Tschechisches Musikjahr 2017 bot Hits, Abschiede und Jubiläen

Tata Bojs und SOČR (Foto: Martin Straka, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Das zu Ende gehende Jahr 2017 hatte auch in musikalischer Hinsicht einiges zu bieten. Über Hits, Abschiede, Jubiläen und andere Besonderheiten auf dem tschechischen Musikmarkt erinnern wir nun in unserer Silvestersendung.

Lenny  (Foto: YouTube)
Den Anfang macht der tschechische Popsong des Jahres, der Titel „Hell.o“ von Lenny. Die Interpretin ist seit dem vergangenen Jahr der Shootingstar der tschechischen Pop- und Rockmusik. Die nunmehr 24-jährige Sängerin ist Tochter der Liedermacherin Lenka Filipová. In diesem Jahr hat sie bei den Musikpreisen Anděl (Engel) abgesahnt mit gleich vier Auszeichnungen.

Mittlerweile hat Lenny auch den Weg ins Ausland geschafft. Im Sommer unterschrieb die Frau mit der Reibeisenstimme einen neuen Vertrag mit Universal Music, und auch in Deutschland wird ihr größter Hit gespielt.


Marta Kubišová  (Foto: Kamil Rakyta/ Epoch Times,  CC BY 3.0)
Ein langjähriger Star der tschechischen Musikszene ist Marta Kubišová. Anfang November hat die Sängerin in ihrer Geburtsstadt České Budějovice / Budweis das letzte Konzert ihrer Karriere gegeben. Ein unvergesslicher Augenblick für die 75-Jährige und ihre Gäste. Ein anderes Erlebnis von ihr aber war wohl einer der bedeutendsten Momente der Samtenen Revolution im November 1989 – Marta Kubišová tritt neben Václav Havel auf den Balkon des Palais Melantrich am Prager Wenzelsplatz und singt ihr Lied „Modlitba pro Martu“ / Gebet für Marta. Jenes Lied also, das schon bei der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 der Sound des Protestes war. Auch wenn das Lied eigentlich nicht als Protestsong gegen die Besatzer geplant war, wie sich Kubišová im November gegenüber dem Tschechischen Rundfunk erinnerte. Nun hat mit Marta Kubišová einer der größten tschechischen Chanson-Stars nach über 50 Jahren musikalisch Lebewohl gesagt. Zum Abschied schenkte sie ihren Fans noch einmal ihr Gebet für Marta, und das in einem neuen musikalischen Gewand.


Adam Plachetka  (Foto: Luboš Vedral,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Adam Plachetka ist derzeit der international meist gefragte tschechische Opernsänger. Der Bassbariton ist seit 2010 Mitglied des Opernensembles der Wiener Staatsoper. 2015 debütierte er in der Metropolitan Opera in New York, seitdem tritt er regelmäßig nicht nur dort, sondern auch in anderen renommierten Opernhäusern auf. Im Oktober vergangenen Jahres stellte der 32-jährige Sänger bei einem Konzert in Prag seine neueste CD „Impossible Dream“ vor, diesmal jedoch nicht mit Opernarien, sondern mit Melodien aus berühmten Musicals. Er habe Musicals schon immer gern gehabt, räumte der Opernstar bei der Vorstellung der CD ein. Bei der Auswahl der Lieder für das Album entschied sich Plachetka vor allem für ältere Musicals. Auf der CD finden sich aber auch einige Songs aus modernen Musicals wie Phantom der Oper oder Cats.


„Tata Bojs & SOČR live“. Diesen simplen Titel trägt eine CD, die in diesem Jahr vom Rundfunkverlag Radioservis und dem Label Suprahon herausgegeben wurde. „Tata Bojs“ ist der Name einer bekannten Band in Tschechien. Sie wurde 1988 von Klassenkameraden aus einer Grundschule in Prag gegründet und steht mit ihrem Progressive-Rock bis heute auf der Bühne. „SOČR“ ist eine Abkürzung, die für das Sinfonieorchester des Tschechischen Rundfunks steht. Die beiden Ensembles kamen Ende 2016 zusammen, um ein einzigartiges gemeinsames Konzert unter dem Taktstock des Dirigenten Tomáš Brauner zu geben. Im Prager Karlín Forum trafen sich damals sowohl die Fans der Band als auch die Abonnenten des Rundfunksymphonieorchesters, um die Verbindung von Rock’n’Roll und symphonischer Musik zu genießen. 180 Tage lang arbeitete das frühere Bandmitglied Marek Doubrava an den ungewöhnlichen Arrangements sowohl der alten bekannten Lieder als auch der neuen Songs von Tata Bojs, indem er den typischen Elektrosound in den natürlichen Klang der Orchester-Instrumente umwandelte. Fast 50 Stunden wurde dann für das Konzert gemeinsam geprobt.

Tata Bojs und SOČR  (Foto: Martin Straka,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Býk, či nebýk“ lautet die bekannte Torero-Frage der Tata Bojs in ihrem gleichnamigen Song. Es handelt sich um eine Anspielung an „být, či nebýt“, also „to be or not to be“, die berühmte Hamlet-Frage „Sein oder Nichtsein“. Gespielt wird hier aber nicht nur mit dem Text, sondern auch mit der Musik. Manche von Ihnen erkennen wohl selbst im einleitenden Motiv den Anfang von „Aus Böhmens Hain und Flur“, dem 4. Teil aus dem Zyklus symphonischer Dichtungen „Mein Vaterland“ von Bedřich Smetana.


Fešáci  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Das Jahr 2017 war auch ein Jahr der Jubiläen. Stellvertretend für einen runden Geburtstag sei hier nur einer genannt: Die Country-Band Fešáci hat vor wenigen Tagen den 50. Jahrestag ihrer Entstehung gefeiert. Sie wurde am 22. Dezember 1967 gegründet.

Vom Anfangstrio der Band, die sich zunächst „Greenes“ nannte, ist noch einer bis heute dabei: Es ist der Geiger und musikalische Leiter der „Fešáci“, Jan Turek. Schon kurz nach ihrer Gründung wurden die „Fešáci“ (zu Deutsch: fesche Kerle) als beste Bluegrass-Gruppe in der damaligen Tschechoslowakei genannt. Später hat die Band angefangen, auch andere Richtungen der Country-Music zu spielen. Das war auch der Hauptgrund ihrer großen Popularität, nicht nur in der ČSSR, sondern auch in den anderen osteuropäischen Ländern aus dem damaligen sozialistischen Lager.

Plavci  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Die 1960er Jahre waren überhaupt die Blütezeit der hierzulande sehr populären Country-Music. Dazu bei trugen neben den Fešáci auch noch zwei andere Bands, die sich beide im Jahr 1965 gegründet hatten: die Rangers, die sich in der Periode der sogenannten Normalisierung in Plavcí umbenennen mussten, und die Greenhorns, die später ebenfalls unter einem anderen Namen aufzutreten hatten. In der unfreien Zeit des Sozialismus nannten sie sich Zelenáčí. Ihrer beschwingten Musik tat dies jedoch keinen Abbruch.

Autor: Lothar Martin
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