TV-Nova: Große Reality-Show nach nur einigen Folgen ersatzlos gestrichen
Zu einer weiteren Ausgabe von Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag, begrüßt Sie nun Robert Schuster.
Dabei machen wir gleich beim größten privaten Fernsehkanal des Landes, TV Nova, halt. Seit Tagen ist das mit Abstand erfolgreichste Medienunternehmen Tschechiens wieder einmal in den Schlagzeilen. Der Grund sind aber diesmal nicht die üblichen Gerüchte über einen möglichen Verkauf von TV Nova, die fast schon in regelmäßigen Abständen kolportiert und von den Mitbewerbern teilweise auch dankbar aufgegriffen werden.
Vor gut einer Woche hat der Sender eine wichtige Änderung in seinem Programmangebot durchgeführt. Sie betraf eines der Flagschiffe der Fernsehunterhaltung auf TV Nova, nämlich die Reality-Show Millionenpaar, die vergangene Woche ersatzlos gestrichen wurde. Ausschlaggebend für die unerwartete Entscheidung waren Enthüllungen, wonach eine der Teilnehmerinnen dieser Spielshow einst Darstellerin in Porno-Filmen gewesen sei und entsprechende Aufnahmen auch zeitgleich im Internet veröffentlicht wurden.
Ursprünglich sollten im Rahmen der Show zwölf Männer und zwölf Frauen, die vorher in einem langwierigen Casting ausgesucht wurden, als Paare unter ständiger Präsenz der Kameras vierzehn Wochen lang in einer Pension leben. In jeder Folge wäre ihnen die Erfüllung bestimmter Aufgaben abverlangt worden und die Zuschauer sollten nach jeder Sendung entscheiden, welches Paar ausscheidet. Am Ende sollte das siegreiche Paar heiraten und noch dazu eine Prämie in der Höhe von einer Million Kronen (umgerechnet etwas mehr als 30 000 Euro erhalten), wobei die erste Hälfte am Tag der Hochzeit, die andere am ersten Hochzeitstag vergeben werden sollte.Die Programmleitung des Fernsehsenders begründete ihre Entscheidung mit dem Hinweis auf die nach wie vor bestehende Vorbild-Funktion des Fernsehens gerade für jüngere Menschen.
Eine Begründung, die jedoch viele Kenner der tschechischen Fernsehbranche, wie etwa der Medienexperte Jan Potucek von der Wochenzeitschrift Reflex, von Beginn an anzweifelten. Potucek meint im Gespräch mit Radio Prag, die wahren Gründe zu kennen:
"Ich denke, das war ein vorgeschobener Grund, denn in Wahrheit blieben die Einschaltquoten weit hinter den Erwartugnen zurück. Die erste Folge schauten sich 1,6 Millionen Zuschauer an, bei der zweiten kam man mit 1,1 Millionen schon an die Ein-Millionen-Grenze, wo es für den Sender nicht mehr rentabel wäre. Die Begründung wegen den Porno-Filmen hält auch deshalb nicht stand, weil sie im Gegenteil der Sendung hätte helfen können, denn negative Werbung ist schließlich auch Werbung. Wahrscheinlich wurde die Show auch redaktionsintern aufgegeben. Deshalb wurde sie gestoppt und die Sache mit den Porno-Filmen war nicht der wahre Grund."
Auch in den meisten anderen tschechischen Medien wurde in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es eine Show dieses Schlags verlangt hätte, die Zuschauer besser vorzubereiten, und dass man nicht alle Sende-Formate, die vielleicht in Westeuropa erfolgreich waren, im Maßstab eins zu eins auf Tschechien überführen kann. Es hätte eine originelle Reality-Show werden sollen, die aber im wahrsten Sinne des Wortes von der Realität eingeholt wurde - so oder ähnlich war die Meinung von Tschechiens Kommentatoren.
Stellvertretend dafür wollen wir Ihnen nun einige Passagen aus einem Meinungsartikel von Tereza Nosálková bringen, der in der Tageszeitung Lidové noviny erschienen ist. Zitat:
"Nach dem Millionenerfolg der Sendung "Tschechien sucht den Superstar" hat wahrscheinlich das Selbstvertrauen der Programmverantwortlichen von Nova die Grenze überschritten, wo man die Tuchfühlung mit der bestehenden Wirklichkeit verliert. Für den Erfolg einer Reality-Show ist jedoch gerade das eine sehr schlechte Voraussetzung. Das, was ursprünglich als das große Medienprojekt des Senders gepriesen wurde, entpuppte sich auf Grund der abbröckelnden Zuschauerzahlen als sinkendes Schiff. Gegenüber der Öffentlichkeit hat die Leitung des Senders mit der schnellen Entscheidung ihr Gesicht vielleicht gewahrt, es wird aber nicht leicht sein, den Eigentümern von Nova die Millionen-Verluste des gescheiterten Millionen-Paars zu erklären."
Das vorzeitige Ende der Reality-Show Millionenpaar war aber in der letzten Zeit nicht der einzige Fall, wo TV Nova auf Grund des schwachen Interesses bei den Zuschauern eine ursprünglich als großen Publikumsmagneten im Ausland gekaufte Sendung von der Prime-Time auf spätere Stunden verschieben musste.
Im krassen Kontrast dazu stehen wiederum die unerwarteten Erfolge von zwei eigenproduzierten tschechischen Fernsehserien, deren Zuschauerzahlen schon nach der Ausstrahlung der ersten Folgen die ursprüngliche Erwartung weit übertreffen konnten.
Kommt es zu ähnlichen spektakulären Entscheidungen, dass nämlich Prestige-Projekte, die vorher stark beworben wurden, nach nur wenigen Ausgaben abgesetzt werden, auch in Ländern, deren Zuschauer auf dem Gebiet von Reality-Shows im Gegensatz zu den tschechischen bedeutend erfahrener sind? Hören Sie dazu die Meinung von Jan Potucek:
"Zufälligerweise wurde gerade vergangenen Monat eine ähnliche Realtiy-Show, die im deutschen Privatsender Pro Sieben lief, kurzfristig abgesetzt. Dort ging es darum, einen Mitarbeiter für eine Medienfirma zu suchen, wobei als Lockmittel das sagenhafte Gehalt von 300 000 Euro im Jahr dienen sollte. Das Aus kam bereits nach der ersten Folge und zwar auf Grund der unterdurchschnittlichen Einschaltquote. Daran kann man sehen, wo die Risiken von völlig neuen, vorher nicht ausreichend getesteten Shows liegen, und dass es immer auch um eine Lotterie geht - für Nova hat sich das nicht ausgezahlt."
Es bleibt abzuwarten, welche Folgen der Fall Millionen-Paar für die weitere Entwicklung der Unterhaltungssendungen in Tschechiens Fernsehlandschaft haben wird. TV Nova hat einige Tage nach dem Scheitern seiner Reality-Show angekündigt, der Sender wolle zu Beginn des nächsten Jahres eine neue Staffel der überaus erfolgreichen Sendung "Tschechien sucht den Superstar" starten.
Wurde hier somit von TV Nova auch generell der künftige Trend vorgegeben? Heißt das also, dass die Fernsehsender künftig vorsichtiger sein und lieber auf erprobte Unterhaltungssendungen zurückgreifen werden? Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Medienexperten Jan Potucek von der Wochenzeitschrift Reflex:
"Ich denke, die Fernsehanstalten werden jetzt vorsichtiger sein bei der Erarbeitung neuer Sendungen und werden eher auf die bereits erprobten zurückgreifen. Die Risikobereitschaft der Programmdirektoren wird auf jeden Fall abnehmen, denn es besteht die Gefahr, dass ihr Ansehen bei den Zuschauern leiden und es somit zu finanziellen Einbußen kommen könnte."