechische Zukunftsfonds gesagt haben: Macht es noch einmal an einer zweiten Station! Und dann wurde dieses wunderbare Gebäude in Ústí vorgeschlagen.“
Die Ausstellung in Prag trug den Namen „Dreams and Nightmares“. Radio Prag hat darüber im März berichtet. In Ústí wurde die Exposition anders gestaltet und erhielt den Titel „Freiheit und Liebe“:
„Wir haben die Ausstellung erweitert. Weil hier [in Ústí] die Räumlichkeiten größer sind, können wir das Thema besser und umfangreicher vorstellen. Hier kommt der Bereich Literatur mit dazu, der in Prag nicht so ausgiebig vorgestellt wurde ,und hier ist auch der Künstler Otto Pankok mit seinen Schwarz-Weiß-Bildern zu sehen. Die konnten wir in Prag nicht ausstellen, weil die Räumlichkeiten im Museum Montanelli beengter sind.“Pankok war gebürtiger Bochumer, der an der Akademie in Düsseldorf studierte. Nach dem Ersten Weltkrieg wirkte er in der Stadt am Rhein, bis er sich 1935 in Münsterland in die innere Emigration zurückzog. Ein Jahr später erhielt Otto Pankok Berufsverbot. Den Nazis waren besonders seine Bilder über die in Düsseldorf lebenden Sinti und Roma ein Dorn im Auge. Pankoks Werken ist in Ústí ein ganzer Raum gewidmet. Dort kommen die großformatigen Schwarz-Weiß-Werke besonders gut zur Geltung.
Rolf Jessewitsch weist aber noch auf eine weitere Künstlerin hin, die seiner Meinung nach besondere Aufmerksamkeit verdient:„Insbesondere ist mir hier die einzige Bronzeskulptur von einer Bildhauerin wichtig, die einmal die bedeutendste in ganz Deutschland war. Milli Steger kennt heute keiner mehr, sie war mit Else Lasker-Schüler befreundet und mit Nina Kandinsky, die durch ihren Mann in der Kunstgeschichte bekannt geworden ist. Sie macht ein Netzwerk sichtbar, das die Künstler damals hatten und sie hat natürlich auch eine wunderbare Arbeit mit dieser Bronzeskulptur abgeliefert.“
Die Dichterin Else Lasker-Schüler ist der verbindende Geist der Ausstellung. Sie stammte aus Wuppertal, lebte in Berlin und nach der Machtergreifung in der Schweiz. 1945 starb sie in Jerusalem. Lasker-Schüler kannte die ausgestellten Künstler und war im regen Kontakt mit den Prager Autoren. Eine Zeichnung von ihr prägt das Logo der Ausstellung, und Zeilen ihrer Gedichte begleiten den Besucher durch die einzelnen Ausstellungsräume.
Die Literatur ist auch der Grund, warum die deutsche Botschaft das Projekt unterstützt. Denn sie engagiert sich gerade in der Aktion „Šprechtíme“, einem Projekt, das den Erwerb der deutschen Sprache in Tschechien fördern soll. Der deutsche Botschafter in Tschechien, Detlef Lingemann, war ebenfalls bei der Vernissage:„Die Idee wurde beim Empfang am 3. Oktober letzen Jahres geboren, ich war gerade neu in Prag und traf dort Herrn Serke, der seine Bücher der Ausstellung hier zur Verfügung gestellt hat. Er hat mir dann seine Überlegungen vorgetragen, und ich habe direkt gedacht, dass es eine großartige Idee ist, hier Bücher von Künstlern zu zeigen, die in der deutschen Sprache einen ganz wichtigen Beitrag zur Literatur geleistet haben.“
Jürgen Serke veröffentlichte 1987 das Buch „Böhmische Dörfer“, in dem er der deutschen Exilliteratur ein Denkmal gesetzt hat. 2001 wurde die tschechische Übersetzung des Buches sogar mit dem höchsten Buchpreis hierzulande, dem Magnesia Litera ausgezeichnet. Seine umfangreiche Literatursammlung hat Serke dem Museum in Solingen zur Verfügung gestellt. Wie aber stellt man Bücher aus? Keine einfache Frage, wie auch der Solinger Museumsdirektor Jessewitsch zugeben muss:„Das ist eine gute Frage, Bücher sind immer langweilig, wenn man sie nicht liest. Aber wir haben die Bücher ausgestellt, in dem wir die historische Situation, den Kerngedanken des Schriftstellers und seine Wirkung zeigen. Was hat er mit seinem Buch erreicht? Das Lesen machen wir damit allerdings nicht überflüssig, das muss man immer noch selber machen.“
Autor Serke ist mit dem gewählten Weg zufrieden, er lobte auch die Verbindung von Literatur und bildender Kunst:
„Ich habe kein Problem, eine Verbindung zu finden. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus ist in dieser Ausstellung bezogen auf deutschsprachige Autoren der Tschechoslowakei. Und hier werden nun also Bilder gezeigt von Malern, die gegen das Dritte Reich gekämpft haben. Insofern ist die Verbindung da, und bei einigen Beispielen kann man ja auch sehen, dass diese Leute, diese Maler, erst mal Zuflucht suchten in der Tschechoslowakei.“
Das Konzept der Ausstellung hat auch die anwesenden Politiker beeindruckt. Der Vorsitzende der Deutsch-Tschechischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, Heinz-Peter Haustein:
„Die Worte ‚Freiheit und Liebe’, ich bin ja Mitglied einer freiheitlichen Partei, der FDP, also Freiheit und Liebe so zu kombinieren, das habe ich das erste Mal gesehen. Ich war ganz gespannt und bin jetzt ganz gespannt, was ich in dieser Ausstellung alles sehen kann.“Um die Ausstellung auch einer jüngeren Generation zugänglich zu machen, gibt es ein Begleitprogramm. Organisiert wurde es vom Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren, wie die Direktorin Lucie Černohousová erklärt:
„Wir haben für die Ausstellung zwei Medienworkshops für Schüler veranstaltet, die sich mit der Ausstellung beschäftigt haben. Gleichzeitig konnten sie erfahren, wie es ist, Journalist oder Rundfunkredakteur zu sein. Da die gesamte Ausstellung im Rahmen der Kampagne ‚Šprechtíme’ stattfindet ist es natürlich bedeutend, dass es um die deutsche Sprache geht. Daneben organisiert das Collegium Bohemicum für die Schüler kommentierte Führungen, und schließlich wird die Ausstellung noch durch eine Lesung von Jürgen Serke und Jaroslav Rudiš beendet.”
Die Bilder, Bücher und Skulpuren sind auf vier Räume verteilt. Die Ausstellung ist großzügig, das Arrangement der Bilder ist klar und übersichtlich gegliedert. Die literarischen Werke werden mittels eines Begleittextes in ihren historischen Kontext eingeordnet und lassen sich in Glasvitrinen betrachten. Dabei wird nie das verbindende Motiv, die Verfolgung, vernachlässigt.Die Ausstellung Freiheit und Liebe ist im Museum Ústí noch bis zum 2. September zu besichtigen, das Gebäude ist von Dienstag bis Sonntag von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.