Frauen in Tschechien: Lohnmisere durch Elternzeit
Für den gleichen Jahreslohn müssen Frauen in Tschechien drei Monate länger arbeiten als Männer. Das Statistikamt hat sich in einer neuen Aufstellung mit den Gründen beschäftigt.
Die Geschichte von Petra Kašpárová ist typisch für Tschechien. Vor der Geburt ihrer Tochter hat die heute 38-Jährige bei einem ausländischen Konzern gearbeitet. Dabei verdiente sie sogar weit über dem Durchschnitt. Dann haben sich die Prioritäten der Mutter aber verschoben:
„In Zukunft will ich nicht mehr nur wegen des Geldes arbeiten. Mir reicht es, wenn ich etwas zum Familienbudget beisteuern, mich gleichzeitig aber voll um meine Tochter kümmern kann. Denn sie soll nach der Arbeit für mich nicht erst an zweiter, dritter, oder sogar fünfter Stelle stehen.“
Hierzulande ist nach wie vor die Frau für Kinder und Haushalt zuständig. Daher geht bisher auch nur ein Prozent der tschechischen Männer in die dreijährige Elternzeit. Für die Frauen ist das aber ein großes Problem, erklärt Jitka Erhertová vom Statistikamt:
„Frauen, die aus der Elternzeit wieder in Berufsleben zurückkehren, können meist nicht mehr auf derselben Position arbeiten. Sie wagen dann einen Neustart oder treten eine Teilzeit- statt einer Vollzeitstelle in ihrem bisherigen Betrieb an.“Und gerade das schlägt sich bei den Löhnen nieder. Laut einer aktuellen Erhebung des Statistikamtes müssen Frauen in Tschechien für dasselbe Jahresgehalt ganze drei Monate länger arbeiten als Männem. Demnach liegt der Durchschnittslohn bei Männern bei rund 40.000 Kronen (1560 Euro) brutto in Monat, bei Frauen jedoch nur bei rund 30.000 Kronen (1170 Euro). Die Schere würde aber erst nach dem 30. Lebensjahr auseinandergehen, erläutert Dalibor Holý. Er ist Experte für den Arbeitsmarkt beim Statistikamt:
„Bei den jüngsten Arbeitnehmern, die in der Regel noch keine Familie haben, ist der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen sehr gering. Ab 30 wird er dann aber gewaltig und bis zum 40. Lebensjahr sogar noch größer. Die Löhne gleichen sich erst vor dem Renteneintritt wieder an.“Denn der Mutterschaftsurlaub fällt oft genau in die Zeit, in der laut der Statistikerin Jitka Erhertová der Lohnanstieg besonders markant ist:
„Männer haben in diesem Alter keine Angst, den Job zu wechseln und bessere Angebote anzunehmen. Auf diese Weise gelangen sie in Führungspositionen, in denen sie höhere Gehälter beziehen als Frauen. Das gilt selbst dann, wenn diese ebenfalls im Management sitzen.“
Holý zufolge ist es für Frauen fast unmöglich, diesen Vorsprung wieder wettzumachen. Denn nach Wiedereintritt ins Arbeitsleben würden bei ihnen vor allem Teilzeitverträge oder andere dezentrale Arbeitsmodelle dominieren, meint der Statistiker. Ein weiterer Schlag kommt dann in der Rente. Die fällt bei Frauen durch die geringeren Beiträge nämlich viel niedriger aus. Deshalb sind gerade für weibliche Arbeitnehmer sogenannte Benefits im Job besonders wichtig – also jegliche Zusatzleistungen vom Arbeitgeber über den Lohn hinaus. Dazu die Personalistin Martina Chloupková vom Gutschein-Unternehmen Edenred:„Für Frauen ist neben dem Lohn auch die Flexibilität oder die Teilzeitfähigkeit bei der Jobsuche entscheidend. Deshalb gehören flexible Arbeitszeiten, Home Office oder Sick Days zu wichtigen Benefits. Dabei gilt immer: Je niedriger der Lohn, desto mehr verlässt man sich auf Zusatzleistungen als Teil der Einnahmen einer Familie.“
Größere Lohnungleichheiten gibt es nur noch Estland, wenn man die 28 Staaten der EU vergleicht. Auch in dem baltischen Land ist der Mutterschaftsurlaub mit voll bezahlten drei Jahren sehr lang. Andererseits ist der Unterschied beispielsweise in Belgien und Luxemburg nur noch marginal. Dafür ist dort aber der Mutter- oder Vaterschaftsurlaub sehr viel kürzer.