Tschechische Regierung will Asylrecht auf die Schnelle verschärfen – Kritik von Opposition und NGOs
Wenige Monate vor Ende der Legislaturperiode will die tschechische Regierungskoalition noch das Asylrecht verschärfen. In einem verkürzten Verfahren sollen die neuen Regeln im Parlament durchgesetzt werden. Doch die Opposition stellt sich quer, und Hilfsorganisationen halten Teile des Gesetzes für verfassungswidrig.
Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung schneller abschieben, die Möglichkeiten für Asylanträge einschränken und mehr Asylbewerber unter Aufsicht stellen – das sind einige der Punkte, die die tschechische Regierungskoalition plant. Dazu wurde eine Novelle des Migrationsgesetzes entworfen. Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) sagte bei der Vorstellung des Projekts vor rund drei Wochen:
„Es geht nur, wenn wir mutigere Schritte sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene unternehmen. Diese Schritte führen dazu, die illegale Migration zu besiegen.“
Doch Hilfsorganisationen, die sich um die Betreuung von Asylbewerbern in Tschechien kümmern, sagen, dass sie zur Gesetzesnovelle überhaupt nicht angehört worden seien. Innenminister Vít Rakušan (Bürgermeisterpartei Stan), dessen Ressort die neuen Regeln ausgearbeitet hat, will allerdings mit den NGOs noch sprechen...
„Sie werden den Entwurf sicher noch in seiner Gesamtheit zu sehen bekommen – ob auf offizieller oder inoffizieller Ebene. Wir werden versuchen, sie zu überzeugen, dass eine Verschärfung wünschenswert ist für die Sicherheit, wir dabei aber internationales und europäisches Recht sowie die grundlegenden Menschenrechte beachten“, so der Minister.
Letzteres bezweifelt indes Martin Rozumek. Er leitet die Organisation für Flüchtlingshilfe (Organizce pro pomoc uprchlíkům) und hat bereits Einblick in den Gesetzentwurf genommen. In einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte er:
„Ich denke, der Gesetzesvorschlag steht nicht im Einklang mit internationalem Recht und ist sogar verfassungswidrig. Denn das Recht von Ausländern, Asyl zu beantragen, wird in einer ganzen Reihe von Fällen eingeschränkt. Im Entwurf wird auch gesagt, dass sie kein Recht hätten, auf tschechisches Territorium zu gelangen. Das widerspricht den Grundlagen des internationalen Flüchtlingsrechts, wonach jeder das Recht hat, hineingelassen zu werden, um Asyl zu bitten und dass sein Ersuchen angehört wird. Der Gesetzesentwurf wurde mit heißer Nadel gestrickt. Und meiner Meinung nach wird er vor den Gerichten, besonders vor den höheren Instanzen, nicht bestehen können.“
Dabei behauptet die Regierung, dass die Novelle vor allem die Regeln des neuen EU-Migrationspakts in tschechisches Recht implementiere. Dies betrifft zum Beispiel die Beschleunigung der Asylverfahren. Laut Rozumek trifft dies aber nur auf rund die Hälfte der neuen Vorschriften zu. Andere gehen seinen Aussagen zufolge weit über den Pakt hinaus.
„In jedem Fall ist das Ziel richtig, das Asylverfahren zu beschleunigen. Aber die Bewerber sollten viel seltener eingesperrt werden. Unbegleitete Kinder oder allgemein Minderjährige gehören nicht hinter Gitter. In Tschechien werden viele Menschen in Abschiebelagern festgehalten. Und der Gesetzesvorschlag ermöglicht, praktisch jeden in solchen gefängnisartigen Einrichtungen einzuschließen“, sagt Rozumek.
Zudem verweist Rozumek darauf, dass Tschechien ohnehin schon eine sehr restriktive Asylpolitik betreibe. Nur ein Bruchteil der Antragsteller werde anerkannt, so der Experte. Laut den Zahlen des Innenministeriums baten vergangenes Jahr insgesamt 1363 Menschen hierzulande um Asyl. 54 wurden anerkannt, weitere 149 erhielten subsidiären Schutz.
Der populistischen und rechtsgerichteten Opposition gehen die geplanten Neuerungen wiederum nicht genügend weit. Daher wollen weder die Partei Ano noch „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) die Vorlage unterstützen. Karel Havlíček ist stellvertretender Ano-Vorsitzender:
„Wir wollen null Toleranz für illegale Migration. Dafür wollen wir uns aber vom EU-Migrationspakt abkoppeln. Genau das deklariert die Regierung aber nicht, sondern sie will diesen einführen.“
Dabei versucht die Regierung, auch die Opposition mit ins Boot zu holen. Denn sie will das Gesetz noch im April durch das Parlament bringen. Dazu bedient sie sich eines Tricks: Die Vorlage wird nämlich von einer Gruppe von Abgeordneten, aber nicht vom Kabinett eingebracht. Das ermöglicht, das Gesetz im beschleunigten Verfahren mit nur einer Lesung zu verabschieden. Nur so besteht die Chance, die neuen Regeln noch vor den Wahlen im Herbst in Kraft zu setzen. Sollten die Parteien Ano und SPD die Verabschiedung jedoch mit Obstruktionen hinauszögern, könnte der Zeitplan kippen. Und beide politischen Kräfte haben schon mehrfach in dieser Legislaturperiode genau so auf ihnen missliebige Rechtsnormen reagiert.
Die oppositionellen Piraten wiederum lehnen das Gesetz ab, weil eben die Hilfsorganisationen nicht im Vorfeld konsultiert wurden.